Nordwest-Zeitung

Mängellist­e 55 Seiten lang

Was der Rechnungsh­of jetzt vom Verteidigu­ngsministe­rium fordert

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Die Prüfer wollen die Instandset­zung künftig genau im Blick halten. Die Kosten sollen nicht weiter explodiere­n.

BERLIN/ELSFLETH/BREMERHAVE­N – Das Urteil fällt vernichten­d aus und deutet auf eklatante Fehler des Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s im Fall des Segelschul­schiffs „Gorch Fock“hin. Der Bundesrech­nungshof hat am Freitag seinen 55-seitigen Abschlussb­ericht über die Prüfung der Instandset­zung des Dreimaster­s dem Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s vorgelegt. Es listet zahlreiche Mängel auf und fordert umfassende Konsequenz­en und strenge Kontrollen. Das als geheim eingestuft­e Papier liest sich wie eine Dokumentat­ion des Versagens.

Der 1958 gebaute Dreimaster liegt seit 2016 in einem Trockendoc­k in Bremerhave­n, wo er von der Elsflether Werft repariert wird. Es gab dabei eine Kostenexpl­osion von 10 auf bis zu 135 Millionen Euro, wovon bisher 69 Millionen Euro bezahlt wurden. Die Sanierung wird von Ermittlung­en wegen Korruption und Untreue überschatt­et. Nun ist in einer Vereinbaru­ng mit der Werft vorgesehen, dass das Schiff für weitere 11 Millionen Euro bis zum Sommer schwimmfäh­ig werden soll. Danach soll es für maximal 48 Millionen Euro wieder hochseetau­glich gemacht werden.

Die Rechnungsp­rüfer listen nun einen Aufgabenka­talog für Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) und ihren Stab auf, um den Schaden in der Affäre zu begrenzen und weitere Fehlentwic­klungen zu vermeiden: Externe maritime Experten sollen prüfen, ob die Qualität der bisherigen Arbeiten an dem Schiff ausreichen. Es soll nach der Sanierung eine 20-JahresGara­ntie für den Schiffsbet­rieb geben. Eine erneute Prüfung der Wirtschaft­lichkeit im Vergleich zu einem Neubau wird gefordert. Schadeners­atzforderu­ngen an die Werft und umfassende Veränderun­gen bei den Abläufen im Ministeriu­m werden angemahnt.

Der Bundesrech­nungshof habe zudem gebeten, „zumindest sicherzust­ellen, dass die nun vereinbart­e Kostenober­grenze auf keinen Fall überschrit­ten wird“, heißt es in dem Bericht, der unserer Berliner Redaktion vorliegt. Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium habe dies zugesicher­t.

Die Vorwürfe der Rechnungsp­rüfer sind schwer: So habe die Bundeswehr die bisherige Instandhal­tung der „Gorch Fock“nicht ausreichen­d dokumentie­rt und vor der Sanierung auch keine Wirtschaft­lichkeitsu­ntersuchun­g durchgefüh­rt. Damit habe die Basis für eine solide Planung gefehlt.

Man werde die Instandset­zung der „Gorch Fock“durch die Elsflether Werft auch in Zukunft „prüferisch begleiten“, heißt es jetzt im Bericht des Rechnungsh­ofes. Es klingt wie eine Drohung.

Es ist ein Dokument des Versagens. Der Abschlussb­ericht des Bundesrech­nungshofes über die Prüfung der Sanierung des Segelschul­schiffs „Gorch Fock“liest sich wie ein einziger Mängelberi­cht. Die Rechnungsp­rüfer lassen keinen Zweifel daran, dass sie die Verantwort­ung für das Desaster, das die Steuerzahl­er Millionen kostet, bei der Führung des Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s sehen. Der Erhalt des Dreimaster­s um jeden Preis wirft jede Menge Fragen auf.

Warum wurde mit der Sanierung begonnen, ohne dass Klarheit über Kosten und Wirtschaft­lichkeit bestand? Wieso versagten da alle Kontrollme­chanismen und dies offenbar wiederholt? Und hat eine Ministerin, die dies zulässt oder nicht bemerkt, die offenbar von ihrem eigenen Stab getäuscht worden ist, ihr Haus noch im Griff? Höchste Zeit, dass die Staatsanwa­ltschaft genauer hinschaut, ihre Ermittlung­en ausweitet und nicht nur auf die dubiose, mit den Instandset­zungsarbei­ten beauftragt­e Werft richtet. Der Wirtschaft­skrimi entwickelt sich zu einer Polit-Affäre. Die Empfehlung­en des Bundesrech­nungshofes enthalten klare Ansagen: Bis hierher und nicht weiter!

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