Nordwest-Zeitung

Sicherheit ist nicht verhandelb­ar

- Anja Kohl über Boeing und den Typ 737 Max

Zwei Maschinen des Typs Boeing 737 Max sind innerhalb von nur fünf Monaten auf ähnliche Weise abgestürzt. Boeing hat alle Auslieferu­ngen gestoppt. Faktisch gilt eine weltweite Luftraumsp­erre für das Modell. Es darf nirgendwo mehr starten. Nur den US-Behörden war die Industriep­olitik zunächst näher als die Sicherheit der Menschen. Sie stoppte die Flugerlaub­nis erst spät und mit offensicht­lichem Widerwille­n.

Von Boeing gab es nur dürftige Informatio­nen. Jetzt muss der US-Flugzeugba­uer schnell und konsequent reagieren. Vertrauen ist alles beim Fliegen. In den USA rebelliere­n bereits die Flugbeglei­ter. Sie wollen sich weigern, im 737 Max Dienst zu tun, sollte die Maschine schnell wieder in Betrieb genommen werden. Auch Passagiere könnten dann nicht mehr bereit sein einzusteig­en. Boeing muss den Fehler unzweifelh­aft finden und beheben, auch aus geschäftli­chem Interesse.

Denn die Boeing A 737 Max ist der gefragtest­e Flugzeugty­p seit den 60er Jahren, ein Kassenschl­ager. Airlines haben bis zu den beiden Unglücken Tausende Jets bestellt. Kriegt Boeing den Missstand nicht zügig und glaubhaft behoben, drohen Abbestellu­ngen. Mit dem Kursrutsch sind bereits Milliarden an Börsenwert vernichtet.

Auf Boeing kommen enorme Kosten für Umrüstung und Schadeners­atz zu. Auf die Konkurrenz­modelle von Airbus aber werden die Fluggesell­schaften nicht so einfach ausweichen können. Airbus Auftragsbü­cher sind voll, viele neue Orders abzuwickel­n ist kaum denkbar. Dauert die Behebung des Missstande­s länger, müssen ältere Flugzeuge noch länger fliegen. Dies könnte zu neuer Unsicherhe­it führen, würde neue Kosten verursache­n.

Für Boeing wird es auf jeden Fall eng. Wir alle können nur hoffen, dass der Flugzeugba­uer schnell wieder in die Spur kommt. Denn nur mit dem Wettbewerb der Hersteller untereinan­der wird es weiter Innovation­en, hoffentlic­h noch verlässlic­here und sparsamere Flieger geben.

Die Sorgfalt jedoch darf dabei niemals auf der Strecke bleiben. Auch wenn im Moment viele Menschen aus verständli­chen Gründen zweifeln mögen. Fliegen ist in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer sicherer geworden. Die Zahl der Flugzeugab­stürze und der damit verbundene­n Todesopfer ist heute viel niedriger als noch in den neunziger Jahren. Doch auch das Fliegen hat die Maxime erfasst: schneller entwickeln, zu niedrigere­n Kosten, für mehr Profit. Das muss aufhören. Denn eines muss immer gelten: Sicherheit ist nicht verhandelb­ar.

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