Nordwest-Zeitung

Per Smartphone zu mehr Entspannun­g

Apps -ür Meditation und Achtsamkei­t boomen – Headspace erstmals auch au- Deutsch

- VON JENNF TOBIEN UND MAGIMILIAN PERSEKE

Headspace aus den USA ist einer der größten Anbieter. Die Nutzer sollen zu mehr Gelassenhe­it und innerer Ruhe -inden. Doch können die Apps die klassische Meditation­srunde ersetzen?

BERLIN – Vom buddhistis­chen Mönch im Himalaya zum erfolgreic­hen Start-up-Gründer in Kalifornie­n: Der Brite Andy Puddicombe hat einen erstaunlic­hen Werdegang. Mit seiner Achtsamkei­ts-App Headspace brachte er schon 42 Millionen Menschen zum Meditieren – zumindest wurde die App so oft herunterge­laden. Der 46-Jährige ist sich sicher: Meditation macht diese Welt zu einem besseren Ort. „Meditation fördert das Mitgefühl. Und wenn wir mitfühlend­er mit uns selbst sind, sind wir es auch zu anderen“, erklärte er in Berlin der Deutschen Presse-Agentur.

Das Unternehme­n mit Hauptsitz in Los Angeles hat inzwischen 260 Mitarbeite­r. Seit Mitte März ist das Angebot erstmals auch in einer zweiten Sprache verfügbar: auf Deutsch. Es gibt Meditation­en zu unterschie­dlichen Themenbere­ichen. Von Schlaf über persönlich­e Entwicklun­g bis hin zu Stress und Ängsten.

Puddicombe selbst hat bereits als Elfjährige­r mit seiner Mutter in England meditiert, wie er erzählt. Später, mit Anfang 20, kommen bei zwei Verkehrsun­fällen mehrere Leute aus seinem engsten Umfeld ums Leben. Egal wie viele Bücher er gelesen oder wie viel Zerstreuun­g er gesucht habe, „ich konnte keinen Frieden finden“. Schließ-

reist Puddicombe in den Himalaya. In einem tibetische­n Kloster in Nordindien wird er später zum buddhistis­chen Mönch geweiht.

Zehn Jahre nach seinem Aufbruch kehrt Puddicombe nach London zurück und gründet ein Meditation­sstudio. Hier lernt er Rich Pierson kennen, einen Werbe-Profi kurz vor dem Burnout. Sie unterricht­en einander in Meditation und Marketing und gründen gemeinsam Headspace. Das Konzept scheint aufzugehen. Hollywood-Stars wie Ryan Reynolds, Gwyneth Paltrow und Emma Watson sollen zu den Nutzer gehören.

Meditation­s-Apps sind ein boomendes Geschäft. In Deutschlan­d ist der hiesige Anbieter 7Mind besonders erfolgreic­h. Im Gesundheit­swesen wurde der Nutzen erkannt. So erstatten die gesetzlich­en Kassen bis zu 100 Prozent der Jahresgebü­hr bei 7Mind. „Meditation fördert das Wohlbefind­en von innen heraus und beugt stressbedi­ngten Krankheite­n vor“, heißt es dazu bei der BarmerVers­icherung.

Achtsamkei­tslehrer Günter Hudasch sieht die Apps differenzi­erter. „Sicher haben sie einen Wert für das kontinuier­lich liche Üben“, sagt er. Erfordere es doch eine gewisse Disziplin dranzublei­ben. Aber: „Wenn ich übe, mache ich bestimmte Erfahrunge­n.“Diese solle man vor allem zu Beginn ab und an mit einem Lehrer besprechen. Außerdem sei die Erfahrung, in einer Gruppe zu meditieren, oft noch mal kraftvolle­r.

Calm, neben Headspace die zweite große US-App, zählt täglich etwa 75 000 neue Nutzer weltweit. Es gibt Hunderte Stunden Inhalt zu allerlei Themen. Die deutschen Schlafgesc­hichten liest beispielsw­eise Schauspiel­er Sebastian Koch.

Ist es nicht paradox, dass Menschen ausgerechn­et über das Smartphone zu mehr innerer Ruhe finden sollen? Puddicombe sieht zwar die Ironie, doch sei es eine „Plattform, über die wir die Menschen dort erreichen, wo sie sind“.

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DPA-BILD: BRANDSTHDT­ER Mit Meditation zur Ruhe kommen.

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