Uni stellte sich gegen Regierung
Studentin über britische Maßnahmen gegen Virus
Sie sind in der vergangenen Woche zurück nach Deutschland gereist. Wie war die Stimmung in Großbritannien in Bezug auf die Corona-Pandemie? Lindhorn: Im Allgemeinen war die Stimmung noch zurückhaltender als in Deutschland, weil hier geschätzt wurde, dass der Ausbruch mindestens zwei Wochen später kommt als beispielsweise in Deutschland. Im ersten Moment war der Regierungsansatz: Wir wollen eine Herdenimmunität. Vor allem die Leute zwischen 20 und 40 sollten sich anstecken. Die Antwort dazu in Schottland war: Das ist völlig verrückt – so wie der Brexit. Meine Uni hat sich dabei gegen die Regierung gestellt und viel früher Klausuren sowie Veranstaltungen abgesagt. Sehr viele Auslandsstudenten sind mittlerweile abgereist, gerade Deutsche. Zudem wurden Wohnungen aufgelöst.
Haben die Universitäten in Deutschland und Schottland Unterstützung angeboten? Lindhorn: Zu Anfang der Epidemie kam von meiner deutschen Uni in Lüneburg die Ansage: Wir sollen uns beim Auswärtigen Amt melden, falls es Rückholflüge gibt. Dort wurde aber gesagt, dass wir uns nicht darauf verlassen können, zurückgeholt zu werden. Ich bin am Mittwoch selbst mit einem der letzten Linienflüge zurückgekommen. Ich hatte wirklich Glück. Einige, die erst für später gebucht hatten, sind hängengeblieben, auch weil Angebote überbucht waren. Von der Uni in Glasgow müssen wir auch keine Probleme wegen der Noten befürchten.
Wie war es an den Flughäfen? Lindhorn: Die Stimmung am Flughafen war schon ruhiger – aber ich würde nicht sagen, dass es dort extremer war. Der einzige Unterschied in Glasgow schien zu sein, dass bei der Gepäckannahme sehr viele Taschen abgegeben wurden, weil unter anderem die Austauschstudenten wirklich alles eingepackt haben. Deshalb hatten wir etwas Verspätung. Als wir dann in Frankfurt gelandet sind, war der Flughafen fast leer, aber es gab viel Polizeieinsatz rund um die Passkontrollen. Dabei wurde sofort gefragt, ob man Deutscher sei. Aber es ging dennoch normal zu bei uns. Von einem Kommilitonen habe ich dagegen gehört, dass er zurück
nach China gereist ist und dabei einen Ganzkörperanzug getragen und vier Plätze im Flugzeug gebucht hat.
Wie haben Sie sich fernab von Verwandten in Glasgow gefühlt?
Lindhorn: Ich bedauere es ein wenig, dass ich zurück nach Deutschland fliegen musste, weil ich noch nicht viel vom Land gesehen habe. Angst hatte ich vor Corona eigentlich nicht. Allerdings muss man sagen: Das Gesundheitssystem in Großbritannien ist nicht gut ausgestattet, es gibt im Vergleich lediglich ein Viertel der Betten wie in Deutschland. Die Ansage der Regierung war, man solle zu Hause bleiben und keinen Arzt anrufen – höchstens bei Atembeschwerden. Ich hätte in Schottland Angst davor gehabt, dass ich allein bin in meiner WG, wenn es mir nicht gut geht, weil alle nach Hause geflogen sind.