Hoffnungsschimmer trotz Rezession
„Fünf Wirtschaftsweisen“sehen keine Anzeichen für „Horrorszenarien“
„Geschlossen wegen Corona“: Dieses Schild hängt gerade in vielen Läden. Die Einschnitte in der Pandemie sind beispiellos. Doch Ökonomen machen den Menschen auch Hoffnung.
BERLIN – Auch die „Fünf Wirtschaftsweisen“sind nicht allwissend. „Die Unsicherheit ist natürlich immens“, beklagt am Montag der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bei der Vorstellung eines Sonderberichts zu den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Der Rat ist das wichtigste wirtschaftspolitische Beratergremium der Bundesregierung.
Ein Lob gibt es für die deutsche Politik. „All diese Maßnahmen sind richtig in einer Situation, in der wir im Moment sind“, sagt Lars Feld, der neue Vorsitzende des Rates. Doch auch wenn sich die Sachverständigen gegen „Horrorszenarien“anderer Ökonomen abgrenzen, so lassen auch sie keinen Zweifel: Deutschland muss sich auf eine tiefe Rezession einstellen, die viele Unternehmen nicht überleben werden.
■ Das Basisszenario: Am wahrscheinlichsten ist aus Sicht des Rates, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten Wochen noch im Stillstand verharrt, sich die Entwicklung über den Sommer aber wieder normalisiert. Dann, so die Prognose, könnte die Schrumpfung der Wirtschaftsleistung bezogen auf das Gesamtjahr 2020 auf 2,8 Prozent begrenzt werden. Im Jahr 2021 könnte das Aufholen starten mit einem kräftigen Wachstum von 3,7 Prozent.
■ Risikoszenario eins: Doch es kann auch schlimmer kommen. Bei einem „ausgeprägten Risikoszenario“in der Form eines steilen V, also mit einem tiefen Einschnitt, könnte das
Minus im zweiten Quartal bis zu zehn Prozent erreichen. Auf das Jahr gerechnet würde das einen Einbruch um 5,4 Prozent für dieses Jahr bedeuten – ähnlich massiv wie nach der Finanzkrise 2008/2009. 2021 würde dann aber mit einem Wachstum von 4,9 Prozent ein Großteil der vorjährigen Einbußen wieder aufgeholt.
■ Risikoszenario zwei: Noch schlimmer würde es nach dem dritten Szenario des Rates aussehen – das eine UForm, also eine längere Durststrecke, hätte. Dann drohten nicht nur Massenarbeitslosigkeit
und die Zerstörung von Strukturen der Wirtschaft, sondern auch eine Infektion der Finanzmärkte und des Bankensystems. Letztlich würde die deutsche Wirtschaft danach in diesem Jahr um 4,5 Prozent schrumpfen. Und auch im kommenden Jahr käme es mit einem Mini-Wachstum von einem Prozent nicht zur breiten Erholung.
■ „Horrorszenario“: Für noch pessimistischere Aussichten, etwa eine langandauernde Depression mit einem L-förmigen Konjunkturverlauf sieht der Rat aber derzeit immerhin keine Anzeichen. „Es ist nicht wie in einem Krieg, wo der Kapitalstock zerbombt wäre und die Arbeiter an der Front sind“, sagte der Wirtschaftsweise Volker Wieland.
■ Die aktuellen Prioritäten: Derzeit sollte es dem Rat zufolge zuvorderst darum gehen, die Infektionswelle einzudämmen und das Gesundheitssystem fit zu machen, um Krankheitsfälle gut zu versorgen. „Dazu müssen dem Gesundheitssystem hinreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.“
Begleitet sein sollte das von einer klaren Kommunikation staatlicher Maßnahmen. Das schaffe Akzeptanz. Der Politik wird empfohlen, deutlich zu machen, nach welchen Kriterien sie handelt, wie der Zeitplan bei den Beschränkungen aussieht, welche „Normalisierungsstrategie“sie verfolgt.
■ Nicht in allem einig: Doch nicht in allen Fragen der AntiKrisen-Politik sind sich die „Wirtschaftsweisen“einig. Das betrifft etwa das heiß diskutierte Thema spezieller EuroAnleihen, sogenannter Corona-Bonds, bei denen Deutschland auch für neue Kredite von Partnerländern mit haften müsste. Auch in Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung eines späteren Konjunkturprogramms sind sich die Experten uneins. Das gelte zudem für die Frage, ob breit gestreute Geldgeschenke zur Ankurbelung der Wirtschaft, sogenanntes Helikoptergeld, Sinn machen würden.