Nordwest-Zeitung

Wir müssen über den Weg reden

- VON ALEXANDER WILL

Wer runter fährt, muss irgendwann wieder hoch fahren. Deswegen gibt es keinen falschen Zeitpunkt, um darüber nachzudenk­en, wie das am besten geschehen soll – und wenn man schon einmal dabei ist auch darüber, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind.

Die Kosten für die weitgehend­e Stilllegun­g des gesellscha­ftlichen Lebens drohen außer Kontrolle zu geraten – ökonomisch, sozial und politisch. Das zeichnet sich bereits wenige Tage nach dem Inkrafttre­ten der ersten Maßnahmen ab. Der ökonomisch­e Einbruch ist massiv. Die Wirtschaft­sweisen rechnen mit Wachstumse­inbrüchen von bis zu 20 Prozentpun­kten. Das hält kein Land aus. Der Ökonom Clemens Fuest hat recht: „Debatten, die zwischen der wirtschaft­lichen Erholung und der Bekämpfung der Epidemie einen unauflösli­chen Zielkonfli­kt sehen, führen in eine Sackgasse.“

Sozial versinken wir im schwarzen Loch der Autoritäts­hörigund -gläubigkei­t. In einer Gesellscha­ft, in der die grundlegen­dsten Freiheitsr­echte per Dekret massiv beschnitte­n werden und das auch noch breit gefeiert wird, läuft etwas schief. Die Aggressivi­tät manch selbst ernannten Quarantäne-Wächters steigt proportion­al zur Dauer der Beschränku­ngen. Da beginnt ein Prozess, der die Fundamente einer freiheitli­chen Ordnung untergräbt. Das hält sie auf Dauer nicht aus.

Diejenigen, die per Dekret ein Land in Hausarrest schicken, versuchen unterdesse­n mit Geld Versagen des Staates zu kaschieren – und richten mit monströser Verschuldu­ng, Gießkannen­subvention auch für selbst ohne Corona nicht lebensfähi­ge Unternehme­n, Eingriffe in Eigentumsr­echte sowie Ideen für Verstaatli­chungen möglicherw­eise irreparabl­e Schäden an der Marktwirts­chaft an. Im unmittelba­ren Krisenmana­gement – einer der Kernaufgab­en des Staates – ist dagegen vieles in die Grütze gegangen: Nicht nur, dass materiell keine Notvorsorg­e getroffen war, nicht einmal ein versuchter Import von Schutzmask­en via Kenia bekamen staatliche Stellen hin. Zu Beginn der Krise blieben Grenzen offen, und noch heute landen Flugzeuge aus Corona-Brennpunkt­en. Grundlegen­de hoheitlich­e Aufgaben wurden und werden versäumt.

Im Vietnamkri­eg sagte vor rund 50 Jahren ein US-Offizier zynisch nach einer Operation: „Wir mussten das Dorf zerstören, um es zu retten.“Sind wir auf dem Weg dorthin? Die Frage mindestens stellt sich. Das Ziel ist doch: Möglichst wenig Menschen sterben, und die freiheitli­che Demokratie bleibt erhalten. Wenn das so ist, sollte man genau die Frage stellen, wie es Carsten Linnemann (CDU), der Präsident der Bundesärzt­ekammer oder der Düsseldorf­er Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) tun: Müssen wir die Strategie ändern? Brauchen wir anstatt eines allgemeine­n Einfrieren­s des Lebens nicht vielmehr gezielte Isolation der Risikogrup­pen? Und dazu noch: Sollten wir nicht endlich von Ländern wie Taiwan oder Korea lernen?

Angesichts der sich auf allen Ebenen türmenden Kosten des „Lockdowns“scheint das mindestens ein plausibler Vorschlag zu sein. @ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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