Nordwest-Zeitung

Entsetzen nach Anschlag in Neuseeland

- VON <ETER RIESBECK, BÜRO BERLIN

CHRISTCHUR­CH/DPA – Bei Angriffen auf zwei Moscheen in Neuseeland sind am Freitag mindestens 49 Menschen getötet und Dutzende weitere schwer verletzt worden. Neuseeland­s Premiermin­isterin Jacinda Ardern stufte die Attacken in der Stadt Christchur­ch als „terroristi­schen Angriff“ein. Als mutmaßlich­er Haupttäter wurde ein 28jähriger Australier festgenomm­en. Zudem gab es zwei weitere Festnahmen.

Die Bluttat löste weltweit Entsetzen aus. „Ich trauere mit den Neuseeländ­ern um ihre Mitbürger, die friedlich betend in ihren Moscheen überfallen und aus rassistisc­hem Hass ermordet wurden“, teilte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) auf Twitter mit.

Peter R. Neumann, Terrorexpe­rte am Londoner King’s Co..ege, sieht nach den Ansch.ägen eine Spira.e der Gewa.t zwischen Is.amophoben und Is.amisten.

FRAGE: Erleben wir mit den Anschlägen von Neuseeland eine neue Qualität rechtsextr­emer Gewalt?

NEUMANN: Das gilt höchstens mit Blick auf die Zahl der Opfer. Die Gewaltbere­itschaft der rechtsextr­em-islamophob­en Szene hat sich über Jahre angedeutet. Die mutmaßlich­en Attentäter von Neuseeland nehmen in ihrem Manifest ja explizit Bezug auf Anders Breivik, der 2011 in Norwegen mehr als siebzig Menschen ermordet hat. Ebenso auf den Mord an dem nigerianis­chen Flüchtling Emmanuel Chidi 2015 in Italien sowie auf den Anschlag auf die Finsbury Park Moschee in London 2017. Das zeigt das breite Spektrum und die Gewaltbere­itschaft der islamophob­en Szene.

FRAGE: In Deutschlan­d gibt es rechtsextr­eme Drohbriefe, auch gegen Bundestags­abgeordnet­e. Rüsten die Rechtsextr­emen weltweit auf? NEUMANN: Was wir erleben, ist Ausdruck einer stärkeren Polarisier­ung, auf beiden Seiten des Spektrums – also Islamophob­en und Islamisten. Die rechten Attentäter beziehen sich teilweise ja explizit auf islamistis­che Anschläge, etwa jenen von Stockholm im Jahr 2017. Insofern erleben wir eine Spirale der Gewalt, die zeigt, dass die Polarisier­ung an beiden Rändern des Extremismu­s zunimmt. FRAGE: Wie stark schätzen Sie die rechtsextr­eme Terrorgefa­hr für Europa ein? Wie stark ist die rechtsextr­eme Szene? NEUMANN: Die offene rechtsextr­eme Szene, etwa die freien Kameradsch­aften in Deutschlan­d, ist den Behörden gut bekannt und im Verfassung­sschutzber­icht dokumentie­rt. Viel gefährlich­er ist, was sich in den Graubereic­hen abspielt. Vor allen in rechten Chat-Foren erleben wir eine zunehmende Polarisier­ung. Das läuft teilweise weit unter dem Radar der Sicherheit­sbehörden.

FRAGE: Die Ersten sprechen von einem Religionsk­rieg. Erleben wir eine Radikalisi­erung der Religion oder eine Religiösie­rung der Radikalen? NEUMANN: In Neuseeland ging es dem Attentäter weniger um Religion, sondern mehr um Identität und explizit auch Rasse. Die Tat beruhte auf der neurechten Verschwöru­ngstheorie, dass westliche Länder systematis­ch ihre weißen, europäisch­en Bevölkerun­gen mit Nicht-Europäern, vor allem Muslimen, „austausche­n“würden. Das ist natürlich Unsinn, ist aber in rechten und auch populistis­chen Kreisen eine sehr populäre These. Da hat sich nicht die Religion radikalisi­ert, sondern die Rechte. Das ist purer Rassismus.

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DPA-BILD: FASSBENDER

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