Hochgeladene Spannung zwingt zum Zuhören
Kammermusik der Oldenburger Neue-Musik-Größen Beinke und Dinescu
OLDENBURG – Gegen das Bonmot des Komponisten Maurizio Kagel, dass „Hören leichtfällt, Zuhören aber schwer“, hat Eckart Beinke sein eigenes Diktum gesetzt: „Das Zuhören fällt leichter, wenn man zuschauen kann, wie die Musik entsteht.“Besonders für das Verstehen Neuer Musik gilt diese Optik.
Nun hat der Oldenburger Komponist sich gegen die eigene Erkenntnis gestellt. Beinke (63) hat eine CD mit Soli, Duos und Trios von 1990 bis 2007 veröffentlicht: „Dear Prudence – Liebe Besonnenheit.“Auch ohne Augenschein fällt das reine Zuhören leicht.
Der langjährige Antreiber im Netzwerk „Klangpol“zieht den Hörer mit seiner vertieften musikalischen Reflexion faszinierend in seinen Bann.
„Dear Prudence“, der Song der Beatles von 1968 klingt nur im Geist an. „The sun is up, the sky is blue, it’s beautiful, and so are you.“In eine Stimmung von Lebensfreude dringen hintergründige Fragen. Ob sich „In der zuen Tür“die Läufe auf dem Vibrafon sozusagen selbst überholen, oder ob im „prélude“eine Bratsche drei Stimmen gleichzeitig vorgaukelt, immer bleibt Beinke ein einnehmender Melodiker. Er kann direkt sein. Er kann auch Mikrosequenzen wie feinen Staub in der Sonne tanzen lassen. Katharina Rikus (Altstimme), Margit Kern (Akkordeon/ prächtig aufgenommen), Olaf Tzschoppe (Schlagzeug) und die Bratscherinnen Jessica Rona und Roswitha Killian-Priebe sind die grandiosen Instrumentalisten.
Die an der Universität Oldenburg lehrende Kollegin Violeta Dinescu (67) hat ihre fantasie-, bild- und formenreiche Musik zwischen Oper und Kammermusik in zahlreichen Aufnahmen dokumentiert. Die neue CD „Octava Aurea“der namhaften Baumeisterin Zeitgenössischer Musik kündet von musikalischen Drachenflügen. Hier gestalten eine luftige Brise und eine über ausgetüftelte Aufbauten hinweg spielerische Lockerheit das Zuhören vergnüglich.
Zwischen 2014 und 2019 hat sich die Oldenburgerin in neun Werken vom wirbelnden Fliegen anregen lassen, wie in „Parade of Kites“oder „für den flug.“Die Musik weht frisch, wird aber nie leichtgewichtig, sondern packt intensiv. „Ein ganz persönliches Anliegen“nennt Dinescu die Produktion.
Klarinettist Aurelian Octav Popa hat die Stücke im Alter von 82 Jahren mit seiner Frau Sandra Craciun Popa (Viola) aufgenommen. Aurelian war schon ein legendärer Musiker, als Dinescu noch als Studentin in Rumänien lebte.