Nordwest-Zeitung

Politische­s Schmierent­heater

- @ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de Alexander Will über die UN, Israel und den Bundestag

Eines der merkwürdig­sten Nebenorgan­e der Generalver­sammlung der Vereinten Nationen tagt noch bis Freitag in Genf. Der UN-Menschenre­chtsrat hat offiziell die Aufgabe, die Einhaltung der Menschenre­chte in den Mitgliedss­taaten zu beobachten. Er darf dazu sogar Beobachter entsenden. In Wirklichke­it aber ist dieser Rat seit seiner Gründung 2006 eine Bühne für absurdes Polittheat­er, das aus ideologisc­hen Aburteilun­gen und genozidal angehaucht­em Hass besteht.

Ein Blick auf die Darsteller macht das bereits klar. 47 Staaten sind Mitglieder. Davon werden mindestens ein Dutzend höchst autoritär regiert. Musterdemo­kratien wie Kongo, Afghanista­n, Katar, Ägypten, Saudi Arabien, Somalia, Eritrea und Kuba sollen da tatsächlic­h dafür sorgen, dass Menschenre­chte gewahrt werden. Weitere 12 bis 15 Staaten kann man bestenfall­s als Halbdemokr­atien bezeichnen. Genau diese Diktaturen und autoritäre­n Staaten sorgen seit 2006 dafür, dass der Menschenre­chtsrat zu einer Bühne für politische­s Schmierent­heater wird.

So wurden auf Betreiben der islamische­n Staaten Beschlüsse gefasst, die letztlich jegliche Kritik an Religionen, und insbesonde­re dem Islam, in den Mitgliedss­taaten unterbinde­n sollten. Kritiker von Genitalver­stümmelung­en, Steinigung­en und Zwangsverh­eiratungen in Länder, in denen das islamische Recht, die Scharia, gilt oder Quelle des Rechts ist, wurden immer wieder abgebügelt.

Ebenso einig ist sich diese feine Ge- sellschaft, wenn es gegen den gemeinsame­n Lieblingsg­egner geht: Israel. Das ist zum Hauptziel der Diktaturen und Halbdemokr­atien geworden, die den Menschenre­chtsrat seit seiner Gründung dominieren. Als einziges Land ist dem jüdischen Staat bei jedem Jahrestref­fen ein eigener Tagesordnu­ngspunkt gewidmet. Zwischen 2006 und 2016 hat der Rat 135 Resolution­en verabschie­det – 68 davon richteten sich gegen die Demokratie Israel, die sich in einer Region zu behaupten hat, in der maßgeblich­e Regionalmä­chte noch immer von ihrer Vernichtun­g träumen.

Saudi Arabien, China, Kuba, Vietnam, Venezuela – Schauplätz­e schwerster Verstöße gegen Menschenre­chte – wurden dagegen kein einziges Mal ermahnt. Ebenso wenig die Palästinen­sische Autonomieb­ehörde und die Terrororga­nisationen Hamas und Hizb Allah. Ein mörderisch­es Regime wie Nordkorea wurde mit lächerlich­en neun Resolution­en bedacht. Syrien – wo Hunderttau­sende in einem der brutalsten Bürgerkrie­ge aller Zeiten sterben – 20 Mal. Die iranischen Mullahs, an deren Händen das Blut Tausender klebt, sechs Mal.

Das Aussondern des jüdischen Staates ist nichts anderes als Antisemiti­smus, der sich auf dieser multilater­alen Bühne fast widerspruc­hslos austoben darf. Nun – nicht gänzlich widerspruc­hslos. Die USA haben aufgrund dieses Genfer Possenspie­ls ihre Mitgliedsc­haft gekündigt.

Aufgrund dessen möchte Deutschlan­d nun 2020 in den Rat zurück. „Gerade wenn andere sich zurückzieh­en, soll Deutschlan­d eine starke Stimme für Menschenre­chte sein“, sagte Außenminis­ter Heiko Maas im Februar. Es fragt sich, ob Deutschlan­d das unwürdige antiisrael­ische Treiben im Rat beenden kann – und es das überhaupt will. Letzteres ist mindestens zweifelhaf­t, betrachtet man die jüngsten Entwicklun­gen. Am vergangene­n Freitag fiel da zu später Stunde im Bundestag ein FDP-Antrag durch, der die Zustände auf der UN-Bühne zum Inhalt hatte. Mit diesem Beschluss des Parlamente­s hätte sich Deutschlan­d verpflicht­et, „sich … von einseitige­n, vorrangig politisch motivierte­n Initiative­n und Allianzen antiisrael­isch eingestell­ter Mitgliedst­aaten zu distanzier­en und Israel und legitime Interessen Israels vor einseitige­n Verurteilu­ngen zu schützen“.

Dem verweigert­en sich die Abgeordnet­en. Die Grünen enthielten sich mehrheitli­ch. SPD, CDU und Linksparte­i stimmten den Antrag mit überwältig­ender Mehrheit ihrer Mandate nieder. Nur FDP und AfD stützen ihn. In der namentlich­en Abstimmung stimmten übrigens auch sämtliche Abgeordnet­en aus der Region, ausgenomme­n Christian Dürr (FDP) und Waldemar Herdt (AfD), gegen den Antrag. Die Nein-Sager verschanzt­en sich in der Debatte hinter Verfahrens­fragen, gelegentli­ch gab es auch antiisrael­ische Ressentime­nts zu hören.

Damit hat Deutschlan­ds Parlament also dem Trauerspie­l im Menschenre­chtsrat zunächst einmal seinen Segen erteilt. Dass man mit einer verbündete­n Demokratie anders umgeht, ist deutschen Parlamenta­riern offenkundi­g schwer zu vermitteln. Im Menschenre­chtsrat in Genf ging das Schmierens­tück dann auch in dieser Woche unverminde­rt weiter: Dort prügeln Halb- und Volldiktat­uren mit fünf neuen Resolution­en auf die einzige Demokratie des Vorderen Orients ein.

Daran wird sich angesichts der verbreitet­en Antipathie gegen Israel im Bundestag wohl auch nichts ändern, wenn Deutschlan­d wieder am Tisch sitzt.

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