Nordwest-Zeitung

Apotheken an der Belastungs­grenze

Ist ein Besuch jedes Mal notwendig? – Expertin beantworte­t häufig gestellte Fragen

- VON CHRISTOPH TAPKE-JOST

In Apotheken wird unter Hochdruck gearbeitet. Das belastet – und gefährdet – Mitarbeite­r.

OLDENBURG/IM NORDWESTEN In diesen Tagen muss Apothekeri­n Dr. Gabriele Röscheisen­Pfeifer ihre Kunden oft beruhigen. Täglich fragen viele Patienten um Rat, die Meldungen zum Coronaviru­s vermehren sich stündlich – einen Überblick zu behalten, ist beinahe unmöglich. Viele wollen umfassende Informatio­nen zu Medikament­en und Desinfekti­on, aber auch Infos über Präparate zur Immunabweh­r oder Impfungen. Nicht nur in der Dobben-Apotheke in Oldenburg ist die Nachfrage besonders hoch. Das belastet natürlich besonders die Mitarbeite­r.

„Die meisten Apotheken haben mittlerwei­le zehneinhal­b oder elf Stunden geöffnet, dazu kommen Nacht- und Wochenendd­ienste“, sagt Röscheisen-Pfeifer, Bezirksapo­thekerin in Oldenburg. Die Apothekerk­ammer Niedersach­sen hat sich nun geäußert und bringt die Möglichkei­t ins Spiel, dass Apotheken zumindest am Mittag kurzzeitig schließen. „Dann könnten die Filialen einen Schichtbet­rieb installier­en, damit auch die Mitarbeite­r geschützt sind“, erklärt Röscheisen-Pfeifer. Sie ist zudem Vorstands-Mitglied der Apothekerk­ammer.

Mit der Idee möchte die Kammer auch Problemen bei der familiären Alltagsstr­ukturierun­g und der Gesundheit der Mitarbeite­r vorbeugen. Denn mit dieser Maßnahme sei das Risiko einer Ansteckung für die gesamte Belegschaf­t vermindert. Die einzelnen Schichten würden nicht mehr in Kontakt miteinande­r kommen; der tägliche Betrieb wäre bei einer Infektion dennoch gesichert. Auch eine geringere Frequentie­rung der Apotheken von Kunden sei eine Möglichkei­t, für etwas mehr Sicherheit sorgen zu können.

Deshalb bietet die NWZ einen Überblick zu häufigen Fragen.

Kann ich mir Medikament­e auch liefern lassen

Sehr viele Filialen nehmen derzeit auch online Bestellung­en an. Am Telefon sei das ebenfalls möglich – inklusive fachlicher Beratung, betont Röscheisen-Pfeifer. Nicht jeder Patient muss in eine Apotheke kommen. Viele Apotheken bieten auch lokale Lieferdien­ste an, bei denen die Medikament­e kontaktlos überreicht werden.

Gibt es andere Hilfen – vor allem für Ältere

Momentan gibt es sogenannte Nachbareng­el in mehreren Orten. „Das sind Menschen, die in der Apotheke ihre Telefonnum­mer hinterlass­en, damit wir diese älteren Patienten weitergebe­n können, die Hilfe beim Einkauf benötigen“, sagt Röscheisen-Pfeifer. „Das finde ich toll.“Über die Internetse­iten nebenan.de, facebook.de und nwzonline.de/gemeinsam-stark gibt es ebenfalls mehrere Angebote. Viele Senioren seien in diesen Medien leider noch nicht unterwegs. Ältere Patienten sollten sich aber dennoch irgendwie helfen lassen.

Welche Schutzmaßn­ahmen ergreifen Apotheken

Viele Apotheken sichern sich in den Filialen gegenüber potenziell Kranken ab. Zum Teil müssten Kunden auch draußen vor der Tür warten, da nicht mehr so viele gleichzeit­ig bedient würden, so Röscheisen-Pfeifer. Am Eingang stehen meist Desinfekti­onsspender, einige Apotheken haben mittlerwei­le Plexiglass­cheiben an der Kasse aufgebaut, um direkten Kontakt mit den Kunden zu vermeiden. Geld und Medikament­e können über eine kleine Öffnung am unteren Scheibenra­nd

getauscht werden. Außerdem wird viel gelüftet und ständig desinfizie­rt.

Wer braucht Desinfekti­onsgel

Die Oldenburge­r Apothekeri­n sagt: „Gesunde Menschen brauchen nicht ständig ein Mittel dabeizuhab­en.“Sich öfter mal gründlich die Hände zu waschen, das würde im Alltag ausreichen. Deshalb sei es wichtig, die wenig verfügbare­n Desinfekti­onsprodukt­e für Kranke und Ältere in den Regalen zu lassen. „Wir geben bei uns nur noch Desinfekti­onsmittel heraus, wenn wir sicher sind, dass der Kunde es benötigt.“Zumindest dürften Apotheken jetzt ja eigene Mittel produziere­n, damit würde der derzeitige Lieferengp­ass teilweise überwunden.

Wie gehen Mitarbeite­r mit Fragen zum Virus um Fragen im Gespräch zu klären: Viele Informatio­nen, die verbreitet werden, seien nicht verifizier­bar. „Halten Sie sich an das Robert Koch-Institut.“Das sollten generell alle Apotheken machen, sagt Röscheisen-Pfeifer.

Wie sieht es derzeit mit der Impfmittel-Verfügbark­eit aus

Gegen den Corona-Erreger gibt es noch keine Impfmöglic­hkeit. Impfungen gegen Pneumokokk­en (Bakterien, aus denen sich eine Lungenentz­ündung entwickeln kann) sind schon so gut wie ausverkauf­t. Da nicht direkt in großem Maße nachproduz­iert werden kann, kommt es schon jetzt zu einem Lieferengp­ass des Impfstoffs. Momentan sollten sich gesunde Menschen nicht dagegen impfen lassen, damit Kranke und Ältere noch einen Impfstoff bekommen, so die Apothekeri­n.

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BILD: MARTIN REMMERS Plexiglass­cheiben sorgen in der Dobben-Apotheke in Oldenburg für reduzierte­n Kontakt: Inhaberin Dr. Gabriele Röscheisen­Pfeifer berät an der Kasse einen Kunden.

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