Virus-Krise erreicht das Waisenheim in Kenia
Bloherfelderin kämpft um Fortbestand und „ihre“Kinder – Örtliches Ministerium will Einrichtung schließen
Die Kinder kommen aus ärmsten Verhältnissen. Im Heim bekommen sie eine gute Zukunftsperspektive.
BLOHERFELDE/MOMBASA – Das Corona-Virus macht auch vor Afrika nicht halt. Im Januar hatte Anja Friedrich „ihr“Waisenheim in einem Vorort von Mombasa besucht, da herrschte noch relative Ruhe. Doch seitdem hat sich alles verändert. Und nun verlangt die Regierung Kenias sogar die Schließung des Heimes, das Friedrich seit 2011 mit ihrem Oldenburger Verein „Little Angel“aufgebaut hat.
Im ständigen Kontakt
Mit den Helfern vor Ort steht die Oldenburgerin in täglichem Kontakt. Sie sind alle in großer Angst und Sorge. Die Grenzen wurden am vergangenen Freitag geschlossen, auch für den Flugverkehr. Viele Flüge von deutschen Urlaubern wurden gestrichen und sie warten auf das Rückholprogramm der Bundesregierung, berichtet die 47-Jährige.
Auch alle Schulen, Berufsschulen und Universitäten sind bereits vor zwei Wochen geschlossen worden, und das Ministerium hat eine Aufforderung an das Waisenheim geschickt, es ebenfalls zu schließen. „Alle Kinder sollten zu Verwandten nach Hause geschickt werden. Die Vollwaisen haben zwar Onkel oder Tante, bei denen sie unterkommen können. Die Problematik bei diesen Familien ist nur, dass sie alle sehr arm sind. Daher sind die Kinder auch in der www.pius-hospital.de
Obhut des Waisenheimes“, beschreibt Anja Friedrich die dramatische Lage.
Sorge ums Wohlergehen
Dabei ist das Wohlergehen der Kinder ihre größte Sorge. Kurzfristige Lebensmittellieferungen in die Familien wurden organisiert, damit zumindest die Grundversorgung gesichert ist. Der eigentliche Auftrag des gemeinnützigen Vereins „Little Angels“, für Bildung/Ausbildung und Hilfe zur Selbsthilfe zu sorgen, tritt zurzeit in den Hintergrund. In dieser Krisensituation schwenkt der Verein um und hilft in direkten Notsituationen vielen Familien mit Lebensmitteln. Die Haushalte werden auch mit Seife ausgestattet. Für viele Familien ist das Benutzen von Seife keine Selbstverständlichkeit. Priorität eins besitzt für sie das Beschaffen beziehungsweise der Kauf von Nahrungsmitteln.
Was Friedrich noch sehr beunruhigt, sind Berichte über Krawalle. Bei Versammlungen soll die Polizei eingeschritten sein und hart durchgegriffen haben. „Auch an der Likoni
Fähre gab es Zwischenfälle“, schreibt sie weiter. Mit dieser Verbindung müssen Tausende von Menschen jeden Tag von Likoni in die Stadt Mombasa zur Arbeit pendeln. Abstand halten sei in dem Gedränge kaum möglich.
In der Stadt Mombasa seien die Bewohner zudem gebeten worden, an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit in ihren Häusern zu bleiben, da aus mehreren Helikoptern heraus Desinfektionsmittel über die Stadt verteilt worden seien. Friedrich: „Die medizinische Versorgung ist nicht annähernd mit der in Europa zu vergleichen.“
Doch es gibt auch gute Nachrichten. So hat sich die Heuschrecken-Plage in Kenia zwar ausgebreitet, die Küstenregion und somit die Farm des Waisenheimes blieben bisher aber verschont. Und: Im Januar konnte ein Jugendlicher in einer Highschool (Internat) eingeschult werden, um die weiterführende Schule zu besuchen. Diese beginnt nach der 8. Klasse und folgt auf den Primary Abschluss. Der Junge ist bereits 19 Jahre alt, Vollwaise und freut sich riesig über die Möglichkeit, einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen. Das Highschool-Internat kostet laut Anja Friedrich rund 500 Euro pro Jahr. Ein anderer Jugendlicher, der Halbwaise ist, erhielt aufgrund der Noten keine Zulassung. Für ihn fand der Verein die Möglichkeit, eine Berufsschule zu besuchen, damit er zum Maurer ausgebildet werden kann. Zudem gibt es noch einen weiteren Jungen aus einer sehr armen Familie, der nun ebenfalls eine Berufsausbildung zum Maurer beginnt. Solch eine Ausbildung inklusive Unterkunft und Verpflegung kostet rund 800 Euro im Jahr und ist für viele Familien daher unerschwinglich.
Ausbildung kostet Geld
Friedrich: „Es gibt keine duale Ausbildung wie in Deutschland, sondern nur schulische (kostenpflichtige) Ausbildungen. Zum ersten Mal konnten zwei junge Männer, die der Verein unterstützt, an der Uni Mombasa ihr Studium beginnen. „Dies war ein besonderes Erlebnis, da es die ersten Schützlinge aus dem Waisenheim sind, die aufgrund ihrer guten Noten ein Studium aufnehmen konnten. Der eine studiert Marine-Ingenieurwesen und der andere Elektrotechnik,“berichtet die Bloherfelderin. Ohne Hilfe des Vereins wäre das niemals möglich gewesen.
Der Verein „Little Angel“betrachtet mit Sorge, wie sich die Pandemie in Kenia entwickelt. Die Kenianer sagen: „Es bleibt nur hoffen und beten.“
Kontakt: Facebook, Verein Little Angel e.V.; Instagram, littelangel.e.v. oder
@ www.kenia-little-angel.de