„Unanständig, inakzeptabel, schäbig“
Scharfe Kritik wegen Mietzahlungsstopp von Adidas, H&M, Deichmann und Co.
Um ihre Kosten bei fehlenden Einnahmen zu drücken, setzen große Unternehmen Mietzahlungen für ihre Filialen aus. Die Justizministerin weist darauf hin, dass das auch in der Corona-Krise nicht einfach so geht.
BERLIN – Der Stopp von Mietzahlungen für Ladengeschäfte großer Unternehmen hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Mehrere Bundesminister, der Deutsche Mieterbund und der Eigentümerverband Haus & Grund kritisierten das Vorgehen scharf. In den Sozialen Netzwerken kam es bei einem Proteststurm zu Boykottaufrufen.
Bekannte Handelsunternehmen – darunter Sportartikel-Hersteller Adidas – die schwedische Modekette H&M und Deutschlands größter Schuhhändler Deichmann hatten wegen der im Kampf gegen das Coronavirus angeordneten Ladenschließungen die Mietzahlungen für ihre Filialen in Deutschland gestoppt. Sie nutzen die im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Pandemie vorgesehene Möglichkeit zur Aussetzung der Miet- und Nebenkostenzahlungen.
Neuregelung genutzt
Deutliche Worte kamen dazu von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht: „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel“, kritisierte die SPD-Politikerin die Konzerne. Die zuletzt beschlossenen Hilfsmaßnahmen würden dafür keine rechtliche Grundlage bieten.
Mieter müssten selbstverständlich weiter ihre Mieten zahlen. Allein wenn sie in der Corona-Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten würden, könne ihnen für drei Monate nicht gekündigt werden, machte die Ministerin deutlich. Gerichte könnten prüfen, ob die Voraussetzungen dafür gegeben seien.
Lambrecht hatte die gesetzliche Regelung auf den Weg gebracht, um Mieter, die in der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten, vor Kündigungen zu schützen. Danach können sie die Zahlungen für bis zu drei Monate aussetzen, ohne dass sie die Wohnung verlieren. Sie müssen die Miete aber später nachzahlen. Jetzt wollen offenbar auch Handelskonzerne davon Gebrauch machen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer übte scharfe Kritik an Adidas: Er sei „sehr enttäuscht“von dem Konzern, so der CSU-Politiker. Es sei „eine völlig inakzeptable Botschaft“von dem Unternehmen, jetzt keine Mieten zu bezahlen. Der Konzern aus dem mittelfränkischen Herzogenaurach habe große Gewinne gemacht. Es seien nicht nur die großen Immobilienanbieter, sondern auch kleine, die als Privatpersonen an Adidas vermieten – und die blieben dann auf ihren Kosten sitzen.
Nicht nur die Bürger müssten jetzt Solidarität zeigen, sondern auch die Unternehmen.
Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted stellte mittlerweile klar, der Sportartikelkonzern wolle privaten Vermietern seiner Läden unverändert die Miete zahlen. „Nur im Ausnahmefall sind unsere Vermieter Privatpersonen; wir haben sie ausgenommen, sie werden ihre April-Miete wie gewohnt erhalten“, sagte Rorsted der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die meisten eigenen Geschäfte würden von großen Immobilienvermarktern und Versicherungsfonds angemietet. Diese hätten für den vorläufigen Mietzahlungsstopp „überwiegend Verständnis gezeigt“.
T-Shirt verbrannt
Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, will sich dem Boykottaufruf aus den Sozialen Netzwerken anschließen und keine Sportartikel des Herstellers mehr kaufen. „Als globaler Konzern mit 3,2 Milliarden
Gewinn 2019 eine Schutzvorschrift für MieterInnen in Existenznot auszunutzen, ist schäbig“, schrieb die SPD-Politikerin auf Twitter.
Besonders heftiger Protest kam vom SPD-Bundestagsabgeordneten Florian Post. Man habe die Regelung nicht dafür beschlossen, dass sich DAXKonzerne schadlos halten“, sagte er und veröffentlichte auf Instagram ein Video, das zeigt, wie er ein T-Shirt von Adidas verbrennt.
Hart ins Gericht mit den Unternehmen ging auch der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter: „Es geht nicht, wenn man jetzt in der Krise seine Probleme auf dem Rücken anderer löst“, sagte er im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Adidas und Co. würden gerade „Geiz statt Sportsgeist“offenbaren, klagte der frühere GrünenChef Cem Özdemir. „Man muss nicht alles ausnutzen was geht.“„Nicht alles was legal ist, ist auch legitim“, kritisierte FDP-Finanzexperte Otto Fricke das Verhalten der größeren Unternehmen.