Genaue Erinnerungen an Sprengung der beiden Kanalbrücken
Rolf Seidler hat Sprengung und Wiederaufbau miterlebt – Von den Türmen blieb nur einer stehen
OSTERNBURG – Der Zweite Weltkrieg hat zwar vergleichsweise geringe Schäden in Oldenburg angerichtet. Und doch sind einschneidende Ereignisse im kollektiven Gedächtnis hängengeblieben. Wie beispielsweise die Sprengung der Cäcilienund baugleichen Amalienbrücke kurz vor Kriegsende durch deutsche Soldaten.
Sehr genau kann sich Rolf Seidler daran erinnern. Sieben Jahre war der gebürtige Osternburger damals alt. Er wohnte mit seiner Familie in der Dedestraße. Die Hunte, der Kanal und der Hafen gehörten zu seinem Spielrevier.
Durch die Druckwelle, die die Sprengung auslöste, gingen die Scheiben zu Bruch, erinnert sich der heute 82-Jährige. Es müssen gewaltige Sprengladungen gewesen sein. „Es ist bedauerlich, dass ich später niemanden kennengelernt habe, der direkt dabei gewesen ist“, sagt er.
Nach der Sprengung hat Seidler ein paar Tage warten müssen, auf die Straße durfte er nicht gleich wieder. Zwischen
der Sprengung und seinem ersten Besuch an den Brücken lagen wohl zwei Wochen. „Dann durften wir endlich wieder raus“, erklärt Seidler.
Als Erstes ging’s natürlich zur Cäcilienbrücke, die von den Kanadiern bereits in die Widerlager zurückgehoben worden war. Der Verkehr lief schon wieder über sie hinweg. Allerdings waren die beiden zum Damm gelegenen Türme verschwunden, sie waren offenbar auch gesprengt worden. „Man wollte die Brücke wohl lähmen aber nicht ganz zerstören, damit die Panzer nicht darüberfahren konnten“, meint Seidler.
Die Amalienbrücke war komplett gesprengt worden, die Stümpfe der Türme und der Überbau lagen im Kanal. Der Überbau der Amalienbrücke war 120 Tonnen, der der Cäcilienbrücke 240 Tonnen schwer. Seidler: „Die Cäcilienbrücke lag schräg, wie auf dem Foto zu sehen ist, zwischen den Türmen. Nur der Turm an der Hermann-Ehlers-Straße war unversehrt geblieben. Der Turm an der Uferstraße war
geköpft, die Seilrollen waren heruntergerissen. Ich konnte über die Cäcilienbrücke zum Damm rüber laufen“, so Seidler weiter. Auch der zum Westfalendamm gelegene Turm war weg, nur ein Teil der Außentreppe stand noch und der Keller war vorhanden. Vom zum Staatsarchiv gelegenen Turm war nichts mehr zu
sehen, es klaffte dort ein großes Loch und es gab einen riesigen Trümmerhaufen, auf dem die Umlenkrolle abgelegt war. Über den Keller waren Holzbohlen gelegt worden.
Die gesamte Cäcilienbrücke hatte nach der Sprengung im wahrsten Wortsinn in den Seilen gehangen. Die kanadische Pioniereinheit benötigte demgegenüber
nur zwölf Stunden, um eine Notbrücke über die Amalienbrücke zu bauen.
Nach dem Krieg hat Seidler dann den Wiederaufbau der Brücken verfolgt. 1948 wurde die Cäcilienbrücke (wie im vergangenen Jahr) ein Meter angehoben und sie war nur über Rampen zu passieren. Arbeiter haben die Brücke dann genietet. „Wir Jungs standen daneben und schauten zu – aus heutiger Sicht unvorstellbar", erinnert sich Seidler. Die heißen Nieten wurden mit einer Zange hochgeschmissen, von den Arbeitern aufgefangen und verarbeitet.
Auch die Türme wurden wieder aufgemauert. Der Unterschied ist heute noch zu erkennen. Der originale Turm hat eine gemauerte Netzverzierung. Nur der Turm an der Hermann-Ehlers-Straße befindet sich laut Seidler noch im Originalzustand.
Auch die Amalienbrücke wurde 1948 wieder aufgebaut. Sie wurde praktisch auf der Notbrücke zusammengenietet. Anschließend wurde diese Notbrücke unter ihr weggezogen und der Überbau der Amalienbrücke eingehängt. Das ging laut Seidler sehr schnell vonstatten. Die Teile wurden bei MAN vorgefertigt und nach Oldenburg gebracht.
Seidler arbeitete später als kaufmännischer Angestellter im Großhandel, anschließend bei der GEG Fleischwarenfabrik und später als Operator im Rechenzentrum.