Große Angst vor langer Durststrecke
Krisentreffen der Restaurantbetreiber – Gemeinsamer Brief an Landesregierung
Wie übersteht man die Zeit fast ohne Gäste? Viele Restaurants schließen, andere setzen auf Not-Strategien.
Es muss mächtig viel schief laufen, wenn 35 Gastronomen aus Oldenburg und umzu in der Vorbereitungsphase für das Abendessen Zeit für eine Versammlung finden. Der Grund dafür ist in aller Munde, und es ist leider nicht das Essen der Restaurantköche: Corona.
Es gab für die meisten kein Abendessen vorzubereiten an diesem Mittwoch. Denn nach 18 Uhr dürfen die Gastronomen, so der Erlass der Landesregierung, ihre Restaurants nicht mehr öffnen. Und selbst wenn, wäre fraglich, ob überhaupt jemand kommen würde. „Wir hatten das Schiller heute von 8 bis 15 Uhr geöffnet – 50 Euro Umsatz“, sagt Olga Yezyeyeva. Sie betreibt mit ihrem Gastro-Unternehmen unter anderem das neue Restaurant in den Schlosshöfen und das Caldero am Markt.
Ob es für die Läden in nächster Zeit überhaupt noch weitergeht? „Ich tendiere zur Schließung.“Die Mitarbeiter setzt Yezyeyeva derzeit vor allem zum Aufräumen und Saubermachen ein, manche bauen Überstunden ab. „Aber wir sind auf dem Weg zur Kurzarbeit.“Wäre ein Lieferdienst eine Lösung? Bislang sei das noch kein Thema. „Weil wir gar nicht wissen, welche Vorgaben wir da beachten müssten, zum Beispiel vom Gesundheitsamt.“
Andere haben bereits auf diese Karte als Alternative gesetzt. Bassam Faour zum Beispiel, der gemeinsame mit Lina Willms die Kleine Burg sowie das „Glut&Wasser“betreibt. Gäste, die lieber zu Hause bleiben wollen, sollen ihre Speisen eben dort hin geliefert bekommen, so die Idee. Das soll den leeren Stühlen in den Restaurants wenigstens ein bisschen entgegenwirken.
„Jeden Tag, den wir öffnen, verlieren wir 1000 Euro oder mehr“, beklagt Faour. Doch warum macht er die Läden
OLDENBURG nicht einfach vorerst zu? Das hätte er sofort gemacht, wenn die Regierung von Anfang an eine komplette Schließung angeordnet hätte. So aber gab und gibt es unter den Gastronomen eine große Unsicherheit. Was passiert mit möglichen finanziellen Hilfen, wenn jemand gar nicht geöffnet hatte. „Was ist, wenn die dann sagen, ich hätte ja aufmachen können?“
Um viele solcher Fragen drehte sich das Treffen im „Glut&Wasser“. Birgit KolbBinder, Vizepräsidentin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Niedersachsen, und Hildegard Kuhlen, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin beim Dehoga Ostfriesland, waren angereist, um den verunsicherten Gastronomen wenigstens etwas Orientierung im Corona-Chaos zu geben. Kurzarbeitergeld, Stundung von Steuern und Sozialabgaben, Verhandlungen mit den Verpächtern – alles Maßnahmen, um die Durststrecke zu überbrücken, immer mit der Hoffnungen, dass die verhängten Maßnahmen nicht über den 18. April hinaus verlängert werden müssen. Diese Wochen, die „kann man einigermaßen verschmerzen“, sagte Kolb-Binder.
Für Emiel Godfroid wird selbst diese Phase bereits zum Drahtseilakt. Der 30-Jährige hatte erst in dieser Woche das Appeltje in der Bergstraße übernommen und am Dienstag das erste Mal geöffnet. Nun wird es für die nächsten Wochen gleich wieder schließen. 20 Euro Umsatz am Mittwoch, das lohnt sich nicht. „Wir hatten extra kaum Werbung gemacht, damit es am Anfang nicht zu voll wird“, erzählt Godfroid. Man möchte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Nun muss der gebürtige Niederländer neben dem Kredit, den er für die Ablöse brauchte, womöglich einen weiteren aufnehmen. Zudem hofft er auf das Entgegenkommen der Stadt bei der Pacht, da sie Eigentümerin des Gebäudes ist. „Aber mir ist klar, dass auch die nichts zu verschenken hat. Auch das muss ich später zurückzahlen.“Ein Strohhalm bleibt Godfroid in diesen schweren Zeiten. Mit „Emiel’s Koffie Kliek“, einem Kaffeewagen, ist er normalerweise auf Streetfood-Märkten unterwegs. „Ich will damit am Wochenende auf den Wochenmarkt und schauen, ob das funktioniert.“
Auch manch alte Hasen des Geschäfts wollen sich nicht unterkriegen lassen. Lore Onnen von der Traditionsgaststätte Hellwege an der Hauptstraße macht das Verbot der Öffnung nach 18 Uhr sehr zu schaffen. Denn erst danach trudeln eigentlich ihre Gäste ein. Nun bietet die Gastronomin statt dessen einen Mittagstisch ab 11 Uhr an.
Es gibt also nicht nur Trübsal, sondern auch Ideen und Entschlossenheit. Michael Niebuhr vom Nordenholzer Hof in Hude hatte das Treffen angeregt, um unter anderem einen gemeinsamen Brief an die Landesregierung zu verfassen. Die Gastronomen wollen auf sich und ihre Lage aufmerksam machen, damit sie bei der angekündigten Unterstützung für die Wirtschaft nicht übersehen werden. „Wir wollen Stärke und Zusammenhalt zeigen“, so Niebuhr.
Dazu passte der Vorschlag eines Gastronomen in der Runde. Sobald alles vorbei sei, müsse man gemeinsame Aktionen starten, um die Gäste wieder in die Restaurants zu bringen. Applaus aus der Runde. Das Zeichen von allen: Nach dem Zusammenbruch kommt der Aufbruch.