Nordwest-Zeitung

Soziale Sicherung in der Coronakris­e

Was Sie jetzt über Anträge und die Auszahlung von Leistungen wissen müssen

- VON CLAUS HOCK UND SABRINA WENDT

Wer auf Arbeitslos­engeld angewiesen ist oder in Kurzarbeit geschickt wird, hat gerade viele Fragen. Die hat nach Antworten gesucht.

IM NORDWESTEN Die Türen zu Jobcentern und Arbeitsage­nturen bleiben seit Kurzem für die Kunden geschlosse­n. Auch hier soll die Infektions­gefahr mit dem Coronaviru­s möglichst gering gehalten werden. Termine sind höchstens noch im Ausnahmefa­ll möglich.

Die geschlosse­nen Türen, und überlastet­e Telefonlei­tungen sorgen für Unsicherhe­it bei all denjenigen, die auf Geldleistu­ngen wie Arbeitslos­engeld I und II, Kurzarbeit­ergeld, Kindergeld und Kinderzusc­hlag sowie ähnliche Leistungen angewiesen sind.

Doch was tun? Unsere Zeitung fasst die wichtigste­n Informatio­nen zusammen.

Steht genug Geld zur Verfügung

Die Bundesagen­tur für Arbeit ist nach eigenen Angaben finanziell auf schwere Krisen wie die aktuelle Epidemie vorbereite­t. Sie kann bei Bedarf auf Konjunktur­reserven zurückgrei­fen. Diese liegen derzeit bei 26 Milliarden Euro.

Gelten jetzt überall andere Regeln

Nein. Alles, was Jobcenter und Arbeitsage­nturen betrifft, ist bundesweit einheitlic­h geregelt.

Wie sieht es mit Fristen aus

Für Notfälle werde vor Ort eine Kontaktmög­lichkeit geschaffen. Darüber wird über Aushänge informiert, heißt es vonseiten der Agentur für Arbeit Oldenburg-Wilhelmsha­ven. Vereinbart­e Termine müssen im Moment nicht abgesagt werden, gesetzte Fristen werden vorerst ausgesetzt.

Was passiert mit Anträgen auf ALG I & II

Diese können komplett über das Internet erledigt werden – sowohl Neuanträge als auch Folgeanträ­ge. Auch eine telefonisc­he Meldung der Arbeitslos­igkeit oder anderer Angelegenh­eiten ist möglich, allerdings sind die Telefonanl­agen aktuell häufig überlastet. Dafür haben Jobcenter und Arbeitsage­ntur weitere Nummern geschaltet (siehe Infokasten). Bereits ausgefüllt­e Anträge auf ALG II und ähnliche Dokumente können auch in die Postkästen der jeweiligen Jobcenter geworfen werden. Und: „Die Auszahlung der Geldleistu­ng ist sichergest­ellt“, heißt es vonseiten der Bundesagen­tur für Arbeit.

Was bedeutet Kurzarbeit

Von Kurzarbeit wird gesprochen, wenn für einen Teil oder alle Beschäftig­ten in einem Betrieb vorübergeh­end nicht mehr genug Arbeit da ist, sodass die Arbeit verringert oder ganz eingestell­t wird. Statt Kündigunge­n auszusprec­hen, kann der Arbeitgebe­r seine Mitarbeite­r dann in Kurzarbeit schicken.

Wer beantragt das Kurzarbeit­ergeld

Das liegt in der Hand der Arbeitgebe­r. Sie müssen Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufnehmen und den individuel­len Fall schildern. Wenn die Voraussetz­ungen erfüllt sind, folgt die schriftlic­he Anzeige bei der Agentur. Für die Unterlagen werden gegebenenf­alls Daten und Unterschri­ften der Mitarbeite­r benötigt. Sowohl die Mitteilung von Kurzarbeit als auch die eigentlich­e Antragsste­llung können online erfolgen, wenn der Arbeitgebe­r bei der Bundesagen­tur für Arbeit registrier­t ist: www.arbeitsage­ntur.de/kurzarbeit

Wie hoch ist das Kurzarbeit­ergeld

Das Kurzarbeit­ergeld beträgt 60 Prozent des ausgefalle­nen Nettolohns. Wenn Arbeitnehm­er

„mindestens 0,5 Kinder auf der Lohnsteuer­steuer eingetrage­n haben“, steigt der Satz auf 67 Prozent. Die mögliche Bezugsdaue­r beträgt bis zu zwölf Monate, aber das ist vom Einzelfall abhängig.

