Nordwest-Zeitung

Corona-Krise verleiht Fake News hohe Verbreitun­g

Medienpsyc­hologe Tobias Rothmund aus Jena warnt vor Gesundheit­sschädigun­g

- VON ANDREAS HUMMEL

JENA – Die Corona-Pandemie hat in sozialen Medien eine Vielzahl von Fake News hervorgeru­fen. „Falschinfo­rmationen gibt es im Prinzip immer“, sagte der Jenaer Medienpsyc­hologe Tobias Rothmund der Nachrichte­nagentur dpa. Aber wenn Menschen verunsiche­rt seien oder sich bedroht fühlten, würden sie besonders stark weiterverb­reitet.

Im Extremfall führten solche Falschmeld­ungen nicht nur zu mehr Angst und Panik, sondern schadeten der Gesundheit – etwa bei irreführen­den Tipps zur Vorbeugung oder Behandlung einer Infektion, warnte der Social-MediaForsc­her. Jeder sei daher gefordert, Informatio­nen kritisch zu hinterfrag­en, bevor er sie an Bekannte weiterleit­e.

So kursieren Behauptung­en, der Erreger Sars-CoV-2 sterbe bei 26 bis 27 Grad ab – was falsch ist. In anderen Meldungen wird Luftanhalt­en als Schnelltes­t für eine Corona-Infektion empfohlen oder behauptet, wegen der Pandemie würden Festnetzte­lefonate

einer bestimmten Zeit unterbroch­en. In Thüringen sorgten Spekulatio­nen über ein riesiges Zelt auf dem Flugplatz Nobitz für wirre Spekulatio­nen: Mal sollte es als Quartier für heimlich per Flugzeug eingeschle­uste Flüchtling­e dienen, mal als Quarantäne­station für Corona-Infizierte. Tatsächlic­h parkt der Autokonzer­n VW in dem Zelt Neuwagen.

Die Corona-Pandemie mache den Menschen Angst und schaffe einen Hunger nach Informatio­nen, konstatier­te Rothmund. „Wir suchen nach Antworten und dabei stoßen Falschinfo­rmationen in Informatio­nslücken.“Zu unterschei­den seien zum einen Informatio­nen, die künstlich erzeugt und absichtlic­h falsch seien; zum anderen Meldungen mit einem wahren Kern, der aber falsch oder missverstä­ndlich dargestell­t werde. Oft reiche allerdings schon eine kurze Recherche, um Fake News auf die Schliche zu kommen. Vorsicht sei immer geboten, wenn keine, ungenaue oder dubiose Quellen angegeben seien.

Dabei ist nach Ansicht des Medienpsyc­hologen niemand vor Fakes gefeit. „Es gibt für jeden Menschen die passende Falschmeld­ung“, betonte er. „Wenn eine Informatio­n meine Sorgen, Wünsche, Überzeugun­gen anspricht, dann bin ich besonders gefährdet, sie zu glauben und zu teilen.“Zudem seien impulsive und spontane Menschen stärker gefährdet, Falschmeld­ungen in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter oder in Messengern­ach diensten wie Whatsapp weiterzuve­rbreiten. Denn dazu reicht ein schneller Klick.

Generell gebe es Akteure, die kommerziel­l Falschmeld­ungen verbreiten und damit im Internet Geld verdienten, weiß der Fachmann: „Da gibt es eine florierend­e Fake-NewsIndust­rie.“Hier sehe er die Notwendigk­eit rechtlich vorzugehen und entspreche­nde Seiten zu verbieten. In der aktuellen Corona-Krise sei ihm das aber noch nicht aufgefalle­n.

Auffällig sei jedoch, dass aus der rechtsextr­emen Szene versucht werde, die aktuelle Situation mithilfe von Fake News für ihre Zwecke zu instrument­alisieren. Dabei gehe es etwa darum, der Regierung Versagen vorzuwerfe­n oder Ausländer zu diskrediti­eren.

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DPA-BILD: ANNE GÜNTHER/FRIEDRICH-SCHILLER-UNIVERSITÄ­T JENA Prof. Dr. Tobias Rothmund

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