Später prüfen, ob Finanz-Hilfen wirklich gerechtfertigt waren
Die Schuldenuhr dreht sich nun wieder in die andere Richtung. Sind die Zeiten der Konsolidierung nun auf Dauer vorbei? Holznagel: Die enorme Neuverschuldung von Bund und Ländern wird uns noch lange begleiten, die öffentlichen Haushalte werden dies über viele Jahre hinweg spüren. Die Krise wird aber ein Ende haben – deshalb muss auch der aktuellen Schulden-Politik einmal ein Ende gesetzt werden. Das heißt: Wenn sich die konjunkturelle Lage wieder stabilisiert, müssen die krisenbedingten Schulden abgebaut und dann auch die Schwarze Null erneut in Angriff genommen werden. Eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gehört dazu – und Prioritäten in der Ausgabenpolitik sind dann noch mehr gefragt als heute.
Bund und Länder helfen der Wirtschaft mit Milliarden-Paketen. Drohen da nicht Mitnahme-Effekte und Missbrauch? Holznagel: Das wird sich vermutlich nicht bei jedem Fall vermeiden lassen. Doch derzeit ist schnelles Handeln gefragt – Betriebe, Kleinstunternehmer und viele Familien brauchen die finanziellen Hilfen jetzt. Wenn die Bewilligungswelle der Soforthilfen abebbt, sollte jedoch eingehend geprüft werden, ob die gewährte Unterstützung berechtigt war. Generelle Blankoschecks im Nachhinein darf es nicht geben – dafür ist das Ausmaß der aktuellen Neuverschuldung zu hoch, für deren Rückführung künftig ja alle
Steuerzahler aufkommen.
Die EU-Partner streiten über die Einführung von Euro-Bonds. Braucht es jetzt nicht solche Solidarität? Holznagel: Europäische Solidarität ist derzeit wichtig. Europäische Solidarität muss auch sichergestellt werden – aber bitte mit den Instrumenten, die schon zahlreich vorhanden sind und notfalls verstärkt werden können. Ich verweise auf die Europäische Zentralbank, die 750 Milliarden Euro an Liquidität für Staaten, Unternehmen und Banken zur Verfügung stellt. Der Euro-Rettungsschirm hat mehr als 400 Milliarden Euro verfügbare Mittel, und die Europäische Investitionsbank mobilisiert gerade 40 Milliarden Euro im Kampf gegen die Corona-Krise. Wer jetzt die Einführung von zusätzlichen Euro-Bonds fordert, hat anderes im Sinn – und zwar die dauerhafte Verlagerung von Schuldenrisiken über die Zeit der akuten Corona-Krise hinaus auf die finanzstarken Länder in Europa und vor allem Deutschland.