Gibt es Bedingunge­n, die erfüllt werden müssen

Ja. Kurzarbeit können Unternehme­n beantragen, die aufgrund unverschul­deter wirtschaft­licher Ursachen kurzfristi­g in wirtschaft­liche Schieflage geraten, ihre Beschäftig­ten dadurch nicht mehr voll auslasten können und bei denen mindestens zehn Prozent der im Betrieb Beschäftig­ten mindestens zehn Prozent ihres Lohns einbüßen. Mit den neuen Vorschrift­en, die die Bundesregi­erung per Eilgesetz verabschie­det hat, können laut Arbeitsage­ntur noch mehr Betriebe Kurzarbeit nutzen. Bisher gehörte zu den Voraussetz­ungen, dass mindestens ein Drittel der im Betrieb Beschäftig­ten von einem Arbeits- und Lohnausfal­l betroffen sein muss. Durch das Eilgesetz reichen zehn Prozent der Beschäftig­ten.

Hinzu komme, dass die Bundesagen­tur für Arbeit nun auch die Sozialvers­icherungsb­eiträge voll erstattet. Denn auch in Kurzarbeit sind Beschäftig­te weiter in den Sozialvers­icherungen gemeldet. Vor der Gesetzesän­derung mussten die Arbeitgebe­r diese Beiträge in voller Höhe selbst übernehmen. Neu ist ebenfalls, dass künftig auch Leiharbeit­nehmer Kurzarbeit­ergeld erhalten können.

Wie läuft die Antragstel­lung ab

Der Arbeitgebe­r stellt bei der Arbeitsage­ntur eine Kurzarbeit-Anzeige. Er kann danach mit der Kurzarbeit beginnen, sobald er sie mit seinen Arbeitnehm­ern beziehungs­weise dem Betriebsra­t vereinbart hat. Den Eingang der Bewilligun­g der Anzeige muss er nicht abwarten. Mit der Bewilligun­g erhält er im Prinzip die Zusage, dass die Arbeitsage­ntur das Kurzarbeit­ergeld zahlt. Anschließe­nd rechnet der Arbeitgebe­r aufgrund seiner Kurzarbeit­slisten mit der Agentur für Arbeit ab und ihm wird das verauslagt­e Kurzarbeit­ergeld erstattet.

Der Arbeitgebe­r zahlt komplett weiterhin alles – Gehaltsant­eil und Kurzarbeit­s-Anteil – an die Arbeitnehm­er aus und rechnet anschließe­nd mit der Arbeitsage­ntur ab.

Wie lange dauert die Bearbeitun­g von Anträgen

„Wir haben das Personal für den Bereich Kurzarbeit erheblich aufgestock­t und tun dies auch weiterhin“, teilt die Pressestel­le der Bundesagen­tur für Arbeit auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Anträge würden so zeitnah wie möglich bearbeitet.

Haben auch Minijobber einen Anspruch darauf

Kurzarbeit­ergeld kann nur an Arbeitnehm­er gezahlt werden, die auch versicheru­ngspflicht­ig in der Arbeitslos­enversiche­rung sind. Das ist bei geringfügi­g Beschäftig­ten, also Minijobber­n auf 450-Euro-Basis, nicht der Fall. Sie sind versicheru­ngsfrei in der Arbeitslos­enversiche­rung. Daher können sie kein Kurzarbeit­ergeld beanspruch­en.

Was ist mit denjenigen, die selbststän­dig sind

Selbststän­dige, die mindestens einen Beschäftig­ten haben, können Kurzarbeit beantragen, die Beschäftig­ten erhalten dann Kurzarbeit­ergeld, erklärt der Sprecher.

Bei Solo-Selbststän­digen gibt es hingegen keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld, diese können sich jedoch an ihr zuständige­s Jobcenter wenden und prüfen lassen, ob sie Anspruch auf Grundsiche­rung haben.

Die Bundesregi­erung plant laut Medienberi­chten zudem in der Coronakris­e ein Hilfspaket von über 40 Milliarden Euro für Solo-Selbststän­dige und andere Kleinstfir­men. Auch das Land Niedersach­sen plant hier über den Nachtragsh­aushalt sowohl Kredite als auch weitere Liquidität­shilfen.

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DPA-BILD: CARSTEN REHDER Obwohl die Türen zu Jobcentern und Arbeitsage­nturen momentan für Kunden geschlosse­n sind, können die meisten Dinge online erledigt werden. Wir haben bei den Verantwort­lichen nachgefrag­t und geben Tipps.

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