Den Großvater retten oder die US-Wirtschaft?
Trump will zurück zum Normalbetrieb – Obwohl Infektionen dramatisch zunehmen
WASHINGTON – Der Vizegouverneur von Texas macht in den USA selten Schlagzeilen, doch in der Coronakrise ist Dan Patrick das Kunststück gelungen: Der Republikaner sagte dem Sender Fox News, er sei bereit, sein Überleben zu riskieren, um das Amerika von heute für seine Enkel zu erhalten und um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwenden. Seine Botschaft: „Lasst uns zur Arbeit zurückkehren, lasst uns zum Leben zurückkehren.“Das widerspricht den Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Dennoch liegt Patrick damit auf dem neuen Kurs, den Präsident Donald Trump eingeschlagen hat – obwohl die USA zum Epizentrum der Krise zu werden drohen.
Billionenschweres Paket
Trump muss um seine Wiederwahl im November bangen. Das zentrale Argument, das der Republikaner vor der
US-Präsident Donald Trump erklärt im Weißen Haus seinen umstrittenen Kurs in der Coronakrise.
Ausbreitung des Virus im Wahlkampf anführte: die boomende Wirtschaft in den USA. Die Krise setzt diesem nun ein jähes Ende.
Republikaner und Demokraten machten am Mittwochmorgen den Weg frei für ein 2 Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket. Damit will der die wirtschaftlichen Verwerfungen der Coronavirus-Epidemie abfedern. Trump hatte bereits vom „größten und mutigsten“Paket der US-Geschichte gesprochen – und versprochen, die Wirtschaft werde rasch wieder wachsen, sobald die Krise ausgestanden sei.
Der US-Präsident bemühte sich anfangs, die Coronakrise kleinzureden. Noch vor einem Monat sagte er mit Blick auf das Virus: „Eines Tages – es ist wie ein Wunder – wird es verschwinden.“Als der Ernst der Lage unverkennbar wurde, gab er sich als resoluter Krisenmanager – mit erklärungsbedürftigen Ansagen. Nun hat die nächste Phase begonnen: Trump will, dass die Amerikaner trotz des Virus wieder zum Alltag übergehen.
„Wir fangen an, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen“, sagt Trump am Dienstagabend im Weißen Haus. Dabei liegen die USA inzwischen mit mehr als 55000 nachgewiesenen Infektionen an dritter Stelle hinter China und Italien.
Zwischen Dienstag und Mittwoch sprang die Zahl der Toten von 600 auf mehr als 800. Fast die Hälfte der rund 327 Millionen Amerikaner unterliegt inzwischen Ausgangsbeschränkungen in den jeweiligen Bundesstaaten.
Hochriskantes Manöver
Trump macht nun deutlich, dass er die entsprechenden Richtlinien aber nicht auf lange Sicht aufrecht erhalten will. Er argumentiert, dass die Folgen der Schutzmaßnahmen verheerender würden als die Auswirkungen der Pandemie. „Man wird mehr Menschen verlieren, indem man das Land in eine massive Rezession oder Depression stürzt. Man wird Tausende Selbstmorde haben. Alles mögliche wird passieren“, sagt er Fox News in einem Interview.
Bis Ostersonntag – der 12. April – will Trump die USA wieder weitgehend im Normalbetrieb sehen. „Ich denke, das ist absolut möglich“, sagt er mit Blick auf die nicht einUS-Kongress mal dreiwöchige Frist. „Wir müssen unser Land wieder an die Arbeit bringen.“
Es ist ein hochriskantes Manöver: Eine Studie des Imperial College in London geht von 2,2 Millionen Toten in den USA aus, würden keinerlei Maßnahmen ergriffen. Widerspruch kassiert Trump auch aus dem eigenen Lager. Der republikanische Senator Lindsey Graham twitterte: „Es gibt keine funktionierende Wirtschaft, wenn wir das Virus nicht kontrollieren.“
Vizegouverneur Patrick sagt dagegen: „Diejenigen von uns, die über 70 sind (er selbst ist 69), wir werden uns um uns selbst kümmern, aber nicht das Land opfern.“Hunderte seiner Gesprächspartner sähen das so wie er. Patrick betont: „Machen Sie nicht diesen großartigen amerikanischen Traum zunichte.“Der Sender CNN fasst die Botschaft des Vizegouverneurs, aber auch des Präsidenten so zusammen: „Dass Amerikas Wirtschaft mehr wert ist als die Leben, die verloren würden“.