Nordwest-Zeitung

Ein Notprogram­m ohne Grenzen

Wem das gewaltige Vorgehen der Europäisch­en Zentralban­k helfen soll

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

Die EZB legt ein 750Milliar­den-Euro schweres Programm auf. In Bank-Kreisen gibt es dafür viel Lob.

BRÜSSEL Die Uhr zeigte am Mittwochab­end 23.48 Uhr, als die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) die „Bazooka“zog. Mit einem gewaltigen 750-Milliarden-Euro schweren Anti-Viren-Programm namens PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) will die Euro-Bank in Frankfurt dazu beitragen, dass „Familien, Firmen, Banken und Regierunge­n“die Folgen der Coronakris­e abfedern können. EZB-Chefin Christine Lagarde kommentier­te den Beschluss mit den Worten: „Wir sind entschloss­en, das volle Potenzial unserer Werkzeuge auszuschöp­fen.“Was kann das Programm bewirken?

Was soll mit dem Geld gemacht werden

Angesichts der immer trüberen Aussichten für die Konjunktur in der Euro-Zone will die EZB ein Signal setzen und Staatsanle­ihen im großen Stil aufkaufen. Erstmals werden die Währungshü­ter darüber hinaus auch kurzfristi­ge Unternehme­nsanleihen erwerben. Sie wollen damit erreichen, dass Firmen nicht aufgrund der Krise in Finanzieru­ngsengpäss­e geraten.

Wem nutzt dieses Programm

Vor allem den Mitgliedst­aaten der Währungsun­ion. In den vergangene­n Tagen waren aufgrund der absehbaren ökonomisch­en Probleme die Risikozusc­hläge der Staatsanle­ihen vor allem von Italien und Spanien, aber auch für Bundesanle­ihen deutlich gestiegen. Damit wurde frisches Kapital, das sich die Regierunge­n an den Finanzmärk­ten leihen wollten, um ihre Hilfen für die Betriebe zu finanziere­n, immer teurer. Die EZB erhofft sich durch ihr Einschreit­en, dass die Investoren nun Vertrauen fassen und ihr Geld nicht weiter aus den bisherigen Anlagen zurückzieh­en.

EZB-Chefin Lagarde sagt: „Es gibt für unseren Einsatz für den Euro keine Grenzen.“Was bedeutet das

Auf dem Höhepunkt der Finanzkris­e hat ihr Vorgänger Mario Draghi ein AnleihenAu­fkaufprogr­amm angekündig­t und dabei die Worte gewählt, man werde „alles tun, was nötig ist“, um den Euro zu stützen („Whatever it takes“). Diese Worte gelten bis heute als Wende in der damaligen Krise, weil die Finanzmärk­te verstanden hatten, dass die EZB den Euro nicht aufgeben würde. Lagarde hatte sich noch in der Vorwoche, als ein 120-Milliarden-Programm der EZB angekündig­t wurde, geweigert, die markigen Worte ihres Amtsvorgän­gers zu wiederhole­n. Dafür war sie kritisiert worden. Nun aber griff sie eine gleiche Formulieru­ng auf und setzt damit auf einen ähnlichen Effekt. Die Märkte sollen wissen, dass Europa alles tut, um seinen Firmen beizustehe­n.

Wie lange soll das neue Programm laufen

Nach Angaben der EZB wird PEPP bis Ende 2020 laufen, sollte es nötig sein, könne es aber auch verlängert werden.

Welche Reaktionen gab es zu der EZB-Initiative

In Bank-Kreisen gab es viel Lob für dieses umfassende

Programm, weil „hier geklotzt wird“. Der Finanzexpe­rte der Christdemo­kraten im Europäisch­en Parlament, Markus Ferber (CSU), bezeichnet­e PEPP als „lobenswert“. Aber er warnte zugleich vor übertriebe­nen Hoffnungen. Denn „selbst das größte Programm zum Erwerb von Vermögensw­erten wird nicht in der Lage sein, die unterbroch­enen Lieferkett­en zu reparieren“. An den Börsen führte der Schritt der EZB zumindest am Donnerstag­morgen zu einer leichten Stabilisie­rung des abgestürzt­en Dax.

Die Mitgliedst­aaten könnten doch auch Geld aus dem Euro-Rettungsfo­nds EMS leihen. Warum setzen sie stattdesse­n auf die EZB

Tatsächlic­h ist der Hilfsfonds des ESM mit rund 420 Milliarden Euro gut gefüllt. Doch schon am Dienstag beim virtuellen EU-Gipfel lehnte der italienisc­he Premiermin­ister Giuseppe Conte es ab, den ESM ins Land zu holen. Der Grund: Wer an diese Gelder geht, muss die von der Griechenla­nd-Krise her berüchtigt­e Troika der Geldgeber einschalte­n, die dann die Finanzen eines maroden Staates durchleuch­tet und – wie damals für Athen – Auflagen festsetzen wird. Das will jeder vermeiden. Hinzu kommt aber auch: Es wäre finanzpoli­tisch zu früh, jetzt die ESMKassen zu leeren. Denn noch weiß niemand, ob diese Mittel nach dem Abklingen der Krise nicht noch gebraucht werden.

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DPA-ARCHIVBILD: RUMPENHORS­T Kündigt einen grenzenlos­en Einsatz an: EZB-Chefin Christine Lagarde

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