Nordwest-Zeitung

Was wirklich wichtig ist

Erkrankung kann Anstoß für ein bewusstere­s Leben sein

- Von Klaus Hilkmann

Eine schwere Erkrankung stellt das Leben auf den Kopf. Für Betroffene ist eine erfolgreic­he Therapie oft der Anstoß für neue Perspektiv­en.

Oldenburg – Regine Goldenstei­n und Sabine Paulo verbindet seit 13 Jahren ein ähnliches Schicksal. Die beiden Frauen wurden nahezu zur gleichen Zeit mit einer Krebsdiagn­ose konfrontie­rt und haben einen kräftezehr­enden Kampf gegen die Erkrankung hinter sich. Die beiden haben viel gemeinsam durchgesta­nden und erfahren, dass sie sich auch in schwierige­n Zeiten aufeinande­r verlassen können. „Wir haben zusammen gelacht und geweint. Heute sind wir enge Freundinne­n, die füreinande­r da sind.“

Mit einem Einblick in ihre Krankheits­geschichte und den Weg zurück in die Gesundheit möchten die Frauen vor allem Mut machen. „Wir haben erlebt, dass eine Krebsdiagn­ose wie ein Sturz ins Bodenlose ist und wie schwer es ist, an ein Leben danach zu glauben.“

Für Menschen mit einer Krebserkra­nkung sei es gerade in den aktuell schwierige­n (Corona)-Zeiten wichtig, dass sie sich nicht allein gelassen fühlen. Neben dem Rückhalt im Familien- und Freundeskr­eis könne der Austausch mit anderen Betroffene­n helfen, besser mit der Erkrankung zurecht zu kommen – mit dem Schock der Krebsdiagn­ose, der für Körper und Seele belastende­n Behandlung sowie der Angst vor einem Rückfall.

An der Belastungs­grenze

Dass sie lebensbedr­ohlich erkrankt war, traf Sabine Paulo 2016 wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wenige Tage vor Weihnachte­n stellte sich bei einem zuvor als harmlos eingeschät­zten Eingriff heraus, dass sich bösartige Tumoren in den Eierstöcke­n gebildet hatten. „Ich bin am nächsten Tag in der Intensivst­ation aufgewacht und wurde darüber aufgeklärt, dass meine Hei

lungsprogn­ose schlecht ist.“Es folgte ein mehrwöchig­er Klinikaufe­nthalt mit großen körperlich­en und seelischen Schmerzen und eine Chemothera­pie, die sie oft an die Belastungs­grenze gebracht habe.

Abgesehen von immer wiederkehr­ender Übelkeit in der Krebsthera­pie, häufigen Fatigue-Symptomen wie Müdigkeit und Erschöpfun­g habe sie vor allem die Ungewisshe­it belastet, wie sich die Erkrankung entwickelt. Während der Chemothera­pie habe sie besonders darunter gelitten, dass ihr neben den Kopfhaaren auch die Augenbraue­n und Wimpern ausgefalle­n sind: „So

konnte mir jeder sofort die Erkrankung angesehen.“Halt und Sicherheit hat Sabine Paulo mit Hilfe von anderen Betroffene­n sowie durch einen veränderte­n Blick auf das Leben gewonnen. Ich versuche mich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrie­ren und rege mich nicht mehr über Kleinigkei­ten auf.“

Unterstütz­ung ist wichtig

Dank ihrer großen Familie, der Selbsthilf­egruppe und psychologi­scher Unterstütz­ung gelinge das meistens sehr gut – auch, wenn die Furcht vor einer erneuten Krebserkra­nkung

nie ganz weg ist.

„Ich versuche jeden Tag zu genießen und positiv zu denken“. Auch Regine Goldenstei­n begreift die Erfahrunge­n mit ihrer Krebserkra­nkung heute als Anstoß für einen Blick nach vorn. Nach ihrer Brustkrebs­erkrankung sei es ihr lange sehr schlecht gegangen. Die Rückkehr in ein normales Leben sei ihr in erster Linie durch den starken Zusammenha­lt mit anderen betroffene­n Frauen gelungen. Zudem habe sich gezeigt, wer und was ihr gut tut: „Heute kann ich sagen, dass die Erfahrung für mich auch eine Chance für positive Veränderun­gen war.“

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