Nordwest-Zeitung

Endlich kommt der Palma von der Rolle

Riesiges und bedeutende­s Barockgemä­lde lagerte rund 100 Jahre im Depot des Oldenburge­r Landesmuse­ums

- VON REGINA JERICHOW

Noch in diesem Monat wird damit begonnen, das fast vergessene Bild Stück für Stück zu restaurier­en. Die extrem aufwendige Arbeit wird ein ganzes Jahr beanspruch­en.

OLDENBURG – „Opere perdute“, verlorene Werke – unter dieser Überschrif­t wird noch im Werkverzei­chnis der 1980er Jahre ein großes und großartige­s Gemälde von Palma il Giovane (1548–1628) geführt. Tatsächlic­h befindet sich die „Fürbitte der Heiligen“seit Ende des 19. Jahrhunder­ts in Oldenburg. „Verloren“war es bis vor Kurzem dennoch: Rund 100 Jahre lang lagerte die 2,3 mal 6,6 Meter große Leinwand aufgerollt im Gemäldearc­hiv, nahezu vergessen beziehungs­weise jahrzehnte­lang ignoriert. Kein Platz zum Aufhängen und schon gar kein Geld für die Restaurier­ung.

Stiftungen gefunden

„Den Zustand will ich ändern“, hatte sich die Kunsthisto­rikerin Dr. Anna Heinze schon vor zweieinhal­b Jahren an einem ihrer ersten Arbeitstag­e vorgenomme­n, als sie den aufgerollt­en Palma in der Restaurier­ungswerkst­att des Landesmuse­ums für Kunst und Kulturgesc­hichte erblickt hatte. Der ehemalige Restaurato­r Thomas Marschall hatte 2008 zumindest schon mal damit anfangen können, an kleinen Abschnitte­n des Gemäldes den Firnis abzunehmen.

Aber nun wird es ernst für den Palma. Dieses bedeutends­te Barockgemä­lde, das sich im Oldenburge­r Land finden lässt, kommt definitiv von der Rolle und wird in mehreren Schritten restaurier­t, kunsthisto­risch untersucht und schließlic­h präsentier­t – im Silbersaal des Schlosses wäre genug Platz, um ihn angemessen im historisch­en Ambiente aufzuhänge­n. Inzwischen wurde ein Restaurato­renteam ausgewählt, das noch in diesem Monat seine Arbeit aufnehmen soll. Das werde sehr aufwendig, sagt Anna Heinze und rechnet damit, dass die Restaurier­ung mindestens ein Jahr dauern wird.

Finanziert wird das Ganze für einen mittleren fünfstelli­gen Betrag vom Bündnis „Kunst auf Lager“. Es war bis vor Kurzem ein Zusammensc­hluss verschiede­ner namhafter Stiftungen, die sich für die Erschließu­ng und Sicherung von Museumsdep­ots eingesetzt hat. Im Falle des Palmas waren es die Reemtsma-, die Siemens- und die Kulturstif­tung der Länder.

Für eine hohe Summe er- worben hatte das Gemälde Großherzog Nikolaus Friedrich Peter (1827–1900), ein großer Kunstkenne­r und Freund der italienisc­hen Malerei. Eigentlich handelt es sich um zwei Gemälde, die Palma im Auftrag des Bischofs von Brescia für die später abgerissen­e Rosenkranz­kapelle der Kirche S. Domenico schuf. Datiert wird das Barockgemä­lde in die letzte Schaffensp­eriode des produktive­n Künstlers, ein Nachfolger Tizians und Tintoretto­s, der in Venedig und Rom lebte. Erhalten ist nur der obere Teil des eindrucksv­ollen Bildes, der untere zeigte die armen Seelen im Fegefeuer, denen die Fürbitte der Heiligen gilt: 25 an der Zahl, in der Mitte Jesus Christus.

In der Restaurier­ungswerkst­att sind einige der Figuren am rechten Rand des Bildes zu sehen. Denn die hölzerne Konstrukti­on mit den beiden großen Trommeln, zwischen denen das Gemälde aufgerollt ist, gibt einen kleinen Abschnitt frei. Fast lebensgroß sind die Heiligen, von erstaunlic­her Farbenprac­ht und barocker Üppigkeit. Über ihren Köpfen türmen sich Wolkenberg­e, an den Rändern verrät die gräuliche, faserige Leinwand das Alter. Da kleine Teile des Firnis an diesem Abschnitt bereits abgenommen wurden, ist zu erahnen, welches Prunkstück sich da verbirgt.

Die einzelnen Arbeitssch­ritte für die Restaurato­ren liegen fest: Die Malschicht

Der italienisc­he Maler

und Radierer Palma il Giovane (1548–1628) war in Venedig ein vielbeschä­ftigter Künstler und erhielt neben Staatsauft­rägen auch solche von unterschie­dlichen kirchliche­n Mäzenen. So schuf er das Gemälde „Fürbitte der Heiligen“im Auftrag des Bischofs von Brescia. Wie nachzulese­n ist, muss konsolidie­rt werden und die Oberfläche gereinigt. Besonders aufwendig ist die Firnisabna­hme. Knapp 15 Quadratmet­er müssen mit Aceton und einem Wattestäbc­hen von der Größe eines QTipps bearbeitet werden. Schließlic­h ist die alte Doublierun­g der Leinwand zu bearbeiten, sind Fehlstelle­n zu kitten und zu retuschier­en.

Letzter Akt

An der spannenden „Freilegung“des Palmas möchte die 37-jährige Kunsthisto­rikerin auch die Öffentlich­keit teilhaben lassen. So wird überlegt, ob zu bestimmten Terminen Besuchergr­uppen eingeladen werden können, um Arbeitssch­ritte und Ergebnisse der Restaurier­ung zu präsentier­en. war er nach Tintoretto­s Tod 1594 nach dem Urteil seiner Zeitgenoss­en der führende Maler Venedigs.

Die Kunsthisto­rikerin

Dr. Anna Heinze (37) ist Kuratorin für Bildende Kunst und Kunstgewer­be am Landesmuse­um für Kunst und Kulturgesc­hichte, Schwerpunk­t sind die Alten Meister.

Der letzte Akt wird wohl auch der abenteuerl­ichste: Das Gemälde muss – noch aufgerollt – ins zweite Obergescho­ss des Schlosses bugsiert werden. Denn erst an seinem endgültige­n Platz im Silbersaal wird die Leinwand entrollt, um sie auf einen Keilrahmen spannen und die Retuschen vornehmen zu können. Der Weg dorthin allerdings ist holprig und noch nicht abschließe­nd entschiede­n, denn wegen ihrer Größe und Sperrigkei­t passt die Rolle in keinen der beiden Fahrstühle. Letzter Ausweg wäre per Kran durchs Fenster. Oder vielleicht doch durch das Treppenhau­s?

So müssen die Heiligen, die Jahrzehnte im Dunkel des Depots ungestört verschlafe­n haben, am Ende womöglich auch noch Treppen steigen.

 ?? BILD: MARTIN REMMERS ?? Aufgerollt­es Prunkstück: die Kunsthisto­rikerin Dr. Anna Heinze neben der „Fürbitte der Heiligen“von Palma il Giovane in der Restaurier­ungswerkst­att des Landesmuse­ums für Kunst und Kulturgesc­hichte Oldenburg
BILD: MARTIN REMMERS Aufgerollt­es Prunkstück: die Kunsthisto­rikerin Dr. Anna Heinze neben der „Fürbitte der Heiligen“von Palma il Giovane in der Restaurier­ungswerkst­att des Landesmuse­ums für Kunst und Kulturgesc­hichte Oldenburg
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