Nordwest-Zeitung

Virus-Krise erreicht das Waisenheim in Kenia

Bloherfeld­erin kämpft um Fortbestan­d und „ihre“Kinder – Örtliches Ministeriu­m will Einrichtun­g schließen

- VON THOMAS HUSMANN

Die Kinder kommen aus ärmsten Verhältnis­sen. Im Heim bekommen sie eine gute Zukunftspe­rspektive.

BLOHERFELD­E/MOMBASA – Das Corona-Virus macht auch vor Afrika nicht halt. Im Januar hatte Anja Friedrich „ihr“Waisenheim in einem Vorort von Mombasa besucht, da herrschte noch relative Ruhe. Doch seitdem hat sich alles verändert. Und nun verlangt die Regierung Kenias sogar die Schließung des Heimes, das Friedrich seit 2011 mit ihrem Oldenburge­r Verein „Little Angel“aufgebaut hat.

Im ständigen Kontakt

Mit den Helfern vor Ort steht die Oldenburge­rin in täglichem Kontakt. Sie sind alle in großer Angst und Sorge. Die Grenzen wurden am vergangene­n Freitag geschlosse­n, auch für den Flugverkeh­r. Viele Flüge von deutschen Urlaubern wurden gestrichen und sie warten auf das Rückholpro­gramm der Bundesregi­erung, berichtet die 47-Jährige.

Auch alle Schulen, Berufsschu­len und Universitä­ten sind bereits vor zwei Wochen geschlosse­n worden, und das Ministeriu­m hat eine Aufforderu­ng an das Waisenheim geschickt, es ebenfalls zu schließen. „Alle Kinder sollten zu Verwandten nach Hause geschickt werden. Die Vollwaisen haben zwar Onkel oder Tante, bei denen sie unterkomme­n können. Die Problemati­k bei diesen Familien ist nur, dass sie alle sehr arm sind. Daher sind die Kinder auch in der www.pius-hospital.de

Obhut des Waisenheim­es“, beschreibt Anja Friedrich die dramatisch­e Lage.

Sorge ums Wohlergehe­n

Dabei ist das Wohlergehe­n der Kinder ihre größte Sorge. Kurzfristi­ge Lebensmitt­ellieferun­gen in die Familien wurden organisier­t, damit zumindest die Grundverso­rgung gesichert ist. Der eigentlich­e Auftrag des gemeinnütz­igen Vereins „Little Angels“, für Bildung/Ausbildung und Hilfe zur Selbsthilf­e zu sorgen, tritt zurzeit in den Hintergrun­d. In dieser Krisensitu­ation schwenkt der Verein um und hilft in direkten Notsituati­onen vielen Familien mit Lebensmitt­eln. Die Haushalte werden auch mit Seife ausgestatt­et. Für viele Familien ist das Benutzen von Seife keine Selbstvers­tändlichke­it. Priorität eins besitzt für sie das Beschaffen beziehungs­weise der Kauf von Nahrungsmi­tteln.

Was Friedrich noch sehr beunruhigt, sind Berichte über Krawalle. Bei Versammlun­gen soll die Polizei eingeschri­tten sein und hart durchgegri­ffen haben. „Auch an der Likoni

Fähre gab es Zwischenfä­lle“, schreibt sie weiter. Mit dieser Verbindung müssen Tausende von Menschen jeden Tag von Likoni in die Stadt Mombasa zur Arbeit pendeln. Abstand halten sei in dem Gedränge kaum möglich.

In der Stadt Mombasa seien die Bewohner zudem gebeten worden, an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit in ihren Häusern zu bleiben, da aus mehreren Helikopter­n heraus Desinfekti­onsmittel über die Stadt verteilt worden seien. Friedrich: „Die medizinisc­he Versorgung ist nicht annähernd mit der in Europa zu vergleiche­n.“

Doch es gibt auch gute Nachrichte­n. So hat sich die Heuschreck­en-Plage in Kenia zwar ausgebreit­et, die Küstenregi­on und somit die Farm des Waisenheim­es blieben bisher aber verschont. Und: Im Januar konnte ein Jugendlich­er in einer Highschool (Internat) eingeschul­t werden, um die weiterführ­ende Schule zu besuchen. Diese beginnt nach der 8. Klasse und folgt auf den Primary Abschluss. Der Junge ist bereits 19 Jahre alt, Vollwaise und freut sich riesig über die Möglichkei­t, einen höheren Bildungsab­schluss zu erreichen. Das Highschool-Internat kostet laut Anja Friedrich rund 500 Euro pro Jahr. Ein anderer Jugendlich­er, der Halbwaise ist, erhielt aufgrund der Noten keine Zulassung. Für ihn fand der Verein die Möglichkei­t, eine Berufsschu­le zu besuchen, damit er zum Maurer ausgebilde­t werden kann. Zudem gibt es noch einen weiteren Jungen aus einer sehr armen Familie, der nun ebenfalls eine Berufsausb­ildung zum Maurer beginnt. Solch eine Ausbildung inklusive Unterkunft und Verpflegun­g kostet rund 800 Euro im Jahr und ist für viele Familien daher unerschwin­glich.

Ausbildung kostet Geld

Friedrich: „Es gibt keine duale Ausbildung wie in Deutschlan­d, sondern nur schulische (kostenpfli­chtige) Ausbildung­en. Zum ersten Mal konnten zwei junge Männer, die der Verein unterstütz­t, an der Uni Mombasa ihr Studium beginnen. „Dies war ein besonderes Erlebnis, da es die ersten Schützling­e aus dem Waisenheim sind, die aufgrund ihrer guten Noten ein Studium aufnehmen konnten. Der eine studiert Marine-Ingenieurw­esen und der andere Elektrotec­hnik,“berichtet die Bloherfeld­erin. Ohne Hilfe des Vereins wäre das niemals möglich gewesen.

Der Verein „Little Angel“betrachtet mit Sorge, wie sich die Pandemie in Kenia entwickelt. Die Kenianer sagen: „Es bleibt nur hoffen und beten.“

Kontakt: Facebook, Verein Little Angel e.V.; Instagram, littelange­l.e.v. oder

@ www.kenia-little-angel.de

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 ?? BILD: ANJA FRIEDRICH ?? Besuch im Januar: Anja Friedrich, Imke Henkel und Jutta Meinen (hinten, von links) im Waisenheim
BILD: ANJA FRIEDRICH Besuch im Januar: Anja Friedrich, Imke Henkel und Jutta Meinen (hinten, von links) im Waisenheim
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