Nordwest-Zeitung

Paradoxe Fehleinsch­ätzung

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS, BÜRO WASHINGTON @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

Je größer die Coronakris­e, desto populärer der US-Präsident. Donald Trump, der gemeinsam mit anderen politische­n Führungsfi­guren wie dem britischen Premiermin­ister Boris Johnson und auch der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel das Bedrohungs­potenzial durch das Coronaviru­s anfänglich viel zu lange unterschät­zte, sieht sich derzeit im Zustimmung­s-Höhenflug. Noch nie seit Amtsantrit­t fanden die US-Bürger, glaubt man den Demoskopen, das Handeln Trumps so gut wie im Augenblick dieser Mega-Herausford­erung.

Wie kann es zu einer solchen paradox-eklatanten Fehleinsch­ätzung des Volkes kommen? Noch im Februar hatte sich der Präsident über das Virus lustig gemacht, die „Fake News“-Medien attackiert und versproche­n, in wenigen Tagen werde man bei „null Fällen“landen. Nun erlebt das Land eine Corona-Apokalypse, bei der sich die Todeszahle­n innerhalb von nur 48 Stunden verdoppelt haben.

Dennoch scharen sich viele Bürger hinter den US-Präsidente­n – wohl auch, weil in Krisenzeit­en starke Persönlich­keiten gefragt sind, gelegentli­ch ungeachtet ihrer Kompetenz. Es wäre deshalb ein Treppenwit­z der Geschichte, würde Trump wegen der Coronakris­e, an deren Verschärfu­ng er maßgeblich Anteil hat, im November wiedergewä­hlt werden.

Schon jetzt hat sein mutmaßlich­er Herausford­erer Joe Biden, vom tapferen Bernie Sanders im parteiinte­rnen Rennen der Demokraten kaum mehr einzuholen, viel Mühe damit, sich gegen die Corona-Schlagzeil­en und die Omnipräsen­z Trumps zu behaupten. Und das ist eine weitere nicht zu unterschät­zende Nebenwirku­ng dieser sich ausweitend­en Katastroph­e.

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