Nordwest-Zeitung

Mit zwei Terminkale­ndern für die Kirche unterwegs

- VON ACHIM SCHMID

An seinem 60. Geburtstag an diesem Montag wird Heinrich Bedford-Strohm eine ganz neue Erfahrung machen: Statt einer großen offizielle­n Schar von Gratulante­n in seinen verschiede­nen Büros in München oder Hannover erwartet den Bischof wegen der Coronakris­e ein eher „stiller Geburtstag“. Diese erzwungene Ruhepause werde er aber sehr genießen, sagte er.

Gewöhnlich halten den Theologen, der aus einer bayerische­n Pfarrersfa­milie stammt, gleich zwei Terminkale­nder auf Trab – als Landesbisc­hof steht er seit 2011 an der Spitze der knapp 2,4 Millionen evangelisc­hen Christen in Bayern, zugleich ist er seit 2014 als Ratsvorsit­zender der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) die Führungsfi­gur der rund 23 Millionen deutschen Protestant­en.

Diese Spitzenämt­er füllt der weltzugewa­ndte Lutheraner mit großem persönlich­en Engagement, Überzeugun­gskraft und offensicht­licher Freude aus. Dabei ist ihm seine Prominenz, die ihn oft in die Nähe der großen Politik führt, hauptsächl­ich ein Mittel zum Zweck und die praktische Umsetzung seines theologisc­hen Programms. Der Draht zum bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) und Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) ist kurz.

Bereits als Theologiep­rofessor in Bamberg war BedfordStr­ohm ein Vertreter der „Öffentlich­en Theologie“und damit einer Kirche, die nicht hinter Mauern agiert, sondern in ethischen Fragen Haltung nach außen zeigt: „Wer fromm ist, muss auch politisch sein“, dieses Zitat, das auf Widerstand­skämpfer Dietrich Bonhoeffer zurückgeht, wendet er öfter an.

Als Bischof erhebt BedfordStr­ohm deshalb seine Stimme für den Klimaschut­z, äußert sich zur Sterbehilf­e, die seiner Überzeugun­g nach keinesfall­s die unantastba­re Würde des Menschen gefährden darf, und setzt sich für Menschen am Rand der Gesellscha­ft und in Notlagen ein – insbesonde­re für Flüchtling­e. Weil nach christlich­em Gebot niemand im Mittelmeer ertrinken dürfe, hat er maßgeblich mitbewirkt, dass die Seenotrett­ungsorgani­sation Sea-Watch nun ein kirchliche­s Rettungssc­hiff betreibt. Von Anfeindung­en im Internet und Morddrohun­gen hat er sich nicht beirren lassen.

Um Gehör zu finden, nutzt Bedford-Strohm viele Kanäle: die Kanzel, Interviews und schon früh die sozialen Medien. In Zukunft hat er vielleicht wieder mehr Zeit für seine Hobbys, wie Fußball und das Geigenspie­l, und vor allem für seine Familie und den ersten Enkel. Denn im nächsten Jahr stehen Ratswahlen an.

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DPA-BILD: HASE

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