Rendezvous an der Grenze
Liebe macht betagtes deutsch-dänisches Paar erfinderisch
Sophie Grégoire Trudeau, die Frau des kanadischen Premierministers Justin Trudeau, hat die Lungenkrankheit Covid-19 überwunden. „Ich fühle mich so viel besser und habe die Entwarnung von meinem Arzt und dem Gesundheitsamt von Ottawa erhalten“, schrieb die 44-Jährige am Samstag (Ortszeit) auf Facebook. Sie drängte ihre Landsleute, zu Hause zu bleiben, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Anstelle sich direkt zu treffen solle man die sozialen Netzwerke nutzen. Sophie Grégoire Trudeau hatte vor gut zwei Wochen mitgeteilt, nach einer Reise nach London positiv auf das Virus getestet worden zu sein.
Wegen der geschlossenen Grenzen können sich Karsten Tüchsen Hansen und Inga Rasmussen nicht mehr besuchen. Und dennoch sehen sie sich jeden Tag.
AVENTOFT – Liebe und Freundschaft kennen keine Grenzen und keine Altersbeschränkung. Auch im Alter von 89 und 85 Jahren wollen sich Karsten Tüchsen Hansen und Inga Rasmussen täglich sehen. Das Problem: Hansen wohnt in Süderlügum in Nordfriesland, Rasmussen im dänischen Gallehus. Und die Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark ist seit zwei Wochen wegen der rasanten Ausbreitung des neuartigen Coronavirus weitgehend geschlossen. Doch nur telefonieren ist für die Senioren zu wenig. Also treffen sie sich seitdem täglich am gesperrten Grenzübergang Aventoft.
Der 89-jährige Hansen fährt mit seinem E-Bike von Süderlügum zu den nachmittäglichen Treffen. Rasmussen kommt mit ihrem Auto an den Grenzübergang, der auf halber Strecke zwischen den Wohnorten der beiden liegt. Direkt an der rot-weißen Absperrung sitzen sie jeder auf seiner Seite der Grenze auf mitgebrachten Stühlen.
Rasmussen hat eine Thermoskanne mit Kaffee mit, Hansen eine mit heißem Wasser und eine Flasche „Geele Köm“– eine in der Region beliebte Spirituosenspezialität. Daraus mischt der Senior Wasserpunsch, wie er es nennt. „Den trinken wir sonst abends zusammen, aber das geht ja jetzt nicht.“Sie prosten sich mit ihren Bechern zu. „Prost, auf die Liebe“, sagt Hansen.
Abstand einhalten
Manchmal treffen sie sich auch schon mittags. Dann essen sie gemeinsam das Essen, das Rasmussen für sich und ihren Freund gekocht hat. Und bisher hat auch das Wetter bei den Treffen mitgespielt. Den
Mindestabstand halten die beiden Senioren bei ihren Treffen ein. Küsse, selbst eine Umarmung oder einen Handschlag gibt es derzeit nicht, wie Hansen sagt.
Vor zwei Jahren trafen sich Hansen und Rasmussen das erste Mal und zufällig – und alles ging ganz schnell. Beide sind zum Zeitpunkt des Kennenlernens seit einigen Jahren verwitwet, wie sie berichten. Sie kamen ins Gespräch und Hansen überreichte Rasmussen einen Blumenstrauß, den er eigentlich für eine andere Frau dabei hatte, so erzählt er.
Noch am selben Tag sei sie auf seine Einladung hin mit zu ihm nach Süderlügum gefahren. Er lud sie zu einer Feier am nächsten Tag ein. Sie machte sich schick und kam. „Da war ich noch verliebter“, sagt Hansen. Seitdem, bis zum 13. März dieses Jahres verbringen die beiden jeden Tag zusammen und jede Nacht. Sie habe bei Karsten geschlafen, sei zu sich nach Hause gefahren und später wieder zurück.
Am 14. März schließt Dänemark im Zuge der Corona-Krise
die Grenze zu SchleswigHolstein weitgehend. Zwei Tage später zieht Deutschland nach. Seitdem können die beiden Senioren nicht mehr wie gewohnt zusammen sein. „Es ist traurig, aber wir können es nicht ändern“, sagt Rasmussen. Sie telefonierten seitdem viel und sähen sich zumindest bei ihren Treffen. Die Zeit dazwischen sei aber schon lang, wenn man allein sei, sagt Rasmussen. Die Seniorin hofft, dass sie sich nach Ostern wieder besuchen dürfen.
Gemeinsame Pläne
Und auch für die fernere Zukunft haben die Senioren Pläne. Wenn die Beschränkungen wegen Sars-Cov-2 aufgehoben sind, wollen sie gern wieder verreisen. Zweimal haben sie schon Schiffsreisen auf der Donau beziehungsweise auf Mosel und Rhein unternommen. Gern wollen sie wieder eine solche Reise unternehmen. Und auch der 90. Geburtstag von Hansen Anfang März 2021 soll gefeiert werden – natürlich gemeinsam.