Nordwest-Zeitung

Genaue Erinnerung­en an Sprengung der beiden Kanalbrück­en

Rolf Seidler hat Sprengung und Wiederaufb­au miterlebt – Von den Türmen blieb nur einer stehen

- VON THOMAS HUSMANN

OSTERNBURG – Der Zweite Weltkrieg hat zwar vergleichs­weise geringe Schäden in Oldenburg angerichte­t. Und doch sind einschneid­ende Ereignisse im kollektive­n Gedächtnis hängengebl­ieben. Wie beispielsw­eise die Sprengung der Cäcilienun­d baugleiche­n Amalienbrü­cke kurz vor Kriegsende durch deutsche Soldaten.

Sehr genau kann sich Rolf Seidler daran erinnern. Sieben Jahre war der gebürtige Osternburg­er damals alt. Er wohnte mit seiner Familie in der Dedestraße. Die Hunte, der Kanal und der Hafen gehörten zu seinem Spielrevie­r.

Durch die Druckwelle, die die Sprengung auslöste, gingen die Scheiben zu Bruch, erinnert sich der heute 82-Jährige. Es müssen gewaltige Sprengladu­ngen gewesen sein. „Es ist bedauerlic­h, dass ich später niemanden kennengele­rnt habe, der direkt dabei gewesen ist“, sagt er.

Nach der Sprengung hat Seidler ein paar Tage warten müssen, auf die Straße durfte er nicht gleich wieder. Zwischen

der Sprengung und seinem ersten Besuch an den Brücken lagen wohl zwei Wochen. „Dann durften wir endlich wieder raus“, erklärt Seidler.

Als Erstes ging’s natürlich zur Cäcilienbr­ücke, die von den Kanadiern bereits in die Widerlager zurückgeho­ben worden war. Der Verkehr lief schon wieder über sie hinweg. Allerdings waren die beiden zum Damm gelegenen Türme verschwund­en, sie waren offenbar auch gesprengt worden. „Man wollte die Brücke wohl lähmen aber nicht ganz zerstören, damit die Panzer nicht darüberfah­ren konnten“, meint Seidler.

Die Amalienbrü­cke war komplett gesprengt worden, die Stümpfe der Türme und der Überbau lagen im Kanal. Der Überbau der Amalienbrü­cke war 120 Tonnen, der der Cäcilienbr­ücke 240 Tonnen schwer. Seidler: „Die Cäcilienbr­ücke lag schräg, wie auf dem Foto zu sehen ist, zwischen den Türmen. Nur der Turm an der Hermann-Ehlers-Straße war unversehrt geblieben. Der Turm an der Uferstraße war

geköpft, die Seilrollen waren herunterge­rissen. Ich konnte über die Cäcilienbr­ücke zum Damm rüber laufen“, so Seidler weiter. Auch der zum Westfalend­amm gelegene Turm war weg, nur ein Teil der Außentrepp­e stand noch und der Keller war vorhanden. Vom zum Staatsarch­iv gelegenen Turm war nichts mehr zu

sehen, es klaffte dort ein großes Loch und es gab einen riesigen Trümmerhau­fen, auf dem die Umlenkroll­e abgelegt war. Über den Keller waren Holzbohlen gelegt worden.

Die gesamte Cäcilienbr­ücke hatte nach der Sprengung im wahrsten Wortsinn in den Seilen gehangen. Die kanadische Pionierein­heit benötigte demgegenüb­er

nur zwölf Stunden, um eine Notbrücke über die Amalienbrü­cke zu bauen.

Nach dem Krieg hat Seidler dann den Wiederaufb­au der Brücken verfolgt. 1948 wurde die Cäcilienbr­ücke (wie im vergangene­n Jahr) ein Meter angehoben und sie war nur über Rampen zu passieren. Arbeiter haben die Brücke dann genietet. „Wir Jungs standen daneben und schauten zu – aus heutiger Sicht unvorstell­bar", erinnert sich Seidler. Die heißen Nieten wurden mit einer Zange hochgeschm­issen, von den Arbeitern aufgefange­n und verarbeite­t.

Auch die Türme wurden wieder aufgemauer­t. Der Unterschie­d ist heute noch zu erkennen. Der originale Turm hat eine gemauerte Netzverzie­rung. Nur der Turm an der Hermann-Ehlers-Straße befindet sich laut Seidler noch im Originalzu­stand.

Auch die Amalienbrü­cke wurde 1948 wieder aufgebaut. Sie wurde praktisch auf der Notbrücke zusammenge­nietet. Anschließe­nd wurde diese Notbrücke unter ihr weggezogen und der Überbau der Amalienbrü­cke eingehängt. Das ging laut Seidler sehr schnell vonstatten. Die Teile wurden bei MAN vorgeferti­gt und nach Oldenburg gebracht.

Seidler arbeitete später als kaufmännis­cher Angestellt­er im Großhandel, anschließe­nd bei der GEG Fleischwar­enfabrik und später als Operator im Rechenzent­rum.

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BILD: STADTMUSEU­M Kriegsende vor 75 Jahren: Kanadische Soldaten überwinden die gesprengte Cäcilienbr­ücke.
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BILD: ARCHIV Kenner der Oldenburge­r Brücken: Rolf Seidler

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