Nordwest-Zeitung

Für ihre Kinder ist kein Platz in der Kita

Eltern in großer Not – Online-Anmeldever­fahren gerät im Corona-Wirrwarr in Schieflage

- VON PATRICK BUCK

Die Platzverga­be läuft über eine zentrale Anmeldung bei der Stadt. Doch mehrere Eltern kritisiere­n den Ablauf.

OLDENBURG – Viele Eltern sitzen derzeit wie auf heißen Kohlen. Das hat nicht (nur) etwas mit dem Umstand zu tun, dass im Moment alle Kinder wegen der Corona-Krise alternativ betreut werden müssen. Die Sorge ist, dass auch zum neuen Kindergart­enjahr die Türen der Kitas für die eigenen Kinder verschloss­en bleiben – weil sie einfach keinen Platz bekommen.

Mehrere Mütter haben sich bei der Ð gemeldet. Sie alle wohnen in Ofenerdiek und sie alle stehen vor demselben Problem: In den ersten Runden der Vergabe der Kindergart­enplätze gingen sie leer aus. Nun fragen sie sich, ob sie überhaupt zum Zuge kommen werden. „Wenn wir keinen Platz bekommen, müsste ich aufhören zu arbeiten“, sagt die 39-jährige Jana Reifschläg­er. „Das wäre finanziell eine Katastroph­e.“Wie die anderen Mütter kritisiert sie das Anmeldever­fahren in Oldenburg.

Wie funktionie­rt das Anmeldever­fahren

In Oldenburg gibt es ein zentrales Anmeldever­fahren. Eltern können im Januar ihre Kinder über eine Internetse­ite für Krippen- und Kindergart­enplätze anmelden und dabei drei Wunsch-Kitas angeben. Dabei spielt der genaue Zeitpunkt der Anmeldung keine Rolle.

Die Entscheidu­ng, welche Kinder aufgenomme­n werden, fällen aber die Kitas. Dabei geht es um individuel­le Kriterien wie Alter des Kindes, Geschlecht, Geschwiste­rkinder in der Einrichtun­g, usw.

Nach der erste Runde beginnt das weitere Verfahren, bei dem die noch freien Plätze in den Einrichtun­gen angezeigt werden und Eltern ihre Kinder darauf wieder bewerben können. Geplant war das für Mitte März. Wegen der Corona-Krise wurde das nun vorerst bis 19. April ausgesetzt, da einige Kitas für die Notbetreuu­ng geöffnet, andere ganz geschlosse­n sind. „Damit können die eingehende­n Anmeldunge­n nur sehr unterschie­dlich bearbeitet werden“, so Stadtsprec­her Stephan Onnen. „Das Verfahren lebt von der Gleichheit der Chancen und von der Transparen­z. Das wäre derzeit unter diesen Umständen nicht gegeben.“

Mit Blick auf den Kalender verschärft diese Entscheidu­ng natürlich die Situation für viele Mütter. „Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich ab Sommer arbeiten kann und kann meinen Jahresurla­ub mit meinem Arbeitgebe­r nicht absprechen“, beklagt die 37-jährige Elena Kolozis.

Welche Kritik gibt es am Anmeldever­fahren

Die Kritik setzt an verschie

denen Stellen an. Laura Sietas fordert mehr Transparen­z im Internetpo­rtal, wo freie Plätze angezeigt werden. „Es ist nicht ersichtlic­h, ob die Plätze in der Krippe oder im Kindergart­en frei sind, ob sie nur für Integratio­nskinder sind oder ob sich vielleicht schon viele Alleinerzi­ehende beworben haben, die zurecht bevorzugt werden“, sagt die 33-Jährige. Im Endeffekt müsse man bei jeder Einrichtun­g anrufen, um zu erfahren, ob sich eine Bewerbung überhaupt lohne oder ob es ohnehin kaum wirklich freie Plätze gebe.

Die Stadt Oldenburg agiere in dem Verfahren „wie ein Briefkaste­n“, sagt auch Elena Kolozis. Statt zu steuern, werde nur gesammelt und weitergere­icht.

Tina Wilkens würde sich sogar eine Direktbewe­rbung ohne Zwischensc­halten der Stadt wünschen. „So wissen die Kindergärt­en doch gar nicht, wie dringlich manche Fälle sind“, sagt die 39-Jährige. Sie würde den direkten Kontakt zur KitaLeitun­g bevorzugen.

Jana Reifschläg­er ärgert sich zudem darüber, dass ihre eingeschrä­nkte Mobilität bei der Vergabe keine Rolle spielt. „Ich habe keinen Führersche­in und kein Auto“. Ihrer Arbeit als Haushaltsh­ilfe geht sie mit dem Fahrrad nach. Selbst wenn sie für ihren Sohn noch einen Kindergart­enplatz bekommt, hilft der ihr wenig, wenn er im falschen Stadtteil angesiedel­t ist. „Ich kann nicht mal eben mit dem Rad morgens nach Kreyenbrüc­k und

dann zur Arbeit fahren.“

Allerdings: Der Rechtsansp­ruch, den es ja gibt, wäre erfüllt, solange sich der KitaPlatz irgendwo im Stadtgebie­t befindet. Sie könne ja ihren Platz einklagen, sei ihr bei der Stadt mitgeteilt worden.

Wie reagiert die Stadt auf die Kritik

Dass es eine solche Aussage beim Servicebür­o Kindertage­sbetreuung gegeben habe, weist die Stadt zurück. Zur aktuellen Situation habe man sich indes gewünscht, dass bezüglich der Betreuung der Kinder im neuen Kita-Jahr so früh wie möglich Planungssi­cherheit bestehe, so Stephan Stadtsprec­her Onnen. Da derzeit die notwendige­n Untersuchu­ngen

bei Kindergart­enkindern zu Schulfähig­keit nicht stattfinde­n könnten, wodurch normalerwe­ise neue Plätze frei werden, müsse die Freigabe dieser Plätze leider auch weiter in der Schwebe bleiben.

Zur Vergabe heißt es, dass die Plätze von den Einrichtun­gsleitunge­n verantwort­ungsvoll vergeben würden. „Jede Einrichtun­gsleitung achtet darauf, dass wohnortnah vergeben wird. Wenn die wohnortnah­en Plätze allerdings vergeben sind, werden auch Plätze in entfernter­en Einrichtun­gen im System sichtbar, die die Eltern auswählen können.“

Die Intranspar­enz bei den angebotene­n Plätzen sei auf das Corona-Wirrwarr zurückzufü­hren. „Das Online-System war zwischenze­itlich gewisserma­ßen in eine Schieflage geraten“, so Onnen. Es sei offenkundi­g gewesen, dass die Ansichten der freien Plätze auf Grund des unterschie­dlichen Bearbeitun­gsstandes nicht haben stimmen können. Darum die Systemsper­rung. „In dieser Ausnahmesi­tuation erging auch der Rat an Eltern, in der Kita anzurufen.“

Mittlerwei­le habe das Servicebür­o Kindertage­sbetreuung mit jeder Kita gesprochen, die Daten seien geradegezo­gen worden. Onnen: „So können wir sicherstel­len, dass dann, wenn das System wieder geöffnet ist, die Daten auch stimmen.“

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BILD: MARTIN REMMERS Zu Hause gut betreut, aber ohne Kindergart­enplatz: Tina Wilkens mit Tochter Lina.
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BILD: PIVAT Wissen nicht, wie es ab August weitergeht: Laura Sitas mit Leon (links) und Annabell.
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BILD: PRIVAT Brauchen einen Kindergart­enplatz in der Nähe: Jana Reifschläg­er und Johann.

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