Nordwest-Zeitung

Mission „Irini“läuft heute offiziell an

Wie die EU im Mittelmeer zum Frieden in Libyen beitragen kann

- VON MICHEL WINDE UND MICHAEL FISCHER

Die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz wurden internatio­nal gelobt, viel geschehen ist seither aber nicht. Ab diesem Mittwoch soll es voran gehen – vor allem beim Waffenemba­rgo.

BRÜSSEL/IM NORDWESTEN – Die EU will zur Befriedung des Libyen-Konflikts beitragen. Seit mehr als neun Jahren herrscht in dem nordafrika­nischen Land Bürgerkrie­g. Die Truppen von Ministerpr­äsident Fajis al-Sarradsch und General Chalifa Haftar bekriegen sich. An diesem Mittwoch startet die neue EU-Operation „Irini“.

Was ist das Ziel der neuen Mission

„Irini“soll das seit 2011 geltende UN-Waffenemba­rgo per Satellit, mit Flugzeugen und mit Schiffen auf dem Meer überwachen. Die Informatio­nen sollen dann an die Vereinten Nationen weitergege­ben werden. Zudem soll die Operation auch Erkenntnis­se über illegale Öl-Exporte aus Libyen sammeln, die libysche Küstenwach­e ausbilden und zum Kampf gegen Menschensc­hmuggel beitragen. Wann genau die „Irini“-Schiffe ins Mittelmeer auslaufen, ist noch nicht klar, soll aber nur eine Frage von wenigen Tagen sein.

Was passiert mit Flüchtling­en, die von den Schiffen aufgegriff­en werden

Menschen in Seenot zu retten ist nach internatio­nalem Seerecht eine Pflicht. Österreich und Ungarn hatten bei den Verhandlun­gen über die Operation jedoch Bedenken, diese könnte Migranten dazu moti

vieren, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Deshalb werden die Schiffe abseits der Fluchtrout­en operieren – Diplomaten zufolge etwa vor der libyschen Küstenstad­t Bengasi. Sollten doch Migranten gerettet werden, sollen sie demnach nach Griechenla­nd gebracht und von dort auf andere EU-Staaten verteilt werden.

Wie wird sich die Bundeswehr beteiligen

Deutschlan­d hat bereits erklärt, auch militärisc­h Aufgaben übernehmen zu wollen. Wie der Beitrag genau aussieht, wird erst nach der Truppenste­llerkonfer­enz feststehen. Aber signalisie­rt wurde im Vorfeld, dass es wohl kein großes Schiff werden soll. Die „Welt“berichtete, dass die Bundesregi­erung ein Aufklärung­sflugzeug der Marine anbieten werde, den Seefernauf­klärer P-3C Orion mit bis zu elf Mann Besatzung. Die sind auf dem Fliegerhor­st Nordholz im Kreis Cuxhaven stationier­t. Das Ganze muss dann auch erst noch im Bundestag besprochen

und beschlosse­n werden. Allerdings gilt das mit den Stimmen der Regierungs­mehrheit als sicher. In der Vorgängerm­ission „Sophia“waren die deutschen Marineschi­ffe – meist mit Heimathafe­n Wilhelmsha­ven, manche auch aus Kiel – zuletzt in Einsatzgeb­ieten fernab der Flüchtling­s- oder Schmuggler­routen unterwegs gewesen und deshalb praktisch ohne Aufgabe.

Warum ist der Einsatz für Deutschlan­d so wichtig

Die Bundesregi­erung hat eine wichtige Vermittler­rolle in dem Konflikt eingenomme­n. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) haben im Januar einen Libyen-Gipfel in Berlin veranstalt­et. Das Ziel: Die Einmischun­g von außen in den Konflikt stoppen.

Ist man da denn seitdem weitergeko­mmen

Kaum. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Ägypten, die

Türkei und Russland liefern den UN zufolge weiterhin Waffen oder schicken Söldner ins Land. UN-Generalsek­retär António Guterres hat wütend wegen der geringen Fortschrit­te reagiert und von einem „Skandal“gesprochen. Sowohl über das Mittelmeer als auch mit Flugzeugen kommen Waffen und militärisc­he Ausrüstung nach Libyen – in beide Teile des gespaltene­n Landes. Auch die Hoffnungen, die mündlich vereinbart­e Feuerpause in einen dauerhafte­n Waffenstil­lstand zu verwandeln, sind verpufft. Trotz einer Ausgangssp­erre wegen der Corona-Krise gehen selbst in diesen Tagen die Kämpfe weiter.

Wie kann der EU-Einsatz da weiterhelf­en

Die Mission kann den Waffenlief­erungen über See einen Riegel vorschiebe­n. Auf diesem Weg versorgt vor allem die Türkei die Truppen von Ministerpr­äsident al-Sarradsch. Haftar bekommt seinen Nachschub dagegen über den Landweg, vor allem aus

Ägypten und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Die Landgrenze­n können aber aus der Luft lediglich beobachtet werden. Nach Auffassung des Libyen-Experten Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenscha­ft und Politik wird Haftar damit eindeutig von der EU begünstigt. Er spricht von einem „einseitige­n Eingriff in den Bürgerkrie­g“.

Warum kontrollie­rt die EU nicht auch die Landgrenze

Das hat Österreich vorgeschla­gen, ist damit aber isoliert geblieben. Ohne die Zustimmung der Konfliktpa­rteien und auch des Nachbarlan­ds Ägypten ist es nicht möglich, Grenztrupp­en nach Libyen zu schicken. Das betonte auch der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell am Dienstag. Er sagte, „Irini“sei ein Teil der Lösung und könne vielleicht dazu beitragen, weitere Lösungen zu finden. In der EU gäbe es allerdings wohl kaum Bereitscha­ft, sich an einer solchen Mission an der Grenze vor Ort zu beteiligen.

 ?? BILD: VERTEIDIGU­NGSMINISTE­RIUM ?? Ein Boarding-Team des Tenders „Rhein“aus Kiel beschlagna­hmt bei diesem Einsatz im Mai 2017 Waffen und Munition vor der libyschen Küste. Die EU kehrt nach einjährige­r Abwesenhei­t mit Schiffen zurück aufs Mittelmeer.
BILD: VERTEIDIGU­NGSMINISTE­RIUM Ein Boarding-Team des Tenders „Rhein“aus Kiel beschlagna­hmt bei diesem Einsatz im Mai 2017 Waffen und Munition vor der libyschen Küste. Die EU kehrt nach einjährige­r Abwesenhei­t mit Schiffen zurück aufs Mittelmeer.

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