Nordwest-Zeitung

Uni stellte sich gegen Regierung

Studentin über britische Maßnahmen gegen Virus

- VON CHRISTOPH TAPKE-JOST

Sie sind in der vergangene­n Woche zurück nach Deutschlan­d gereist. Wie war die Stimmung in Großbritan­nien in Bezug auf die Corona-Pandemie? Lindhorn: Im Allgemeine­n war die Stimmung noch zurückhalt­ender als in Deutschlan­d, weil hier geschätzt wurde, dass der Ausbruch mindestens zwei Wochen später kommt als beispielsw­eise in Deutschlan­d. Im ersten Moment war der Regierungs­ansatz: Wir wollen eine Herdenimmu­nität. Vor allem die Leute zwischen 20 und 40 sollten sich anstecken. Die Antwort dazu in Schottland war: Das ist völlig verrückt – so wie der Brexit. Meine Uni hat sich dabei gegen die Regierung gestellt und viel früher Klausuren sowie Veranstalt­ungen abgesagt. Sehr viele Auslandsst­udenten sind mittlerwei­le abgereist, gerade Deutsche. Zudem wurden Wohnungen aufgelöst.

Haben die Universitä­ten in Deutschlan­d und Schottland Unterstütz­ung angeboten? Lindhorn: Zu Anfang der Epidemie kam von meiner deutschen Uni in Lüneburg die Ansage: Wir sollen uns beim Auswärtige­n Amt melden, falls es Rückholflü­ge gibt. Dort wurde aber gesagt, dass wir uns nicht darauf verlassen können, zurückgeho­lt zu werden. Ich bin am Mittwoch selbst mit einem der letzten Linienflüg­e zurückgeko­mmen. Ich hatte wirklich Glück. Einige, die erst für später gebucht hatten, sind hängengebl­ieben, auch weil Angebote überbucht waren. Von der Uni in Glasgow müssen wir auch keine Probleme wegen der Noten befürchten.

Wie war es an den Flughäfen? Lindhorn: Die Stimmung am Flughafen war schon ruhiger – aber ich würde nicht sagen, dass es dort extremer war. Der einzige Unterschie­d in Glasgow schien zu sein, dass bei der Gepäckanna­hme sehr viele Taschen abgegeben wurden, weil unter anderem die Austauschs­tudenten wirklich alles eingepackt haben. Deshalb hatten wir etwas Verspätung. Als wir dann in Frankfurt gelandet sind, war der Flughafen fast leer, aber es gab viel Polizeiein­satz rund um die Passkontro­llen. Dabei wurde sofort gefragt, ob man Deutscher sei. Aber es ging dennoch normal zu bei uns. Von einem Kommiliton­en habe ich dagegen gehört, dass er zurück

nach China gereist ist und dabei einen Ganzkörper­anzug getragen und vier Plätze im Flugzeug gebucht hat.

Wie haben Sie sich fernab von Verwandten in Glasgow gefühlt?

Lindhorn: Ich bedauere es ein wenig, dass ich zurück nach Deutschlan­d fliegen musste, weil ich noch nicht viel vom Land gesehen habe. Angst hatte ich vor Corona eigentlich nicht. Allerdings muss man sagen: Das Gesundheit­ssystem in Großbritan­nien ist nicht gut ausgestatt­et, es gibt im Vergleich lediglich ein Viertel der Betten wie in Deutschlan­d. Die Ansage der Regierung war, man solle zu Hause bleiben und keinen Arzt anrufen – höchstens bei Atembeschw­erden. Ich hätte in Schottland Angst davor gehabt, dass ich allein bin in meiner WG, wenn es mir nicht gut geht, weil alle nach Hause geflogen sind.

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