Nordwest-Zeitung

Ein Filmstar des Wirtschaft­swunders

=chauspiele­rin Nadja Tiller feiert 90. Geburtstag – „Ich bin einfach zufrieden!“

- VON CHRISTIANE BOSCH

A–e esterreich­erin wurde als „Das Mädchen Rosemarie“bekannt und hätte ein Weltstar werden können. Doch sie lehnte Angebote von drei berühmten Regisseure­n ab. Das sei nicht sehr klug gewesen, sagt sie heute.

HAMBURG – Die österreich­ische Schauspiel­erin Nadja Tiller galt als eine der erotischst­en Frauen des europäisch­en Films. Als Edelprosti­tuierte Rosemarie Nitribitt in „Das Mädchen Rosemarie“wurde sie in den 1950er Jahren internatio­nal bekannt. Seitdem spielte sie in mehr als 120 Filmen und Serien mit. Zuletzt heimste die Wahl-Hamburgeri­n einen begehrten HörspielPr­eis ein und stand auch mit stolzen 87 Jahren noch auf der Theaterbüh­ne. Am kommenden Samstag (16. März) wird die einstige Film-Ikone 90 Jahre alt.

Die gebürtige Wienerin gehört zur Schauspiel­garde der 1950er und 1960er Jahre. Lange Beine, volle, geschwunge­ne Lippen, sinnlicher Blick, schöne Kurven – die erste gewählte Miss Austria. Sie konnte zugleich Vamp und Grande Dame verkörpern und spielte sich schließlic­h als LuxusCallg­irl Rosemarie auf die Wunschzett­el der europäisch­en Regisseure.

Sie hätte statt Anita Ekberg im Trevi-Brunnen („La Dolce Vita“) baden, an der Seite von Marcello Mastroiann­i spielen („La notte“) und mit Alain Delon („Rocco und seine Brüder“) drehen können. Doch Tiller lehnte diese Angebote ab. Sie hätten sie zum Weltstar machen können. „Ich war leider nicht klug genug und zu dumm und habe dann drei sehr berühmte Filme nicht angenommen“, sagt Tiller. Damals seien die drei Regisseure auch noch nicht so berühmt gewesen, wie nach diesen Filmen. „Und letztendli­ch würde ich wahrschein­lich heute genauso hier sitzen – auch, wenn ich einen davon gemacht hätte“, so die Schauspiel­erin weiter.

Die Liste ihrer Engagement­s kann sich dennoch se-

hen lassen. Sie arbeitet internatio­nal, spielt an der Seite von Jean Paul Belmondo („Der Schlaufuch­s“), Anita Ekberg und O. W. Fischer („El Hakim“). Besonders in Erinnerung blieb ihr ein Film aus dem Jahr 1958: „Mein Lieblingsf­ilm ist ohne Frage der, den ich mit Jean Gabin gemacht habe.“(„Im Mantel der Nacht“). Gabin sei ein großartige­r, präziser und sehr kollegiale­r Schauspiel­er gewe-

sen. „Er hat mir schon sehr imponiert, und ich mochte ihn auch sehr gern.“

Besonders stolz ist sie rückblicke­nd darauf, dass sie sich auf ein Musical („Applaus“, Lübeck) eingelasse­n hatte, obwohl sie nicht gut singen konnte. „Da habe ich wirklich sämtliche Kräfte mobilisier­t, die ich hatte. Und ich war sehr stolz, dass ich das geschafft hatte.“

Am Filmset fand die Toch- ter einer Opernsänge­rin und eines Schauspiel­ers nicht nur Ruhm und Erfüllung. Sie fand auch ihren Walter. 1956 heiratete sie den deutschen Schauspiel­er Walter Giller („Die Drei von der Tankstelle“, „Rosen für den Staatsanwa­lt“, „Charleys Tante“). Die beiden galten als das Glamourpaa­r der Wirtschaft­swunderzei­t. 55 Jahre lang waren die beiden verheirate­t, bevor er Ende 2011 wegen einer Krebserkra­nkung mit 84 Jahren starb. Als das Geheimnis ihrer langen Ehe bezeichnet­en beide viel Toleranz. Sein Appartemen­t neben ihrem in der Seniorenre­sidenz an der Elbe hat sie behalten – für Gäste. Ihr Mann sei natürlich noch immer in ihren Gedanken. „Aber er entfernt sich immer mehr. Die Zeit ist eben so.“

Nach dem Tod ihres Mannes nahm Tiller weiter Enga- gements an – wenn auch kleinere. 2013 nahm sie mit dem Schweizer Schauspiel­er Fritz Lichtenhah­n, der bis zu seinem Tod ebenfalls in ihrer Seniorenre­sidenz wohnte, das preisgekrö­nte Hörspiel „Traumrolle­n“auf. Darin spielen sich die beiden als zwei Bühnen- und Filmlegend­en in einem Seniorenhe­im noch einmal durch die Theaterges­chichte. Die Arbeit wurde mit dem Deutschen Hörspielpr­eis ausgezeich­net.

Zuletzt stand Tiller mit 87 Jahren für „My Fair Lady“in Braunschwe­ig noch einmal auf der Bühne. „Es war eine kleine Rolle, und das hat mir großen Spaß gemacht und war eigentlich ein schöner Abschluss.“Dann sagte sie dem Theater endgültig Adieu. „Es strengt mich ja letztlich doch sehr an.“

In ihren 90. Geburtstag wird Tiller reinfeiern, am Tag zuvor ist sie beim Norddeutsc­hen Rundfunk in eine Talkshow eingeladen. „Das geht ja sowieso immer ein bisschen bis nach Mitternach­t, und ich kann mir auch Freunde einladen, die mit zur Talkshow hinkommen. Das ist doch sehr schön. Am Abend werde ich mit meiner engen Familie essen gehen.“Tiller hat zwei Kinder und vier Enkelkinde­r. „Ich habe in meinem Leben eine Menge Glück gehabt – nicht zuletzt, da ich einen besonders netten Mann hatte“, sagt die Österreich­erin. „Ich bin einfach zufrieden!“

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BILD: ARCHIV So kannte man das Paar: Schauspiel­erehepaar Nadja Tiller und Walter Giller 1958
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BILD: ARNE DEDERT Ikone des deutschspr­achigen Films: Nadja Tiller

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