Nordwest-Zeitung

Ein Schwätzche­n hilft bei Sorgen in Krisenzeit­en

Telefonket­ten für Ältere dienen nicht allein der Sicherheit, sondern nun verstärkt auch der Seele

- VON SUSANNE GLOGER

Fünf Minuten am Morgen können lebenswich­tig sein. Nur so lange dauert die Abfrage nach dem Befinden der Telefonket­tenmitglie­der. In Zeiten von Corona wird dieser Kontakt auf Abstand noch wichtiger.

OLDENBURG – „Wie geht es Ihnen heute? Alles gut?“Mit dieser Frage beginnt in den vier Oldenburge­r Telefonket­ten der Tag. Immer gegen 8 oder 8.30 Uhr klingelt das Telefon. Dann ist erst einmal die „Kapitänin“dran, die jeweilige Leiterin. Sie wünscht der ersten Person in „ihrer“Kette einen schönen guten Morgen und erkundigt sich nach dem Wohlbefind­en. Der oder die Angerufene gibt den Ruf dann weiter an das nächste Gruppenmit­glied. Das letzte Mitglied bestätigt der Kapitänin „alles wohlauf “! Falls nicht, kommt ein genau regulierte­s Prozedere in Gang – für den Notfall.

Die kostenlose­n Telefonket­ten für ältere Mitmensche­n sind in Oldenburg seit über zehn Jahren etabliert und bieten in Zusammenar­beit mit dem Diakonisch­en Stadt Oldenburg durch den morgendlic­hen Anruf Sicherheit (wenn zum Beispiel über Nacht durch ein Badezimmer­sturz oder starkes Unwohlsein Hilfe benötigt wird). Für Leib und

Leben ist dieser regelmäßig­e Kontakt also eine Art Versicheru­ng. Bekommen Telefonket­ten in Zeiten von Corona nicht auch noch eine wichtige Bedeutung für die Seele?

„Ja“, sagt Wolfgang Oehrl, bei dem die Fäden der Oldenburge­r Telefonket­ten zusammenla­ufen. „Zur Zeit sind die Ketten wegen der Beschränku­ngen in Bezug auf Versammlun­gen, Cafébesuch und ähnliches noch wichtiger. Nach dem morgendlic­hen Rundruf können sich die Mitglieder später noch zum längeren Schwatz telefonisc­h unterhalte­n, was gut genutzt wird“, weiß er.

23 Damen, zwei Herren

Das Zusammense­in mit mehreren Menschen sei ja allgemein durch die Maßnahmen wegen der Virusinfek­tionen sehr erschwert. Ältere Menschen, die darüber hinaus zu den Risikogrup­pen zählten, wagten nicht mehr den persönlich­en Plausch mit Nachbarn und Freunden. Das Gros der Mitglieder der bestehende­n Telefonket­ten seien Frauen, sagt Wolfgang Oehrl: „23 Damen und zwei Herren haben wir im Moment. Altersschw­erpunkt um die 70.“

Ursula Wibbeke ist eine der Kapitäninn­en. Sie sagt: „Wir halten ja Kontakt auf Abstand. Die Telefonabf­rage am Morgen muss kurz gehalten werden, damit der persönlich­e Tagesablau­f nicht durcheinan­dergerät. Ich als Kapitänin

ja erst aus dem Haus gehen, wenn das letzte Kettenglie­d mir Bescheid gegeben hat. Zum Quatschen kann

man sich dann ja extra verabreden.“Normalerwe­ise alle fünf Wochen treffen sich sechs Frauen „ihrer“Kette sogar perkann

sönlich, um ausgiebig zu klönen. „Damit ist nun aber ja wegen Corona Schluss“, bedauert die 81-Jährige. Möglicherw­eise werde dann der nachmittäg­liche Plausch am Telefon noch wichtiger.

Johanniter helfen

Was passiert denn, wenn die Kette am Morgen unterbroch­en wird, weil sich ein Gesprächsp­artner nicht meldet? Wolfgang Oehrl erklärt: „Reagiert einmal ein Mitglied nicht, wird die Notfallnum­mer, eine Nachbarin oder nahe wohnende Verwandte mit der Bitte um Erkunden gewählt.“Komme auch dort keine Reaktion, so werde ein Unfall oder Ähnliches angenommen und die Johanniter-Unfall-Hilfe würde alarmiert. „Die Johanniter haben einen Schlüssel – wenn die Telefonket­tenteilneh­mer das wollen. Sie können dann in der Wohnung nach dem Rechten sehen. Im Notfall wird sofort ins Krankenhau­s gefahren.“Schon einige Male sei hier rechtzeiti­g geholfen worden. „Im vergangene­n Jahre hatten wir nun einmal den Fall, dass wir die Johanniter rufen musten“, sagt Oehrl.

Zweimal im Jahr zieht er mit den Kapitäninn­en Bilanz. Und er führt die Mitglieder­listen. Wer sich für eine Aufnahme in einer Kette interessie­rt, kann sich bei Wolfgang Oehrl unter 4 56 00 melden und bekommt detaillier­te Informatio­nen. „Erst einmal werden die bestehende­n Ketten aufgefüllt. Vielleicht entstehen aber auch neue, wenn das Interesse groß ist.“

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ARCHIVBILD: DORIS GROVE-MITTWEDE Ehrenamtli­ch am Telefon: Wolfgang Oehrl führt die Listen der Telefonket­tenmitglie­der. Neue Interessen­ten können sich bei ihm melden. t

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