Politisches Schmierentheater
Eines der merkwürdigsten Nebenorgane der Generalversammlung der Vereinten Nationen tagt noch bis Freitag in Genf. Der UN-Menschenrechtsrat hat offiziell die Aufgabe, die Einhaltung der Menschenrechte in den Mitgliedsstaaten zu beobachten. Er darf dazu sogar Beobachter entsenden. In Wirklichkeit aber ist dieser Rat seit seiner Gründung 2006 eine Bühne für absurdes Polittheater, das aus ideologischen Aburteilungen und genozidal angehauchtem Hass besteht.
Ein Blick auf die Darsteller macht das bereits klar. 47 Staaten sind Mitglieder. Davon werden mindestens ein Dutzend höchst autoritär regiert. Musterdemokratien wie Kongo, Afghanistan, Katar, Ägypten, Saudi Arabien, Somalia, Eritrea und Kuba sollen da tatsächlich dafür sorgen, dass Menschenrechte gewahrt werden. Weitere 12 bis 15 Staaten kann man bestenfalls als Halbdemokratien bezeichnen. Genau diese Diktaturen und autoritären Staaten sorgen seit 2006 dafür, dass der Menschenrechtsrat zu einer Bühne für politisches Schmierentheater wird.
So wurden auf Betreiben der islamischen Staaten Beschlüsse gefasst, die letztlich jegliche Kritik an Religionen, und insbesondere dem Islam, in den Mitgliedsstaaten unterbinden sollten. Kritiker von Genitalverstümmelungen, Steinigungen und Zwangsverheiratungen in Länder, in denen das islamische Recht, die Scharia, gilt oder Quelle des Rechts ist, wurden immer wieder abgebügelt.
Ebenso einig ist sich diese feine Ge- sellschaft, wenn es gegen den gemeinsamen Lieblingsgegner geht: Israel. Das ist zum Hauptziel der Diktaturen und Halbdemokratien geworden, die den Menschenrechtsrat seit seiner Gründung dominieren. Als einziges Land ist dem jüdischen Staat bei jedem Jahrestreffen ein eigener Tagesordnungspunkt gewidmet. Zwischen 2006 und 2016 hat der Rat 135 Resolutionen verabschiedet – 68 davon richteten sich gegen die Demokratie Israel, die sich in einer Region zu behaupten hat, in der maßgebliche Regionalmächte noch immer von ihrer Vernichtung träumen.
Saudi Arabien, China, Kuba, Vietnam, Venezuela – Schauplätze schwerster Verstöße gegen Menschenrechte – wurden dagegen kein einziges Mal ermahnt. Ebenso wenig die Palästinensische Autonomiebehörde und die Terrororganisationen Hamas und Hizb Allah. Ein mörderisches Regime wie Nordkorea wurde mit lächerlichen neun Resolutionen bedacht. Syrien – wo Hunderttausende in einem der brutalsten Bürgerkriege aller Zeiten sterben – 20 Mal. Die iranischen Mullahs, an deren Händen das Blut Tausender klebt, sechs Mal.
Das Aussondern des jüdischen Staates ist nichts anderes als Antisemitismus, der sich auf dieser multilateralen Bühne fast widerspruchslos austoben darf. Nun – nicht gänzlich widerspruchslos. Die USA haben aufgrund dieses Genfer Possenspiels ihre Mitgliedschaft gekündigt.
Aufgrund dessen möchte Deutschland nun 2020 in den Rat zurück. „Gerade wenn andere sich zurückziehen, soll Deutschland eine starke Stimme für Menschenrechte sein“, sagte Außenminister Heiko Maas im Februar. Es fragt sich, ob Deutschland das unwürdige antiisraelische Treiben im Rat beenden kann – und es das überhaupt will. Letzteres ist mindestens zweifelhaft, betrachtet man die jüngsten Entwicklungen. Am vergangenen Freitag fiel da zu später Stunde im Bundestag ein FDP-Antrag durch, der die Zustände auf der UN-Bühne zum Inhalt hatte. Mit diesem Beschluss des Parlamentes hätte sich Deutschland verpflichtet, „sich … von einseitigen, vorrangig politisch motivierten Initiativen und Allianzen antiisraelisch eingestellter Mitgliedstaaten zu distanzieren und Israel und legitime Interessen Israels vor einseitigen Verurteilungen zu schützen“.
Dem verweigerten sich die Abgeordneten. Die Grünen enthielten sich mehrheitlich. SPD, CDU und Linkspartei stimmten den Antrag mit überwältigender Mehrheit ihrer Mandate nieder. Nur FDP und AfD stützen ihn. In der namentlichen Abstimmung stimmten übrigens auch sämtliche Abgeordneten aus der Region, ausgenommen Christian Dürr (FDP) und Waldemar Herdt (AfD), gegen den Antrag. Die Nein-Sager verschanzten sich in der Debatte hinter Verfahrensfragen, gelegentlich gab es auch antiisraelische Ressentiments zu hören.
Damit hat Deutschlands Parlament also dem Trauerspiel im Menschenrechtsrat zunächst einmal seinen Segen erteilt. Dass man mit einer verbündeten Demokratie anders umgeht, ist deutschen Parlamentariern offenkundig schwer zu vermitteln. Im Menschenrechtsrat in Genf ging das Schmierenstück dann auch in dieser Woche unvermindert weiter: Dort prügeln Halb- und Volldiktaturen mit fünf neuen Resolutionen auf die einzige Demokratie des Vorderen Orients ein.
Daran wird sich angesichts der verbreiteten Antipathie gegen Israel im Bundestag wohl auch nichts ändern, wenn Deutschland wieder am Tisch sitzt.