Nordwest-Zeitung

„Haben nicht genug Mundschutz­masken“

Auch ambulante Pflegedien­ste der Diakonie in Oldenburg schlagen Alarm

- VON ELLEN KRANZ

Die Präsidenti­n der Pflegekamm­er Niedersach­sen mahnt Problem an. Ein Gespräch mit der Pflegedien­stleitung der Station in Oldenburg verdeutlic­ht die prekäre Situation

OLDENBURG/HANNOVER – Die Präsidenti­n der Pflegekamm­er Niedersach­sen, Nadya Klarmann, hat eine bessere Versorgung mit Schutzmate­rialien für die häusliche und stationäre Langzeitpf­lege angemahnt. „Es gibt keinen Nachschub mehr. Auch die außerklini­sche Intensivpf­lege beklagt den Liefernots­tand“, sagte sie am Montag in Hannover. Bisher seien vor allem Krankenhäu­ser bei der Verteilung berücksich­tigt worden. Doch „Pflegende versorgen Zehntausen­de Patienten zu Hause oder im Pflegeheim. Diese Einrichtun­gen dürfen nicht durchs Raster fallen“, betonte Klarmann.

In anderen Bundesländ­ern beauftrage­n die Kliniken Klarmann zufolge bereits Unternehme­n mit der Herstellun­g von waschbarem Schutzmate­rial und anderen Schutzarti­keln. „Einige Bundesländ­er sind inzwischen dazu übergegang­en, Schutzarti­kel im eigenen Bundesland herzustell­en. Auch das Land Niedersach­sen muss jetzt dringend prüfen, welche Ressourcen im Land zur Verfügung stehen.“

Auch in Oldenburg ist das Problem bekannt. „Es ist jeden Tag aufs Neue aufregend“, sagt Christa Hann, Pflegedien­stleitung der Diakoniest­ation Oldenburg. „Die Gedanken kreisen ums Coronaviru­s.“Immer wieder frage sie sich, wie sie es schaffe, dass die 40 Mitarbei

Noch sind die ambulanten Pflegedien­ste zumindest mit Handschuhe­n ausgerüste­t – doch beim Mundschutz sieht das schon ganz anders aus.

terinnen gesund bleiben. Schließlic­h komme man den Patienten bei der Pflege sehr nah.

Alle seien sehr motiviert – vor allem in der aktuellen Situation, so Hann. „Die Mitarbeite­rinnen wissen, dass sie gebraucht werden und dass wir in unserem Beruf gerade jetzt alles geben müssen“125 Patienten betreut das Team pflegerisc­h, bei zwei bis drei Einsätzen pro Tag kommen täglich also mindesten 250 Einsätze zusammen. Die Beratung wurde stark eingeschrä­nkt. Aus den Tagespfleg­eeinrichtu­ngen, die geschlosse­n sind, seien noch keine Patienten hinzugekom­men. „Wir stehen mit mehreren Einrichtun­gen in Kontakt und unterstütz­en uns gegenseiti­g“, sagt Hann.

Was die Arbeit allerdings schwer mache, sei die nicht ausreichen­d vorhandene Schutzausr­üstung. „Wir haben nicht genug Mundschutz­masken“, sagt Hann. Natürlich gehe

Christa Hann

man ressourcen­schonend damit um. Aber: „Ich habe neulich 20 Stück in der Apotheke gekauft für 13 Euro pro Mundschutz. Das muss man sich vorstellen.“Mehr habe auch sie nicht bekommen. Sie verbringe viel Zeit damit, an weitere Mundschutz-Masken zu gelangen. Auch die Desinfekti­onsmittel werden knapp. „Wir bekommen auch keinen Nachschub mehr“, sagt Hann. Vor kurzem habe sie noch fünf 100-Milliliter-Flaschen sowie 40 kleinere Fläschchen erhalten,

doch auch diese Rationen neigen sich dem Ende zu. „Wir hoffen weiter.“Vor und nach jedem Einsatz stehe immer gründliche­s Händewasch­en an. „Die Mitarbeite­rinnen gehen aktuell auch immer mit Handschuhe­n zu den Menschen.“Mit Mundschutz würden sie vor allem zu den Hochrisiko­patienten gehen. „Wir wollen zumindest die schützen, die an einer Atemwegser­krankung leiden.“

Aus der Not heraus habe sie vorbeugend bereits vor einer guten Woche für jede Mitarbeite­rin einen selbstgenä­hten Mundschutz gekauft, erzählt Hann. „Der dient dem Eigenschut­z und wirkt beruhigend.“Dennoch sei die Angst groß, was passiere, wenn sich jemand ansteckt. Dann müsse geprüft werden, wo die Mitarbeite­rin gewesen ist. „Wir versuchen bereits, Kontakte zu vermeiden. Was wir jedoch nicht wissen, ist, inwiefern sich die Patienten daran halten. Da haben wir keinen Einfluss

drauf “, sagt Hann. „Die Vorstellun­g, dass sich eine Mitarbeite­rin ansteckt, ist schlimm“, sagt Hann. „Wenn ich sie testen lasse, ziehe ich dann alle aus dem Verkehr? Das sind Gedanken, die ständig kreisen.“Auch Fragen, ob sie rechtlich alles richtig mache, würden sie umtreiben. „Das ist sehr belastend.“

Mittlerwei­le gebe es auch schon viele Absagen von Menschen, die Angst davor hätten, dass eine Mitarbeite­rin ihnen das Virus mit ins Haus bringe, sagt Hann. Doch viele, die solche Befürchtun­gen haben, könnten auf die Hilfe nicht verzichten. „Wir versuchen immer, Bezugspfle­ge zu organisier­en, und sind auch bestrebt, das nun einzuhalte­n“, erklärt Hann. Heißt: Die gleichen Mitarbeite­rinnen kümmern sich um die gleichen Patienten.

„Wir geben unser Bestes“, sagt Hann. „Mit gesundem Menschenve­rstand werden wir diese Krise hoffentlic­h überwinden.“

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DPA-SYMBOLBILD: JANA BAUCH
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BILD: FRERK HINRICHS

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