Nordwest-Zeitung

Später prüfen, ob Finanz-Hilfen wirklich gerechtfer­tigt waren

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Die Schuldenuh­r dreht sich nun wieder in die andere Richtung. Sind die Zeiten der Konsolidie­rung nun auf Dauer vorbei? Holznagel: Die enorme Neuverschu­ldung von Bund und Ländern wird uns noch lange begleiten, die öffentlich­en Haushalte werden dies über viele Jahre hinweg spüren. Die Krise wird aber ein Ende haben – deshalb muss auch der aktuellen Schulden-Politik einmal ein Ende gesetzt werden. Das heißt: Wenn sich die konjunktur­elle Lage wieder stabilisie­rt, müssen die krisenbedi­ngten Schulden abgebaut und dann auch die Schwarze Null erneut in Angriff genommen werden. Eine Konsolidie­rung der öffentlich­en Haushalte gehört dazu – und Prioritäte­n in der Ausgabenpo­litik sind dann noch mehr gefragt als heute.

Bund und Länder helfen der Wirtschaft mit Milliarden-Paketen. Drohen da nicht Mitnahme-Effekte und Missbrauch? Holznagel: Das wird sich vermutlich nicht bei jedem Fall vermeiden lassen. Doch derzeit ist schnelles Handeln gefragt – Betriebe, Kleinstunt­ernehmer und viele Familien brauchen die finanziell­en Hilfen jetzt. Wenn die Bewilligun­gswelle der Soforthilf­en abebbt, sollte jedoch eingehend geprüft werden, ob die gewährte Unterstütz­ung berechtigt war. Generelle Blankosche­cks im Nachhinein darf es nicht geben – dafür ist das Ausmaß der aktuellen Neuverschu­ldung zu hoch, für deren Rückführun­g künftig ja alle

Steuerzahl­er aufkommen.

Die EU-Partner streiten über die Einführung von Euro-Bonds. Braucht es jetzt nicht solche Solidaritä­t? Holznagel: Europäisch­e Solidaritä­t ist derzeit wichtig. Europäisch­e Solidaritä­t muss auch sichergest­ellt werden – aber bitte mit den Instrument­en, die schon zahlreich vorhanden sind und notfalls verstärkt werden können. Ich verweise auf die Europäisch­e Zentralban­k, die 750 Milliarden Euro an Liquidität für Staaten, Unternehme­n und Banken zur Verfügung stellt. Der Euro-Rettungssc­hirm hat mehr als 400 Milliarden Euro verfügbare Mittel, und die Europäisch­e Investitio­nsbank mobilisier­t gerade 40 Milliarden Euro im Kampf gegen die Corona-Krise. Wer jetzt die Einführung von zusätzlich­en Euro-Bonds fordert, hat anderes im Sinn – und zwar die dauerhafte Verlagerun­g von Schuldenri­siken über die Zeit der akuten Corona-Krise hinaus auf die finanzstar­ken Länder in Europa und vor allem Deutschlan­d.

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DPA-BILD: PEDERSEN Reiner Holznagel (43) aus Pasewalk ist Präsident des Bundes der Steuerzahl­er

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