Nordwest-Zeitung

Pflegeheim­en stehen schwere Zeiten bevor

Vorstandss­precher der Diakonie in Niedersach­sen kritisiert Aufnahmest­opp

- VON HELEN HOFFMANN

Das Coronaviru­s kann für alte und kranke Menschen zur tödlichen Gefahr werden. In einem Wolfsburge­r Pflegeheim sind bereits 18 Demenzkran­ke an den Folgen von Covid-19 gestorben.

WOLFSBURG – Die Alten- und Pflegeheim­e stehen wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s vor großen Herausford­erungen. Nach Schätzunge­n der Landesarbe­itsgemeins­chaft der Freien Wohlfahrts­pflege in Niedersach­sen wird derzeit täglich mindestens eine Corona-Infektion aus einem Pflegeheim gemeldet, wie Birgit Eckhardt und Hans-Joachim Lenke vom Vorstand sagten. Eine solch dramatisch­e Lage wie in Wolfsburg gebe es in anderen Einrichtun­gen derzeit nicht.

Bis Dienstagmi­ttag waren in dem Hanns-Lilje-Heim für Menschen mit Demenzerkr­ankung 18 Bewohner mit einer Coronaviru­s-Infektion gestorben. Auch ein Seniorenze­ntrum in Wildeshaus­en hat bis Montag zwei Todesfälle und 23 infizierte Bewohner gemeldet.

Konkrete Zahlen, wie viele Heime derzeit vom Coronaviru­s betroffen sind, gibt es für Niedersach­sen bislang nicht. „Wir haben die Gesundheit­sämter angewiesen, uns diese Zahlen mitzuteile­n“, sagte die Sprecherin des Sozialmini­steriums, Stefanie Geisler, am Dienstag. Bisher sei aus den Daten nicht ersichtlic­h, ob eine Infektion in einer Pflegeeinr­ichtung oder zu Hause aufgetrete­n ist.

Um die Verbreitun­g des Coronaviru­s zu verhindern, hatte

Diakonie-Chef Hans-Joachim Lenke

die Landesregi­erung bereits vor gut einer Woche Besuche in den Einrichtun­gen verboten. Seit Montag gilt zudem ein Aufnahmest­opp für Altenund Pflegeheim­e. „Die Einschränk­ung von sozialen Kontakten, Besuchsver­bote und die konsequent­e und frühzeitig Isolierung von Erkrankten ist das einzige Mittel, was uns derzeit im Kampf gegen Corona zur Verfügung steht“, sagte Gesundheit­sministeri­n Carola Reimann (SPD).

Die Diakonie kritisiert­e jedoch am Dienstag Aufnahmest­opp, denn dieser erhöhe den Druck auf die ambulanten Versorgung­sstrukture­n. „Die Situation dort war aber schon vor der Corona-Krise durch den Mangel an Pflegefach­kräften labil“, sagte Lenke, der auch Vorstandss­precher der Diakonie in Niedersach­sen ist. Für die Pflegeheim­e sei der Aufnahmest­opp zudem eine wirtschaft­liche Herausford­erung.

Den Druck auf die Politik verstehe er. „Die erschrecke­nden Todesfälle in Altenpfleg­eeinrichtu­ngen sind uns allen eine große Belastung.“Nach Angaben der Landesarbe­itsgemeins­chaftverze­ichnen einige Pflegeheim­e derzeit mehr Tote als sonst. „Die Zunahme der Todesfälle ist schon so auffällig, dass wir davon ausgehen, dass darunter auch infizierte Verstorben­e sind“, sagte die Vorsitzend­e Birgit Eckhardt. „Wir sind in allergrößt­er Sorge.“

Aus Sicht der Landesarbe­itsgemeins­chaft wird derzeit oft zu spät auf das Virus getestet. „Erst dann, wenn jemand Symptome hat, geht die Kette mit den Testungen los“, sagte Eckhardt. „Dann ist es in der Regel zu spät, weil sich die Erkrankung unter den Mitarbeite­rn und unter den Bewohnern ausbreitet.“

Lenke verwies auf die besondere Situation der Mitarbeite­nden in den Einrichtun­gen.

Pflege ohne körperlich­e Nähe sei nicht möglich, das Thema Schutzausr­üstung müsse hohe Priorität bekommen.

In Niedersach­sen gibt es nach Angaben des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbandes rund 1980 Pflegeheim­e. Davon sind etwa 1230 in privater Trägerscha­ft, 700 in freigemein­nütziger Trägerscha­ft und 50 in der öffentlich­en Hand. Dem Verband zufolge bieten alle Träger zusammen etwa 114 000 Pflegeheim­plätze an und haben insgesamt rund 90 400 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn.

Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­gen, ambulante Pflegedien­ste und Einrichtun­gen für betreutes Wohnen stehen nach Angaben der Landesarbe­itsgemeins­chaft der Freien Wohlfahrts­pflege vor den gleichen Problemen wie Pflege- und Altenheime. Alle brauchen demnach dringend mehr Schutzausr­üstung und häufigere Corona-Tests.

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DPA-BILD: STEFFEN Im Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg sind 18 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronaviru­s gestorben.
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DPA-BILD: PFISTERER

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