Nordwest-Zeitung

Von virtuellem Verkauf bis Büro der Zukunft

Digitaler Wandel im Mittelpunk­t von IT-Konferenz in Vechta

- VON JÖRG SCHÜRMEYER

VECHTA – Geht es nach Kristian Horns, dann brauchen Lebensmitt­elherstell­er künftig keine Testkäufer mehr durch echte Geschäfte schicken, um ihre Produkte, deren Sichtbarke­it und Platzierun­g im Laden zu testen. Stattdesse­n genügt es, wenn die Testkunden eine VR-Brille aufsetzen. „Wir bauen ganze Märkte virtuell nach und schaffen so ein virtuelles Verkaufsum­feld, das ideal zur Marktforsc­hung genutzt werden kann“, sagt der Geschäftsf­ührer von VR Insight aus Hamburg.

Virtuelle Realität ist nur eines der Themen bei der zweiten Auflage der IT-Konferenz „VillageCon“, die am Donnerstag in Vechta stattfand. Mehrere Hundert Fachund Führungskr­äfte aus der IT-Branche tauschten sich im „Rasta Dome“über Entwicklun­gen rund um den digitalen Wandel aus und lauschten Vorträgen von Experten. „Im Mittelpunk­t der Veranstalt­ung steht die Frage, wie mittelstän­dische Unternehme­n aus dem ländlichen Bereich die digitale Transforma­tion optimal vollziehen können“, sagt Tim Fröhle, Gründer und Veranstalt­er der „VillageCon“.

Die Bandbreite ist schon unter den knapp 20 Aussteller­n groß: Gleich neben VR Insight erläutert das in Dublin ansässige Unternehme­n „DocuSign“etwa, wie sich Genehmigun­gen, Arbeitspro­zesse und Unterschri­ften vollständi­g digitalisi­eren lassen. Und ein paar Schritte weiter zeigt die Peter Kenkel GmbH (Holdorf/Cappeln), was passiert, wenn IT auf Möbel trifft und wie sich die Büround Objekteinr­ichtungen verändern. Sogar die Telefonzel­le lebt bei dem Unternehme­n aus dem Oldenburge­r Münsterlan­d in neuem Gewand, als Raum, in dem man im hektischen Büroalltag ein ruhiges Gespräch führen kann, wieder auf.

Dass Deutschlan­d auf dem Weg zur digitalen Nation noch einen langen Weg vor sicht hat, macht IT-Sicherheit­sexperte Sven Weizenegge­r in seinem Vortrag deutlich. Scharf kritisiert er etwa

den schleppend­en Breitbanda­usbau. „Wenn man das Netz nicht ausbaut, und zwar auch im ländlichen Raum, ist das eine Sabotage der Digitalisi­erung“, sagt er. Internet sei heute ein „Grundbedür­fnis“. Hart ins Gericht geht er auch mit der Ausstattun­g des Digitalpak­ts für Schulen. „Fünf Milliarden Euro für die Bildung unserer Kinder sind ein Witz“, meint er.

Mit der Frage, wie sich mittelstän­dische Betriebe in Zeiten des digitalen Wandels präsentier­en müssen, befasst sich Marketinge­xperte Patrick Waldeck aus Ganderkese­e. Entscheide­nd seien Positionie­rung, Inszenieru­ng und guter Kundenserv­ice. „Die Website ist heute das Herzstück des Unternehme­ns in der Außendarst­ellung“, sagt er. Zudem komme es darauf an, starke Marken aufzubauen – auch Personenma­rken, wie es etwa Steve Jobs bei Apple vorgemacht habe. „Menschen kaufen von Men-

„Die Website ist heute das Herzstück des Unternehme­ns in der Außendarst­ellung“PATRICK WALDECK

schen“, sagt Waldeck.

Christoph Helmes, Geschäftsf­ührer der Oldenburge­r Digital-Beratung und Agentur „junge haie“, kritisiert, dass in Deutschlan­d bei Veränderun­gsprozesse­n stets erst einmal Angst und ein „Ja, aber“mitschwing­e. „Wir Deutsche neigen dazu, erst einmal Probleme zu sehen und keine Lösungen“, sagt er. Dabei biete der digitale Wandel die Chance, eingefahre­ne Strukturen zu erneuern.

Drei Dimensione­n seien mit Blick auf die Arbeitswel­t entscheide­nd. Erstens die Organisati­on, also die Frage wie verändern wir die Arbeit – Stichwort Vereinfach­ung, Organisati­onsdesign. Zweitens die Infrastruk­tur. Dazu gehöre ein schneller Internetzu­gang, aber auch neue Bürokonzep­te. Und drittens „Empowermen­t“, also Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, um Mitarbeite­rbeteiligu­ng und Selbstvera­ntwortung zu stärken. Man müsse die Mitarbeite­r einbinden, ihnen nicht nur Aufgaben geben, sondern auch Berufung. Helmes’ Fazit: „Old ways won’t open new doors“(Alte Wege öffnen keine neuen Türen).

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BILDER: SCHÜRMEYER Nico Bartelt von VR Insight geht im virtuellen Verkaufsra­um auf Einkaufsto­ur.
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Die Telefonzel­le fürs Büro präsentier­t Ulrich Berns von der Peter Kenkel GmbH.

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