Massenmord live im Internet
Mindestens 49 Tote bei Angriffen von Rechtsextremen auf zwei Moscheen in Neusee.and
Auf das fried.iche Image ihres Landes sind sie in Neusee.and sehr sto.z. Ihre Reaktion auf den Angriff .autet nun: stark b.eiben.
CHRISTCHURCH – Die Al-NurMoschee von Christchurch ist kein Gebäude, das besonders auffällt. Ein eher zweckmäßiger Bau in weiß, direkt an einem Park, mit goldener Kuppel und Minarett und einem Parkplatz davor. Auch wenn Muslime in Neuseeland sehr in der Minderheit sind: An die Moschee in der Deans Avenue, einer ruhigen Straße, hat man sich in der 350 000Einwohner-Stadt des Pazifikstaats schon lange gewöhnt.
Kamera auf dem Helm
An diesem Freitag jedoch, die Gemeinde ist gerade zum Freitagsgebet versammelt, mehr als 300 Leute, marschiert ein schwer bewaffneter Mann in das Gotteshaus – ein Weißer, markantes Gesicht, kurzes Haar. Später wird bekannt, dass er aus Australien kommt, 28 Jahre alt. Auf dem Helm hat er eine Kamera, die alles filmt, was er tut, und live ins Internet überträgt.
In den Händen hält der Mann eine Schnellfeuerwaffe. Um den Leib hat er sich eine kugelsichere Weste geschnallt. Dann schießt er los. Auf den Bildern, die auch nach vielen Stunden noch im Internet zu finden sind, hört man zu den Schüssen einen Marsch. Von oben sieht man den Lauf seiner Waffe, alles aus der Ich-Perspektive. Es ist wie eines dieser Ballerspiele. Aber in echt.
Was in den nächsten sechs Minuten geschieht, sollte man lieber nicht beschreiben. Diesen Gefallen muss man einem vielfachen Mörder nun wirklich nicht tun. Fest steht jedoch: So etwas wie Normalität wird es in der Al-Nur-Moschee von Christchurch nun sehr lange nicht mehr geben. Auf dem grünem Teppichboden und in den Gängen liegen die Leichen von 41 Menschen. Das letzte Opfer ist eine Frau. Der Mann erschießt sie, als sie schon schwer verletzt im Rinnstein liegt.
Als er wieder in sein Auto steigt, immer noch mit der Helmkamera auf dem Kopf, ist der Marsch vorbei. Jetzt läuft ein Song von Arthur Brown aus dem Jahr 1968: „Fire“. Die erste Zeile: „Ich bin der Gott des Höllenfeuers. Und ich bringe Euch: Feuer.“Die Inszenierung ist an Zynismus nicht zu überbieten.
Auf weiteren Waffen, die der Mann im Kofferraum hat, ist „Kebab Remover“(„KebabEntferner“) zu lesen und der Name eines Mädchens, das 2017 bei einem Terrorangriff in Schweden starb. Im Netz – auf Twitter und einem Online-Diskussionsforum mit vielen rechtsextremen Beiträgen – kursiert zudem ein 74seitiges „Manifest“, in dem sich mutmaßlich der Täter zu seinen Beweggründen äußert.
Der Verfasser betont, eine „Atmosphäre der Angst“schaffen zu wollen. Sich selbst beschreibt er als jemanden aus der Arbeiterklasse. Das Schreiben nimmt auch auf den norwegischen rechtsextremen Massenmörder Anders Behring Breivik Bezug. Ob das „Manifest“tatsächlich von dem Australier kommt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Polizei wollte sich dazu nicht näher äußern, genauso wenig wie zu dem insgesamt 17-minütigen Video.
Für Neuseeland ist dies eine der schlimmsten Gewalttaten der jüngeren Geschichte. So etwas wie jetzt gab es noch nie. Premierministerin Jacinda Ardern spricht von „dunkelsten Tagen“. Über die muslimischen Opfer sagt sie: „Neuseeland war ihre Heimat. Sie hätten sich hier sicher fühlen sollen.“Sie waren es nicht.
Zumal dann auch noch bekannt wird, dass in einer zweiten Moschee, ein paar Kilometer weiter, sieben weitere Menschen erschossen wurden. Einer stirbt später im Krankenhaus. Wie das zusammenhängt, weiß man auch nach Stunden noch nicht. Auf die Frage, ob das alles koordiniert war, sagt Ermittler Mike Bush: „Wir haben darüber keine Informationen.“
Angreifer vor den Richter
Fest steht: Drei Verdächtige werden festgenommen – auch der Mann aus der AlNur-Moschee. Auf einem Video ist zu sehen, wie ihn Beamte aus seinem weißen Geländewagen zerren und auf den Boden zwingen. An diesem Samstag soll er einem Richter vorgeführt werden.
Australiens Premierminister Scott Morrison nennt den Angreifer einen „rechtsextremistischen gewalttätigen Terroristen“. Neuseelands Premierministerin Ardern stuft die Tat ebenfalls als „terroristischen Angriff“ein.
Als der Tag in Christchurch zu Ende geht, sind die beiden Moscheen immer noch weiträumig abgesperrt. 48 Menschen liegen mit teils schweren Schusswunden in verschiedenen Krankenhäusern, auch kleine Kinder. Man weiß nicht, ob sie alle durchkommen werden.