„Die ,Schwarze Null‘ ist nicht heilig“
Professor Marcel Fratzscher fordert eine expansivere Finanzpolitik von der 9undesre:ierun:
FRAGE: Zritik von fast allen Seiten am Bundeshaushalt und der mittelfristigen Finan planung. Wenn die Un
ufriedenheit groß ist, hat der Bundesfinan minister alles richtig gemacht, oder? FRATZSCHER: Der Finanzminister kann das Geld nicht mit beiden Händen ausgeben und kann nicht Einzelinteressen verfolgen. Der Finanzminister muss Prioritäten setzen. Er muss daher zu Recht den anderen Ministern häufig Nein sagen. Da ist klar, dass das nicht jedem gefällt.
FRAGE: Stellt Olaf Schol mit dem neuen Etatentwurf und der mittelfristigen Finan planung die Weichen richtig? FRATZSCHER: Es ist höchste Zeit für ein Umdenken und für eine expansivere Finanzzu politik, die nun die schwächelnde Wirtschaft deutlich stärker unterstützt. Wir erleben eine hochriskante Entwicklung mit mehreren Krisenherden, wie einem europäisch-amerikanischen Handelskonflikt, einem Brexit, schwachen italienischen Banken und wirtschaftlichen Problemen in China. Da kann die Bundesregierung nicht daneben stehen und erst einmal abwarten. Die Bundesregierung sollte jetzt handeln um diesen Risiken frühzeitig entgegenzuwirken, bevor es zu spät ist. Die „Schwarze Null“ist nicht heilig. Und auch die Schuldenbremse, die in schwierigen Zeiten viel zu restriktiv ist, dürfen Bund, Länder und Kommunen nicht davon abhalten, das Richtige tun: jetzt wichtige Zukunftsinvestitionen anzustoßen und auszubauen. FRAGE: Was erwarten Sie vom Bundesfinan minister und der Bundesregierung? FRATZSCHER: Sie müssen umsteuern und einen Kontrapunkt setzen. Die Ausgaben für Investitionen müssten in vielen Bereichen deutlich erhöht werden. In den Bereichen Verkehrsinfrastruktur und Digitale Infrastruktur gibt es riesige Lücken. Die Bundesregierung predigt die Dringlichkeit einer neuen Industriepolitik, tut aber noch immer zu wenig für Bildung, Forschung und Entwicklung, trotz einiger guter Ansätze. Das muss absolute Priorität haben, damit Deutschland als Wirtschaftsstandort attraktiv bleibt und Unternehmen und gute Jobs in den Zukunftssektoren, wie den digitalen Dienstleistungen, Elektromobilität oder Künstlicher Intelligenz, in Zukunft auch in Deutschland entstehen. FRAGE: Die deutsche Wirtschaft nennt den Etat und die Pläne mutlos, fordert auch Entlastungen, um international wettbewerbsfähig u sein. Ist es an der Zeit für Steuersenkungen?
FRATZSCHER: Das sehe ich nicht so, die Bundesregierung hat bisher eher zu viel Klientelpolitik und zu wenig Zukunftspolitik gemacht. Die Unternehmen verbuchen Rekordgewinne und investieren gleichzeitig viel zu wenig. Dafür brauchen die Unternehmen keine niedrigeren Steuern per Gießkannenprinzip, sondern bessere Investitionsbedingungen, wie eine bessere Infrastruktur, weniger Bürokratie, eine klügere Regulierung und mehr Fachkräfte.