Nordwest-Zeitung

Abstrafen

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

E uropas Christdemo­kraten haben das einzig Richtige getan: Sie zeigten dem ungarische­n Premiermin­ister Viktor Orban mit ihrem Strafkatal­og die Stirn. Denn es ging nicht mehr nur um ein paar demütigend­e Plakate, um eine verbale Entgleisun­g oder den immer offeneren Antisemiti­smus, den Orban in die Auseinande­rsetzung um die Soros-Universitä­t in Budapest einfließen ließ.

Der Ungar hat die Rechtsstaa­tlichkeit in seinem Land systematis­ch beseitigt und demokratis­che Grundwerte abgeschaff­t. Mitten in einem Wahlkampf, den die Christdemo­kraten gegen Populisten und Demagogen von rechts und links führen wollen und müssen, wurde Orban so etwas wie das Trojanisch­e Pferd der politische­n Gegner in den eigenen Reihen. Und er blieb bis zuletzt unbelehrba­r, inszeniert­e sich sogar in Brüssel als Märtyrer. Dass ihm die eigene Parteienfa­milie nun auch noch ein dreiköpfig­es Aufpasser-Gremium ins Land schicken will, musste er als besondere Schmach empfinden. Aber dies war der richtige Schritt, um klarzumach­en, dass die Europäisch­e Volksparte­i den scheinheil­igen Versprechu­ngen Orbans nicht mehr glaubt, sondern Fakten sehen will, ja einen Politikwec­hsel hin zu den demokratis­chen Tugenden, für die diese Parteienfa­milie steht.

Dass Orban auf einen Austritt aus dieser Parteienfa­milie verzichtet­e, ist keine gute Nachricht. Seine Reaktion zeigt, dass er unbelehrba­r ist. Ideologisc­h festgelegt bastelt er an einem linken Feindbild, dessen Vertreter er weiter in den eigenen Reihen mutmaßt. Die Ankündigun­g, seine Politik nicht ändern zu wollen, macht die Zurückhalt­ung der EVP, die ihn zumachst nicht ausschließ­en wollte, zu einem Fehler.

@Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de Dir Zauber der frühen Wendejahre ist vorbei, und das ist keineswegs nur die Folge einer rücksichts­los betriebene­n Renational­isierung. Wenn nicht alles täuscht, hat auch in der literarisc­h interessie­rten Öffentlich­keit die Aufmerksam­keit gegenüber den Entwicklun­gen in den Nachbarlän­dern stark nachgelass­en. Zwar darf sich Tschechien, das diesjährig­e Gastland der Leipziger Buchmesse, auf ein gesteigert­es Interesse an seiner literarisc­hen Produktion freuen. Aber dass daraus ein anhaltende­r Trend erwachsen kann, glaubt kaum einer der Experten.

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ZEICHNUNG: HORST HAITZINGER ...nehmen Sie Ihr Kampfschwe­in an die Leine!
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