Soziale Sicherung in der Coronakrise
Was Sie jetzt über Anträge und die Auszahlung von Leistungen wissen müssen
Wer auf Arbeitslosengeld angewiesen ist oder in Kurzarbeit geschickt wird, hat gerade viele Fragen. Die hat nach Antworten gesucht.
IM NORDWESTEN Die Türen zu Jobcentern und Arbeitsagenturen bleiben seit Kurzem für die Kunden geschlossen. Auch hier soll die Infektionsgefahr mit dem Coronavirus möglichst gering gehalten werden. Termine sind höchstens noch im Ausnahmefall möglich.
Die geschlossenen Türen, und überlastete Telefonleitungen sorgen für Unsicherheit bei all denjenigen, die auf Geldleistungen wie Arbeitslosengeld I und II, Kurzarbeitergeld, Kindergeld und Kinderzuschlag sowie ähnliche Leistungen angewiesen sind.
Doch was tun? Unsere Zeitung fasst die wichtigsten Informationen zusammen.
Steht genug Geld zur Verfügung
Die Bundesagentur für Arbeit ist nach eigenen Angaben finanziell auf schwere Krisen wie die aktuelle Epidemie vorbereitet. Sie kann bei Bedarf auf Konjunkturreserven zurückgreifen. Diese liegen derzeit bei 26 Milliarden Euro.
Gelten jetzt überall andere Regeln
Nein. Alles, was Jobcenter und Arbeitsagenturen betrifft, ist bundesweit einheitlich geregelt.
Wie sieht es mit Fristen aus
Für Notfälle werde vor Ort eine Kontaktmöglichkeit geschaffen. Darüber wird über Aushänge informiert, heißt es vonseiten der Agentur für Arbeit Oldenburg-Wilhelmshaven. Vereinbarte Termine müssen im Moment nicht abgesagt werden, gesetzte Fristen werden vorerst ausgesetzt.
Was passiert mit Anträgen auf ALG I & II
Diese können komplett über das Internet erledigt werden – sowohl Neuanträge als auch Folgeanträge. Auch eine telefonische Meldung der Arbeitslosigkeit oder anderer Angelegenheiten ist möglich, allerdings sind die Telefonanlagen aktuell häufig überlastet. Dafür haben Jobcenter und Arbeitsagentur weitere Nummern geschaltet (siehe Infokasten). Bereits ausgefüllte Anträge auf ALG II und ähnliche Dokumente können auch in die Postkästen der jeweiligen Jobcenter geworfen werden. Und: „Die Auszahlung der Geldleistung ist sichergestellt“, heißt es vonseiten der Bundesagentur für Arbeit.
Was bedeutet Kurzarbeit
Von Kurzarbeit wird gesprochen, wenn für einen Teil oder alle Beschäftigten in einem Betrieb vorübergehend nicht mehr genug Arbeit da ist, sodass die Arbeit verringert oder ganz eingestellt wird. Statt Kündigungen auszusprechen, kann der Arbeitgeber seine Mitarbeiter dann in Kurzarbeit schicken.
Wer beantragt das Kurzarbeitergeld
Das liegt in der Hand der Arbeitgeber. Sie müssen Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufnehmen und den individuellen Fall schildern. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, folgt die schriftliche Anzeige bei der Agentur. Für die Unterlagen werden gegebenenfalls Daten und Unterschriften der Mitarbeiter benötigt. Sowohl die Mitteilung von Kurzarbeit als auch die eigentliche Antragsstellung können online erfolgen, wenn der Arbeitgeber bei der Bundesagentur für Arbeit registriert ist: www.arbeitsagentur.de/kurzarbeit
Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld
Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns. Wenn Arbeitnehmer
„mindestens 0,5 Kinder auf der Lohnsteuersteuer eingetragen haben“, steigt der Satz auf 67 Prozent. Die mögliche Bezugsdauer beträgt bis zu zwölf Monate, aber das ist vom Einzelfall abhängig.
Gibt es Bedingungen, die erfüllt werden müssen
Ja. Kurzarbeit können Unternehmen beantragen, die aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Ursachen kurzfristig in wirtschaftliche Schieflage geraten, ihre Beschäftigten dadurch nicht mehr voll auslasten können und bei denen mindestens zehn Prozent der im Betrieb Beschäftigten mindestens zehn Prozent ihres Lohns einbüßen. Mit den neuen Vorschriften, die die Bundesregierung per Eilgesetz verabschiedet hat, können laut Arbeitsagentur noch mehr Betriebe Kurzarbeit nutzen. Bisher gehörte zu den Voraussetzungen, dass mindestens ein Drittel der im Betrieb Beschäftigten von einem Arbeits- und Lohnausfall betroffen sein muss. Durch das Eilgesetz reichen zehn Prozent der Beschäftigten.
Hinzu komme, dass die Bundesagentur für Arbeit nun auch die Sozialversicherungsbeiträge voll erstattet. Denn auch in Kurzarbeit sind Beschäftigte weiter in den Sozialversicherungen gemeldet. Vor der Gesetzesänderung mussten die Arbeitgeber diese Beiträge in voller Höhe selbst übernehmen. Neu ist ebenfalls, dass künftig auch Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten können.
Wie läuft die Antragstellung ab
Der Arbeitgeber stellt bei der Arbeitsagentur eine Kurzarbeit-Anzeige. Er kann danach mit der Kurzarbeit beginnen, sobald er sie mit seinen Arbeitnehmern beziehungsweise dem Betriebsrat vereinbart hat. Den Eingang der Bewilligung der Anzeige muss er nicht abwarten. Mit der Bewilligung erhält er im Prinzip die Zusage, dass die Arbeitsagentur das Kurzarbeitergeld zahlt. Anschließend rechnet der Arbeitgeber aufgrund seiner Kurzarbeitslisten mit der Agentur für Arbeit ab und ihm wird das verauslagte Kurzarbeitergeld erstattet.
Der Arbeitgeber zahlt komplett weiterhin alles – Gehaltsanteil und Kurzarbeits-Anteil – an die Arbeitnehmer aus und rechnet anschließend mit der Arbeitsagentur ab.
Wie lange dauert die Bearbeitung von Anträgen
„Wir haben das Personal für den Bereich Kurzarbeit erheblich aufgestockt und tun dies auch weiterhin“, teilt die Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Anträge würden so zeitnah wie möglich bearbeitet.
Haben auch Minijobber einen Anspruch darauf
Kurzarbeitergeld kann nur an Arbeitnehmer gezahlt werden, die auch versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung sind. Das ist bei geringfügig Beschäftigten, also Minijobbern auf 450-Euro-Basis, nicht der Fall. Sie sind versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung. Daher können sie kein Kurzarbeitergeld beanspruchen.
Was ist mit denjenigen, die selbstständig sind
Selbstständige, die mindestens einen Beschäftigten haben, können Kurzarbeit beantragen, die Beschäftigten erhalten dann Kurzarbeitergeld, erklärt der Sprecher.
Bei Solo-Selbstständigen gibt es hingegen keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, diese können sich jedoch an ihr zuständiges Jobcenter wenden und prüfen lassen, ob sie Anspruch auf Grundsicherung haben.
Die Bundesregierung plant laut Medienberichten zudem in der Coronakrise ein Hilfspaket von über 40 Milliarden Euro für Solo-Selbstständige und andere Kleinstfirmen. Auch das Land Niedersachsen plant hier über den Nachtragshaushalt sowohl Kredite als auch weitere Liquiditätshilfen.