Schwerer Schlag für Sherpas am Mount Everest
Berühmter Berg im Himalaya-Gebirge aufgrund von Coronavirus gesperrt – Viele fürchten um Lebensunterhalt
In der Himalaya-Region leben viele Menschen vom Bergsteiger-Tourismus. Aber weil dünne Höhenluft anfälliger für Covid-19 macht, wurde der Berg geschlossen – ausgerechnet zu Beginn der Bergsaison.
KATHMANDU – Apa Sherpa aus Nepal kennt die Gefahren auf dem Mount Everest aus erster Hand. Er hat den höchsten Berg der Erde 21 Mal erklommen, bevor er 2011 in den Ruhestand ging. Er weiß, was Lawinen, Schneestürme und Eisbrüche für Bergsteiger bedeuten könnten. Und nun tauchte ein neues Schreckgespenst auf: die Möglichkeit, dass im Basislager in 5400 Meter Höhe die Lungenkrankheit Covid-19 ausbrechen könnte.
Bei den meisten Menschen löst das neue Coronavirus nur geringe oder mäßige Beschwerden aus. Aber in dünner Luft kann jede Lungenbelastung schlimme Folgen haben, wie etwa Adrian Ballinger, Gründer des Unternehmens Alpenglow Expeditions, sagt.
So war der 60-jährige Sherwimmeln, pa denn auch erleichtert, als der höchste Berg aus Furcht vor dem Virus für Touren geschlossen wurde. Aber ihn plagt eine neue Sorge: Wovon sollen die Sherpas, Köche, Träger und all die anderen, die durch die Klettertouren ihren Unterhalt verdienten, nun leben?
Da ist zum Beispiel der Nepalese Phurba Ongel. Er führt Bergsteiger aus dem Westen zum Gipfel in 8848 Metern Höhe und hatte sich voll auf den Beginn der Klettersaison im Frühling vorbereitet, als er vor zwei Wochen die Nachricht von der Schließung erhielt. Jede Saison, die aus Wettergründen nur drei Monate dauert, verdient Ongel umgerechnet an die 7000 Euro – das jährliche Durchschnittseinkommen in Nepal liegt bei etwa 1000 Euro. Ongel hat das Geld bitter nötig, um den Lebensunterhalt für sich und seine zwei Söhne bestreiten zu können.
Auch die Betreiber der organisierten Bergtouren und das Gastgewerbe leiden. Zudem haben manche Kunden, die zwischen 30 000 und 80 000 Euro für die Bergbesteigungen ausgeben, durch die Pandemie an eigenem Einkommen verloren – auch das könnte sich auswirken. „Es ist
Schwerer Schlag: Die Schließung des Mount Everest hat schlimme,finanzielle Folgen für die Sherpas in der Himalaya-Region.
verheerend für die Tourismusindustrie in Nepal und darüber hinaus“, sagt Lukas Furtenbach, ein Bergführer und Gründer des Tourunternehmens Furtenbach Adventures.
Der Berg liegt im Himalaya, die Grenze zwischen Nepal und Tibet, das China für sich beansprucht, führt über den Gipfel. China hat die nördliche Route auf der tibetischen Seite wegen des Coronavirus am 12. März geschlossen, einen Tag später sperrte Nepal die besonders beliebte Südroute auf
seiner Seite. Damit könnte die Regierung allein 3,6 Millionen Euro an Genehmigungsgebühren für die Bergtouren verlieren. Insgesamt bringt die Branche in der Region jährlich etwa 278 Millionen Euro ein, das meiste während der Frühlingssaison von März bis Mai, wie der nepalesische Bergsteigerei-Experte Ang Tshering sagt. Tausende in der Branche seien nun arbeitslos.
Außerdem könnte es im nächsten Jahr auf dem Everest gefährlich von Bergsteigern
weil viele wahrscheinlich ihre jetzt ausgefallene Tour nachholen wollen. Schon im vergangenen Mai hatte ein Foto von einer großen Gruppe an Bergsteigern die Runde gemacht, die sich dicht an dicht auf einem Kamm in die Höhe schlängelte – einen mehr als 2100 Meter tiefen Abhang entlang, alle an einer einzelnen Leine angeseilt. Furtenbach hält es für wichtig, dass die Regierung den Zugang zum Berg im kommenden Jahr reguliert.
Aber für Leute wie Ongel und andere Sherpas kommt es nun erst einmal darauf an, sich finanziell bis 2021 durchzuhangeln. Sie sind das Rückgrat einer Expedition – stets die ersten in der Saison, die auf dem Everest ankommen, und die letzten, die ihn verlassen. Sie bauen die Lager auf, tragen die Ausrüstung und kochen oft auch. Sie kümmern sich um die Seile und Leitern über Schluchten und Eisbrüche, die es den Bergsteigern ermöglichen, den Gipfel zu erreichen. Ein Sherpa, der den gesamten Weg nach oben zurücklegt, kann es pro Saison auf 9000 Euro oder sogar noch mehr bringen, Träger und Köche in den Lagern auf 2800 bis 4600 Euro in den drei Monaten Arbeit.
Graham Cooper aus Kalifornien ist kürzlich 50 geworden, wollte das Ereignis mit einer Everest-Tour von der Tibet-Seite aus feiern. Zur Vorbereitung auf die dünne Bergluft schlief er in einem Sauerstoffzelt und wanderte in seinem Heimatstaat schneebedeckte Berghänge hinauf. Dann kam die Textnachricht: Keine EverestTour. Natürlich war er enttäuscht. Aber er hatte auch Verständnis. „Es ist nicht das Ende der Welt“, so Cooper. „Es gibt immer nächstes Jahr.“