Es herrscht oft blanke Existenzangst
Der oldenburgische Handwerkskammer-Präsident Stein über die Lage der Betriebe
„Corona“trifft die einzelnen Sparten unterschiedlich. Welche sind besonders schlecht dran?
Herr Stein, wenn in diesen Tagen Kunden bei Ihnen anrufen, dass die Heizung ausgefallen ist oder ein Wasserrohr gebrochen – kommt dann wie üblich ein Monteur oder gar Sie, der Kammerpräsident? Stein: Es kommt jemand, das ist sicher! Auch in Zeiten des Coronavirus bieten wir und die Kollegen den gewohnten Service. Bei uns in Notfällen rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.
Wie laufen in diesen Tagen generell die Geschäfte in ihrem Sanitär- und Heizungsbaubetrieb?
Stein: Im Moment geht es noch. Wir arbeiten etwas eingeschränkt, denn Aufträge sind weggebrochen. Zwei von unseren zehn Monteuren bleiben deshalb zu Hause. Sie bauen angesammelte Überstunden auf dem Arbeitszeitkonto ab. Alle Mitarbeiter dürfen darüber hinaus jetzt auch ins Minus gehen. Die Jahreszeitkonten haben wir vor langer Zeit angelegt, um SaisonSchwankungen auszugleichen. Das zahlt sich jetzt aus. Auch Resturlaub wird nun genommen.
Wird das reichen?
Stein: Schwer abzusehen. Das große Problem an dieser Krise ist, dass man ihr Ende nicht absehen kann. Wie in weiten Teilen der Wirtschaft, so ist auch im Handwerk der vereinfachte Zugang zur Kurzarbeit eine Option.
Vielen Betrieben geht es richtig schlecht. Reichen die beschlossenen Hilfspakete? Stein: Auch das Handwerk hatte die Politik auf dem Weg dorthin beraten. Was jetzt beschlossen wurde – Kredite, Liquiditätshilfen, flexiblere Kurzarbeit und offenbar auch Verzögerungen bei den Sozialversicherungsleistungen – ist sicher hilfreich. Aber klar ist:
Jetzt geht es an die Rücklagen. Man darf den Antrag auf Kurzarbeit nicht zu lange vor sich herschieben. Das könnte sich rächen. Und noch ein Rat: Kontakt mit den Kunden aufrechterhalten! ‚Aufgeschoben‘ darf nicht zu ‚Aufgehoben‘ werden!
Die Mitarbeiter sind sicher im Stress.
Stein: Das ist so. Es herrscht in zahlreichen Betrieben blanke Existenzangst. Bei den Beratern der Handwerkskammer Oldenburg steht das Telefon nicht still. Allermeistens geht es darum: Wie kommen wir über die Runden, wie kommen wir jetzt ganz schnell an Geld aus den Förderprogrammen? Es geht oft darum, trotz der berechtigten Ängste jetzt mit klarem Kopf zu entscheiden. Kleine Betriebe sollten unbedingt über die in Aussicht gestellten Zuschüsse nachdenken. Hier gilt es, eventuell vorhandene Rücklagen zu schonen. Diese werden auch für die Wiederanlaufphase benötigt. Die Bundesregierung hilft mit 9000 bis 15000 Euro bei bis zu fünf bzw. bis zu zehn Mitarbeitern. Das Land Niedersachsen gewährt Zuschüsse für Unternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten zwischen
Wie ist generell die Ansteckungsgefahr für Mitarbeiter für Kunden?
Stein: Sehr unterschiedlich! Für den Dachdecker, der draußen arbeitet, lauern kaum Gefahren. Ganz anders ist es sicher im Verkaufsbereich von Bäckereien, in relativ engem Kontakt mit Kunden. Und wir Fachleute im Bereich Heizung, Sanitär und Klima sind irgendwo dazwischen anzusiedeln.
Viele, oft größere Betriebe liefern der Industrie zu, etwa den Autobauern: Wie sieht es aus? Stein: Dort ist Krisenstimmung weit verbreitet. Die Kunden haben ihre Produktion teils auf Null heruntergefahren. Das schlägt dann voll auf die Lieferung von Teilen oder den Service durch.
Wo läuft es noch passabel? Stein: Das ist sehr unterschiedlich. Die Servicebereiche von Zweiradmechanikern oder Elektrogeschäften laufen zum Beispiel weiter, aber die Einbußen durch entgehenden Verkauf sind immens. Tischler und Glaser bauen in diesen Tagen zwar Schutz für das Personal in den unterschiedlichen Verkaufs- und Kassenbereichen – aber das kompensiert auch nicht den weggefallenen Normalbetrieb. Bei den Bäckern ist es unterschiedlich: Zum einen gönnen sich die zu Hause Bleibenden öfter ein Brötchen als sonst. Andererseits bleiben die Kunden auch in vielen Filialen, z.B. in den Innenstädten und Einkaufszentren, einfach aus. Das trifft natürlich auch auf Fleischer zu. Auch die Schließungen im Bereich Gastronomie und Hotels schlagen direkt auf die betroffenen Betriebe im Nahrungsmittelhandwerk durch.
Und das Handwerk am Bau? Stein: Dort herrscht auf den laufenden größeren Baustellen tatsächlich weiterhin gute Auslastung. Allerdings könnte es irgendwann Probleme geben: Auch diese Sparte ist von Material und Lieferketten abhängig. Früher gab es Lagerhaltung. Vielleicht wird darüber wieder nachgedacht, wenn alles überstanden ist.