Nordwest-Zeitung

Mit viel Erfahrung punkten

Was ältere Arbeitnehm­er bei ihren Bewerbunge­n beachten sollten

- VON JULIA RUHNAU

Oft gibt es in der Arbeitswel­t Vorurteile. Die muss man erst einmal entkräften.

STUTTGART – Firmenplei­ten, gesundheit­liche Einschränk­ungen oder schlicht der Wunsch, nach 30 Jahren noch einmal etwas Neues anzufangen – es gibt viele Gründe, warum Menschen sich gegen Ende ihres Arbeitsleb­ens noch einmal auf einen neuen Job bewerben. Die Spanne des aktiven Arbeitsleb­ens ist eben ziemlich lang geworden.

Klar ist: Wer mit Anfang 50 noch einmal auf Jobsuche geht, hat es schwerer als jüngere Arbeitslos­e. Die Arbeitslos­enquote lag 2017 bei den über 54-Jährigen mit sieben Prozent etwa einen Prozentpun­kt höher als in jüngeren Altersgrup­pen. Außerdem erhielten Arbeitssuc­hende in diesem Alter nur in einem guten Drittel der Fälle innerhalb von zwei Jahren eine neue Anstellung.

Für Ältere liegt die letzte Bewerbung oft Jahrzehnte zurück. Statt Bewerbungs­mappe und Vorstellun­gsgespräch gibt es jetzt Skype-Interviews, Assessment-Center und Bewerbungs­videos. Nichtsdest­otrotz haben ältere Bewerber einige Vorteile, die sie ausspielen können.

Grit Schädlich, Vermittler­in im Integratio­nsteam der Bundesagen­tur für Arbeit in Stuttgart, nennt sie die „Generation Erfahrung“. Für die Bewerbung und das Auftreten im Vorstellun­gsgespräch stelle sich die Frage, was man in die Waagschale werfen kann gegenüber jüngeren Bewerbern. Es gebe Arbeitgebe­r, die bewusst nach älteren Mitarbeite­rn suchen – etwa, weil sie viele junge Angestellt­e haben und nun einen erfahrenen Mitarbeite­r möchten, der etwas Ruhe ins Büro bringt.

Neben fehlender Bewerbungs­praxis haben ältere Jobsuchend­e häufig mit Vorurteile­n zu kämpfen. Körperlich­e Belastbark­eit, Lernbereit­schaft oder -fähigkeit – diese Fähigkeite­n sprechen Arbeitgebe­r eher jüngeren Menschen zu. Was also tun? „Sich als „extra“jung oder junggeblie­ben zu präsentier­en, ist oft wenig authentisc­h“, findet Business Coach und Trainerin Carolin Lüdemann. Wer sich verstellt, laufe Gefahr, entlarvt zu werden – entweder schon im Vorstellun­gsgespräch oder spätestens im Job. Stattdesse­n gelte es, die eigenen Vorzüge herauszust­ellen. Lüdemann nennt das „Differenzi­erungspote­nzial“. Welche Punkte aus der Stellenaus­schreibung kann man durch seine jahrelange Berufserfa­hrung besonders gut erfüllen?

Was Vorurteile oder Anspielung­en auf das Alter angeht, könne man ruhig offensiv auftreten, rät die Trainerin, die ein Buch zum Thema verfasst hat. „Es macht Sinn, diese in Eigeniniti­ative abzuarbeit­en und nicht erst den Personaler danach fragen zu lassen.“So könne man das Gespräch besser steuern und beherrsche­n. Manche Vorurteile könne man auch ins Gegenteil verkehren, erklärt Arbeitsage­ntur-Vermittler­in Schädlich. „Jemand, der immer in einer Branche gearbeitet hat, sieht sich vielleicht dem Vorurteil der einseitige­n Berufserfa­hrung gegenüber.“Der Vorteil sei aber, dass man in seinem Gebiet dadurch der Spezialist ist. Das sollte man herausstel­len.

Das Gleiche gilt auch für den Lebenslauf. Statt 30 Jahre Berufserfa­hrung, Fortbildun­gen und Umschulung­en minutiös abzubilden, sei es viel wichtiger, die Erfahrunge­n deutlich zu machen, die für die Stelle relevant sind. „Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass Personaler beim ersten Sichten Zeit haben, viele Seiten zu erfassen“, sagt Lüdemann. Meist werde nur das gelesen, was ganz oben steht. Daher sollte man sich auf das konzentrie­ren, was in den letzten zehn Jahren passiert ist.

Zu guter Letzt sollte man sich nicht zu schnell entmutigen lassen, falls lange keine Rückmeldun­gen von potenziell­en Arbeitgebe­rn kommen. „Der Prozess kann schon dauern“, sagt Schädlich. Bewerbungs­verfahren hätten sich insgesamt verlängert. Da gehe es schon mal um ein halbes Jahr.

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BILD: CHRISTIN KLOSE Vorurteile gegenüber ihrem Alter sollten „Bewerber 50 plus“bewusst in Eigeniniti­ative abarbeiten.

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