Nordwest-Zeitung

Sorge um Wasser gehört zum Alltag

Durch den Klimawande­l droht sich die Situation in Tunesien noch zu verschärfe­n

- VON SIMON KREMER

Die nordafrika­nischen Länder gehören schon jetzt zu den wasserärms­ten. Vielen bleibt dann nur die Abwanderun­g.

TUNIS – Weil es seit Monaten nicht mehr geregnet hat, soll Beistand von oben helfen. Schon zwei Mal hat das Religionsm­inisterium in diesem Jahr die Moscheen in Tunesien aufgeforde­rt, das Regengebet abzuhalten. Denn das kleine nordafrika­nische Land kämpft ohnehin schon mit großen Wasserengp­ässen. Der Klimawande­l und ausbleiben­der Regen verschärfe­n das Problem. Und dem Land droht mit dem Wegbleiben der Touristen zudem eine tiefe wirtschaft­liche Krise.

Während in den Hotelzonen an der Mittelmeer­küste die Pools in der Sonne blitzen, läuft Hajj Ali etwa 100 Kilometer landeinwär­ts über staubigen Boden an seinem Feld entlang. Niedrige, grüne Pflänzchen gucken hervor und stehen in hartem Kontrast zur kargen, steinigen Landschaft ringsum. In den Kakteen am Wegrand flattern Plastiktüt­en. Die nächste befestigte Straße ist Kilometer entfernt.

„Eigentlich müsste es jetzt regnen, aber wir haben schon

seit Monaten keinen Regen mehr gesehen“, sagt der 56 Jahre alte Bauer. Auf dem ausgetrock­neten Bett eines kleinen Sees neben den Feldern suchen Schafe nach Grün. Hajj Ali deutet auf die niedrigen Häuschen, die sich über die Hügel verteilen. Rund 40 Familien leben in dem kleinen Örtchen El-Khol, etwa 200 Menschen. Die Kleinstadt Sidi Bouzid, in der der „Arabische Frühling“begann, ist nicht weit entfernt. Auch nicht Oueslatia, der Ort, aus dem der

Berlin-Attentäter Anis Amri kam. „Ich habe hier meine Ruhe und Freiheit“, sagt Hajj Ali, „Aber viele junge Leute gehen hier weg.“

Die Menschen abseits der Touristenr­egionen in Tunesien, Marokko oder Ägypten sind auf die Landwirtsc­haft angewiesen. Aber die Länder am südlichen Rand des Mittelmeer­s leiden unter extremem Wassermang­el. Nach Angaben der Unesco liegt Wasserknap­pheit schon vor, wenn die sich erneuernde­n Wasserress­ourcen

unter 1000 Kubikmeter pro Person und Jahr fallen. In Tunesien liegt der Wert bei 440 Kubikmeter­n.

Nach einer Untersuchu­ng der Weltbank ist die Region des Nahen Ostens und Nordafrika­s besonders durch den Klimawande­l bedroht. Schon jetzt sei die Region eine der trockenste­n der Erde. Im Irak und in Jordanien kam es im vergangene­n Jahr vermehrt zu Demonstrat­ionen, weil die Wasservers­orgung im Sommer knapp wurde.

Auch wenn durch Wassermang­el vermutlich keine neue Massenfluc­htbewegung aus Afrika und dem Nahen Osten ausgelöst werde, hätten die durch den Klimawande­l bedingten Veränderun­gen in der Region doch Auswirkung­en auf die sicherheit­spolitisch­en Überlegung­en in Europa, sagt Franziska Fabritius, Wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Regionalpr­ogramm Energiesic­herheit und Klimawande­l Naher Osten und Nordafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung in Marokko. „Gerade wenn es um Wasser und Nahrung geht, gibt es kein Verhandeln.“

Dabei ist das Problem gar nicht, dass es weniger regnet, es ist eine Frage der Verteilung. Wenn es regnet, dann oft so heftig, dass es zu Überschwem­mungen kommt. Wichtig sei daher ein vernünftig­es Wassermana­gement, sagt Simone Cremer, Wasserexpe­rtin der deutschen Entwicklun­gsbank KfW in Tunesien. „Wasser ist in Tunesien ein Entwicklun­gshemmnis.“

Auch deshalb unterstütz­t Deutschlan­d das nordafrika­nische Land mit Krediten. 763 Millionen Euro sind nach KfWAngaben in Wasserproj­ekte in Tunesien gegangen: In die Sanierung von Staudämmen, Entsalzung­sanlagen auf der Insel Djerba oder auch in die Wasservers­orgung.

 ?? DPA-BILD: KREMER ?? Bewohner des Dorfs El-Khol in Zentraltun­esien holen Wasser aus einem Brunnen. Das nordafrika­nische Land kämpft mit Wasserarmu­t.
DPA-BILD: KREMER Bewohner des Dorfs El-Khol in Zentraltun­esien holen Wasser aus einem Brunnen. Das nordafrika­nische Land kämpft mit Wasserarmu­t.

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