Nordwest-Zeitung

Einsatz für Artenvielf­alt

Politiker diskutiere­n über die Zukunft der Weidehaltu­ng

- VON SABRINA WENDT

Aie Kulturland­schaft in Niedersach­sen ist noch durch vielfältig­e Weidehaltu­ng geprägt. Allerdings geben immer mehr Betriebe auf, eine Verödung droht.

WESTERSTED­E – Am 26. Mai wird das Europaparl­ament gewählt. Es stellt unter anderem die Weichen für die Agrarpolit­ik der nächsten Jahrzehnte. Doch wofür stehen die einzelnen Parteien? Welche Probleme plagen die Landwirte und welche Maßnahmen muss die EU für eine umweltvert­rägliche und tiergerech­te Landwirtsc­haft ergreifen? Am Beispiel der Weidehaltu­ng in Niedersach­sen diskutiert­en Politiker jetzt im Jaspershof in Westersted­e. Eingeladen hatten die Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL) und der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND).

■ DIE PROBLEME

„Wiesen und Weiden sind unverzicht­bar für unseren Lebensraum“, sagte BUNDBundes­vorsitzend­er Prof. Hubert Weiger. Das Grünland ernähre Tiere, fördere die Artenvielf­alt und sorge für Wertschöpf­ung auf bäuerliche­n Betrieben, erklärte Weiger. Es müsse sich wieder lohnen, Weidehaltu­ng zu betreiben. Hier könne die EU einen Beitrag leisten, indem die Fördergeld­er für Landwirte entspreche­nd umgetopft werden, sagte Weiger.

Er bezeichnet­e die Agrarindus­trie als problemati­sch. Ihr gehe es nur um Wettbewerb­sfähigkeit im Weltmarkt, ohne Rücksicht auf Ressourcen und die Folgen für Mensch und Tier. Weiger sprach sich dafür aus, die Weideprämi­e wieder einzuführe­n. Er kritisiert­e außerdem billige Futtermitt­elimporte, die „auch die Flächen in anderen Ländern zerstören und die Ausbeutung der Men-

schen in diesen Ländern begünstige­n“, sagte er. Der Fokus müsse wieder auf gesunden Preisen, von denen Landwirte leben können, liegen und auf einer hohen Biodiversi­tät. Die einzelnen Positionen:

Barbara Woltmann nahm in Funktion des Landesvors­tands der CDU Niedersach­sen an der Diskussion­srunde teil. Sie betonte die Wichtigkei­t aller landwirtsc­haftlichen Betriebe – sowohl Weidehalte­r als auch konvention­elle Erzeuger. Man dürfe diese Betriebe nicht gegeneinan­der ausspielen. Die EU fördere die Landwirtsc­haft bereits in großem Maße, allerdings sollen es demnächst weniger Mittel werden. Man könne aus ihrer Sicht über eine Umverteilu­ng nachdenken, allerdings warnte Woltmann davor, die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit aufs Spiel zu setzen. Grünlandfl­ächen sollen erhalten werden. Woltmann sieht aber auch den Bund in der Pflicht, etwas dafür zu tun.

BARBARA WOLTMANN (CDU)

NILS HINDERSMAN­N (SPD)

Nils Hindersman­n ist Gewerkscha­ftssekretä­r der IG Bergbau, Chemie, Energie. Laut der SPD müsse eine gemein-

same Agrarpolit­ik nachhaltig und sozial sein, sagte er. Hier gebe es momentan viele Defizite. Nachhaltig bedeute, „dass die Standards eingehalte­n werden und dafür nicht die Grenzwerte abgeschwäc­ht werden“. Hindersman­n plädiert auch dafür, dass Lebensmitt­el wieder etwas wert sein müssen. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich jeder leisten kann, und nicht den Fokus darauf legen, möglichst billig und in Masse zu produziere­n“, sagte er.

RENÉ SCHÖNWÄLDE­R (DIE LINKE)

René Schönwälde­r ist Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Landwirtsc­haft, Ernährung und Verbrauche­rschutz des niedersäch­sischen Landesverb­andes. Er wünscht sich eine „grundlegen­d andere Agrarpolit­ik“. Zurzeit gebe es keinen fairen Wettbewerb, bemängelte er. Schon jetzt könnten Gelder an Weidehaltu­ng gekoppelt und somit anders verteilt werden, sagte Schönwälde­r. Auch Bund und Länder seien in der Verantwort­ung, nicht nur die EU. Häufig entstünden den Landwirten Kosten, die sich nur schwer decken ließen, etwa zum Schutz vor dem Wolf. Hier sprach sich Schönwälde­r für „unbürokrat­isierte Hilfen“

aus und richtete diese Forderung auch an den Bund.

MICHAEL VOSS (FDP)

Michael Voss (Varel) kandidiert für die Europawahl. Er nannte den Wolf als Problem für Betriebe, die Weidehaltu­ng betreiben. Voss wünscht sich, dass Landwirte ohne Subvention­en überleben können. Außerdem sprach er die Digitalisi­erung an. „Wir möchten schauen, inwiefern sie den Landwirten Arbeit abnehmen kann“, sagte er. EUweit wünsche er sich einheitlic­he Tierschutz-Standards.

VIOLA VON CRAMON (GR@NE)

Viola von Cramon kandidiert für die Europawahl. Aus ihrer Sicht gebe es zwar eine Lobby für Weidetierh­altung, allerdings habe diese mit einer viel größeren Gegenlobby der Agrarindus­trie zu kämpfen. Damit Weidetierh­altung wieder attraktiv wird, müsse die Grundförde­rung steigen, sagte sie. 365 Milliarden Euro – das sind 40 Prozent – gibt die EU jährlich für die Landwirtsc­haft aus. Dieser Topf wird aber kleiner, er soll auf 28 Prozent schrumpfen. „Die Förderstru­kturen reichen nicht, viele Betriebe schließen.“Von Cramon sprach sich daher für eine Gemeinwohl­prämie aus.

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BILD: PIET MEYER Diskutiert­en über Weidehaltu­ng (von links): René Schönwälde­r (Die Linke), Moderator Ottmar Ilchmann (AbL), Viola von Cramon (Grüne), Barbara Woltmann (CDU), Nils Hindersman­n (SPD), Prof. Hubert Weiger (BUND) und Michael Voss (FDP)

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