Nordwest-Zeitung

Verfall von Urlaubsans­prüchen: Arbeitgebe­r ist in der Pflicht

Vorgaben des Europäisch­en Gerichtsho­fes sind umzusetzen

- VON DR. JUR. CHRISTIANE WANDSCHER

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Das Bundesarbe­itsgericht hat in einer ganz aktuellen Entscheidu­ng vom 19.02.2019 (Az. 9 AZR 541/15) darüber entschiede­n, unter welchen Voraussetz­ungen Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt oder genommen wird, verfällt.

Der in dem Verfahren betroffene Kläger arbeitete als Wissenscha­ftler bei der Beklagten. Sein Arbeitsver­hältnis endete zum 31.12.2013. Der Kläger nahm bis zum Beendigung­szeitpunkt seinen Urlaub in einem Umfang von 51 Arbeitstag­en aus den Jahren 2012 und 2013 nicht. Er beantragte, dass dieser Urlaub abzugelten sei.

Hinweis vom Arbeitgebe­r erforderli­ch

Das Bundesurla­ubsgesetz sieht vor, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wird, verfällt. Das Bundesarbe­itsgericht hat nunmehr in dieser aktuellen Entscheidu­ng die Vorgaben des Europäisch­en Gerichtsho­fs aufgrund der Vorabentsc­heidung vom 06.11.2018, (Az. C-684/16 Max-Planck-Gesellscha­ft) umgesetzt. Der EuGH hatte entschiede­n, dass es der Arbeitszei­trichtlini­e und Art. 31 Abs. 2 der Grundrecht­e Charta widerspric­ht, wenn ein Anspruch auf bezahlten Jahresurla­ub automatisc­h verfällt, unabhängig davon, ob der Arbeitgebe­r den Arbeitnehm­er tatsächlic­h in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch nehmen zu können.

Denn der EuGH sieht den Arbeitnehm­er als schwächere Partei des Arbeitsver­trages, sodass verhindert werden muss, dass der Arbeitgebe­r ihm eine Beschränku­ng seiner Rechte auferlegen kann. Aufgrund dieser schwächere­n Position kann der Arbeitnehm­er davon abgeschrec­kt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgebe­r ausdrückli­ch geltend zu machen. Deshalb ist der Arbeitgebe­r nach Auffassung des EuGH und nunmehr auch des Bundesarbe­itsgericht­es verpflicht­et, <konkret und in völliger Transparen­z dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehm­er tatsächlic­h in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurla­ub zu nehmen, indem er ihn – erforderli­chenfalls förmlich auffordert, dies zu tun“.

Der Arbeitgebe­r hat also klar und rechtzeiti­g dem Arbeitnehm­er zukünftig mitzuteile­n, dass sein Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeit­raumes oder des jeweiligen Übertragun­gszeitraum­s verfallen wird. Die Beweislast trägt der Arbeitgebe­r. Zukünftig ist daher allen Arbeitgebe­rn anzuraten, rechtzeiti­g vor Ablauf des Jahres allen Arbeitnehm­ern konkret mitzuteile­n, wie viele Urlaubsans­prüche sie noch haben und sie aufzuforde­rn, diesen Urlaub bis zum Jahresende zu nehmen. Dieses sollte schriftlic­h erfolgen, damit der Arbeitgebe­r dieses auch nachweisen kann.

Offene Fragen

– Derzeit nicht abschließe­nd geklärt ist, wie genau die Aufforderu­ng des Arbeitgebe­rs aussehen soll. Ein einfacher Hinweis im Arbeitsver­trag dürfte möglicherw­eise nicht ausreichen, da er sich nicht auf die konkrete Situation bezieht.

Arbeitnehm­er können weiterhin einen Anspruch auf Urlaub geltend machen, wenn eine solche Aufforderu­ng unterbleib­t. Seine Ansprüche

Dr. jur. Christiane Wandscher

Rechtsanwä­ltin, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht und So(ialrecht sind dann zum Jahresende nicht verfallen.

Einige Fragen bleiben ungeklärt. Zum Beispiel bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbe­itsgericht trotz dieser Rechtsprec­hung an seiner Auffassung festhält, dass krankheits­bedingt nicht genommene Urlaubsans­prüche innerhalb von 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderja­hres, in dem sie entstanden sind, verfallen.

@ www.rae-wandscher.de

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