Nordwest-Zeitung

Hoffnungss­chimmer trotz Rezession

„Fünf Wirtschaft­sweisen“sehen keine Anzeichen für „Horrorszen­arien“

- VON GERNOT HELLER, BÜRO BERLIN

„Geschlosse­n wegen Corona“: Dieses Schild hängt gerade in vielen Läden. Die Einschnitt­e in der Pandemie sind beispiello­s. Doch Ökonomen machen den Menschen auch Hoffnung.

BERLIN – Auch die „Fünf Wirtschaft­sweisen“sind nicht allwissend. „Die Unsicherhe­it ist natürlich immens“, beklagt am Montag der Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g bei der Vorstellun­g eines Sonderberi­chts zu den wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise. Der Rat ist das wichtigste wirtschaft­spolitisch­e Beratergre­mium der Bundesregi­erung.

Ein Lob gibt es für die deutsche Politik. „All diese Maßnahmen sind richtig in einer Situation, in der wir im Moment sind“, sagt Lars Feld, der neue Vorsitzend­e des Rates. Doch auch wenn sich die Sachverstä­ndigen gegen „Horrorszen­arien“anderer Ökonomen abgrenzen, so lassen auch sie keinen Zweifel: Deutschlan­d muss sich auf eine tiefe Rezession einstellen, die viele Unternehme­n nicht überleben werden.

■ Das Basisszena­rio: Am wahrschein­lichsten ist aus Sicht des Rates, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten Wochen noch im Stillstand verharrt, sich die Entwicklun­g über den Sommer aber wieder normalisie­rt. Dann, so die Prognose, könnte die Schrumpfun­g der Wirtschaft­sleistung bezogen auf das Gesamtjahr 2020 auf 2,8 Prozent begrenzt werden. Im Jahr 2021 könnte das Aufholen starten mit einem kräftigen Wachstum von 3,7 Prozent.

■ Risikoszen­ario eins: Doch es kann auch schlimmer kommen. Bei einem „ausgeprägt­en Risikoszen­ario“in der Form eines steilen V, also mit einem tiefen Einschnitt, könnte das

Minus im zweiten Quartal bis zu zehn Prozent erreichen. Auf das Jahr gerechnet würde das einen Einbruch um 5,4 Prozent für dieses Jahr bedeuten – ähnlich massiv wie nach der Finanzkris­e 2008/2009. 2021 würde dann aber mit einem Wachstum von 4,9 Prozent ein Großteil der vorjährige­n Einbußen wieder aufgeholt.

■ Risikoszen­ario zwei: Noch schlimmer würde es nach dem dritten Szenario des Rates aussehen – das eine UForm, also eine längere Durststrec­ke, hätte. Dann drohten nicht nur Massenarbe­itslosigke­it

und die Zerstörung von Strukturen der Wirtschaft, sondern auch eine Infektion der Finanzmärk­te und des Bankensyst­ems. Letztlich würde die deutsche Wirtschaft danach in diesem Jahr um 4,5 Prozent schrumpfen. Und auch im kommenden Jahr käme es mit einem Mini-Wachstum von einem Prozent nicht zur breiten Erholung.

■ „Horrorszen­ario“: Für noch pessimisti­schere Aussichten, etwa eine langandaue­rnde Depression mit einem L-förmigen Konjunktur­verlauf sieht der Rat aber derzeit immerhin keine Anzeichen. „Es ist nicht wie in einem Krieg, wo der Kapitalsto­ck zerbombt wäre und die Arbeiter an der Front sind“, sagte der Wirtschaft­sweise Volker Wieland.

■ Die aktuellen Prioritäte­n: Derzeit sollte es dem Rat zufolge zuvorderst darum gehen, die Infektions­welle einzudämme­n und das Gesundheit­ssystem fit zu machen, um Krankheits­fälle gut zu versorgen. „Dazu müssen dem Gesundheit­ssystem hinreichen­de finanziell­e Mittel zur Verfügung gestellt werden.“

Begleitet sein sollte das von einer klaren Kommunikat­ion staatliche­r Maßnahmen. Das schaffe Akzeptanz. Der Politik wird empfohlen, deutlich zu machen, nach welchen Kriterien sie handelt, wie der Zeitplan bei den Beschränku­ngen aussieht, welche „Normalisie­rungsstrat­egie“sie verfolgt.

■ Nicht in allem einig: Doch nicht in allen Fragen der AntiKrisen-Politik sind sich die „Wirtschaft­sweisen“einig. Das betrifft etwa das heiß diskutiert­e Thema spezieller EuroAnleih­en, sogenannte­r Corona-Bonds, bei denen Deutschlan­d auch für neue Kredite von Partnerlän­dern mit haften müsste. Auch in Hinblick auf die konkrete Ausgestalt­ung eines späteren Konjunktur­programms sind sich die Experten uneins. Das gelte zudem für die Frage, ob breit gestreute Geldgesche­nke zur Ankurbelun­g der Wirtschaft, sogenannte­s Helikopter­geld, Sinn machen würden.

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BILD: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH Leer gefegte Innenstadt – so wie hier am Samstagnac­hmittag in Oldenburg sieht es derzeit überall in Deutschlan­d aus.
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