Von Taiwan den Sieg lernen?
Wie die Republik vor der chinesischen Küste das Coronavirus bekämpft
In Taiwan gibt es bislang rund 300 bestätigte Fälle von Coronavirus-Infizierten und zwei Todesopfer. Taiwan hat 23 Millionen Einwohner. Es liegt nur rund 180 Kilometer von der chinesischen Festlandküste entfernt. In Deutschland gibt es bislang rund 35 000 bestätigte Fälle von Coronavirus-Infizierten und 86 Todesopfer. Die Entfernung von Berlin bis Wuhan beträgt Luftlinie über 8000 Kilometer. Laut Robert-KochInstitut gab es in Deutschland zuletzt an einem Tag einen Anstieg um 4062 Infektionsfälle.
Was hat Taiwan anders und besser gemacht als Deutschland? Taiwan wird inzwischen auch von deutschen Virologen gelobt. Professor Alexander Kekulé erklärte unlängst: „Wenn wir uns anschauen, wie Taiwan damit umgeht: Die denken nicht im Traum an Ausgangssperren. Die haben zwanzig, dreißig Fälle am Tag. Die werden vom Gesundheitsdienst identifiziert und in Quarantäne gebracht. Und das Leben geht relativ unbeschwert weiter. Denen wird sowas nicht zugemutet, weil sie eben viel früher angefangen haben zu planen.“
Taiwan kann als Insel zwar Einreisen leichter kontrollieren als Deutschland mit seinen Landgrenzen – die lange überhaupt nicht kontrolliert wurden. Doch arbeiten auch 800000 bis eine Million Taiwaner auf dem chinesischen Festland. Sie pendeln häufig zwischen China und Taiwan. Der internationale Flughafen Taoyuan bei Taiwans Hauptstadt Taipeh ist ein wichtiges Luftdrehkreuz in Ostasien.
Deutschland hingegen hat lange noch nicht einmal an seinen Flughäfen Gesundheitskontrollen durchgeführt.
Das betraf nicht nur Flüge aus China bis in den März hinein. Die ARD-Korrespondentin in Teheran, Natalie Amiri, schrieb am 16. März auf Twitter: „Iran ist ein Epizentrum des Coronavirus! Trotzdem landen immer noch wöchentlich mehrere Iran-Air-Maschinen aus Teheran in Frankfurt. Die Menschen kommen ohne
Tests oder Quarantäne-Vorgaben an Grenze in Deutschland rein. Nicht verständlich.“
Der entscheidende Unterschied zwischen Taiwan und Deutschland: In Taiwan hat man die Gefahren durch das Coronavirus nicht unterschätzt. Nichts schöngeredet. Nichts verharmlost. Sondern sofort konsequent und effizient gehandelt. Sobald man vom Ausbruch des neuen Krankheitserregers auf dem Festland Wind bekam.
In Deutschland hatte man auch grob fahrlässig nicht begriffen, wie schnell sich eine solche Epidemie international ausbreiten kann. Den Taiwanern war das klar. Sie hatten in den Jahren 2002/2003 schlimme Erfahrungen mit der SarsEpidemie gemacht. Diese entstand ebenfalls in Festlandchina und kostete etwa 80 Taiwanern das Leben. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die kommunistische Volksrepublik Taiwan nicht oder zu spät nötige Informationen lieferte. Auf Druck Pekings wird Taiwan bis heute sogar ein Beobachterposten bei der Weltgesundheitsorganisation WHO verweigert.
Wie die China-Korrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Friederike Böge, berichtet, hat sich der erste bekannte CoronavirusPatient wohl schon am 17. November in Wuhan angesteckt. Ärzte in China bekamen jedoch Maulkörbe. Wie Böge schreibt, hätten taiwanische Ärzte von chinesischen Kollegen erfahren, dass medizinisches Personal durch das neue Virus erkrankt waren. Böge:
„Anders als China und die WHO reagierte Taiwan sofort: Vom 31. Dezember an wurden Passagiere aus Wuhan am Flughafen von Taipeh noch an Bord auf Symptome überprüft. Das Misstrauen war berechtigt.“
Der Vertreter Taiwans in Deutschland, Professor JhyWey Shieh, berichtet im Gespräch mit dieser Zeitung, man habe damals eine taiwanische Ärzte-Delegation nach Wuhan entsandt. Diese habe genug herausbekommen, damit man in Taiwan gewarnt war. Bei den Vertretern des kommunistischen Regimes handele es sich schließlich auch um „Gewohnheitslügner“.
Shieh verweist etwa auf das Schicksal des Arztes Li Wenliang aus Wuhan, der vor dem Coronavirus warnen wollte. Die chinesische Polizei versuchte ihn zum zum Schweigen zu bringen. „Whistleblower“, sagt Shieh, „werden in diesen System vogelfrei gemacht“. Eine Katastrophe wie die Entstehung und Ausbreitung des Coronavirus sei in einem System ohne wirksame freie Kritik an unhaltbaren Zuständen – etwa auf Tier- und Lebensmittelmärkten – , und ohne rechtsstaatliche Kontrollen auch „programmiert“, erklärt Shieh.
Die Taiwanesen hätten zunächst systematisch alle aus Wuhan nach Taiwan Einreisenden überprüft, auch wenn die Einreise schon länger zurück lag. Es wurde ein dreistufiges Quarantäne-System entwickelt. Corona-Verdachtsfälle werden über Handy-Daten verortet. „Wir Taiwaner vertrauen hier unserem gefestigten demokratischen Rechtsstaat, dass in diesem Fall kein Missbrauch mit Daten geschieht“, erklärt Shieh.
Autor dieses Beitrages ist Michael Leh. Der Journalist befasst sich seit Jahren mit der Lage Taiwans und den Menschenrechten in der Volksrepublik China. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de