Nordwest-Zeitung

Oldenburge­r Lauf-Ass harrt an US-Uni aus

Wie Bonnie Andres in Louisiana die wachsende Krise verfolgt

- VON BERND TEUBER UND JAN ZUR BRÜGGE

Bonnie Andres ist nicht wie viele andere Studierend­e vorzeitig abgereist, sondern will erst im Mai in die Heimat zurückkehr­en. Nur 300 Kilometer entfernt entwickelt sich New Orleans zu einem Corona-Hotspot.

OLDENBURG – Während sich die USA zum neuen Corona-Hotspot in der Welt entwickelt haben und sich die Lage speziell in New York zuspitzt, verfolgt Bonnie Andres rund 2100 Kilometer südwestlic­h in Lake Charles, wie sich die Situation entwickelt. Oldenburgs schnellste Läuferin, die seit rund einem halben Jahr an der McNeese State University im US-Bundesstaa­t Louisiana am Golf von Mexiko studiert, hat sich anders als viele Kommiliton­innen und Kommiliton­en gegen eine Abreise entschiede­n und harrt an der Uni aus.

„Panik geschoben“

„Einige haben, als sie gehört haben, dass im eigenen Land die Grenzen dicht gemacht werden, Panik geschoben“, berichtet die 19-Jährige, die im September 2019 nach Lake Charles gegangen war, um dort „Health and Human Performanc­e-Exercise Kinesiolog­y Concentrat­ion“(sinngemäß „Gesundheit­s-, Trainingsu­nd Bewegungsw­issenschaf­ten“) zu studieren und für die Leichtathl­etik-Mannschaft der Uni zu starten.

Die aktuelle Saison unter der Regie der National Collegiate Athletic Associatio­n (NCAA) ist für die Oldenburge­rin nun beendet, ehe sie überhaupt so richtig begonnen hatte. Eigentlich sollte am 14. März der erste Bahnwettka­mpf stattfinde­n, wurde aber keine 48 Stunden zuvor abgesagt. Bis dahin hatte die Oldenburge­rin mit ihrer Gruppe noch ganz normal trainiert. Das letzte Mal noch am Donnerstag­morgen.

„Ich bin noch ganz normal aufgestand­en und zum Training gegangen. Danach haben wir uns über unseren ersten Wettkampf am Samstag unterhalte­n“, erzählt Andres: „Aber dann kamen über den Tag verteilt immer mehr Meldungen. Erst, dass der Wettkampf abgesagt wird – dann, dass bis zum 30. März erstmal alles gecancelt ist – und zum Abschluss, dass die NCAA die Meister

schaften abgesagt hat, womit dann unsere Saison sozusagen zu Ende ist.“

Semester online gestellt

Viele Mitstudier­ende sind vorzeitig nach Hause gereist, während die 19-Jährige, die gerade Vierte bei der Wahl der Oldenburge­r Sportlerin des Jahres 2019 wurde, wie geplant erst Ende Mai zurück nach Deutschlan­d kommen möchte. „Zwischen Donnerstag und Montag ging alles so schnell. Meine Zimmerpart­nerin entschied Samstagabe­nd um 21 Uhr, dass es vielleicht besser sei, nach Hause zu fliegen. Am Sonntag um 7 Uhr war sie dann weg“, berichtet Andres: „Jeden Tag hat uns jemand anderes verlassen.“

Da derzeit keine Vorlesunge­n laufen, wurde das komplette Semester online gestellt. Mittlerwei­le harrt Andres allein in ihrem Apartment im Studenten-Wohnheim aus: „Die Cafeteria hat zwar noch offen, aber die verpacken

einem das Essen, und man nimmt es mit.“

Persönlich­e Kontakte gibt es in „meiner kleinen Gruppe, die ich noch regelmäßig treffe“, erzählt Andres: „Aber wir sehen halt immer nur uns. Kontakt zu anderen oder der Außenwelt haben wir so gut wie überhaupt nicht. Wenn einer von uns betroffen ist, dann schwirrt das Virus jetzt innerhalb unserer Gruppe rum, aber ich denke und hoffe mal nicht.“

Auf dem leeren Campus

Die meiste Zeit hält sich die Oldenburge­rin auf dem fast leeren Campus auf. „Wie in Deutschlan­d dürfen wir zum Laufen, Spazieren und Einkaufen raus. Aber einkaufen müssen wir auch nicht so oft, da wir ja auf dem Campus verpflegt werden“, berichtet Andres, die bei den seltenen Supermarkt-Besuchen Zeugin von Hamsterkäu­fen wurde. Klopapier und Wasser sei zeitweise knapp gewesen. Einmal habe sie beobachtet, wie eine Frau 180 Eier gekauft habe.

Ablenkung bekommt Andres durch ihr regelmäßig­es Training. „Als Läufer hat man es einfach. Wenn ich laufen will, kann ich das ja noch. Unser Sport leidet ja am wenigsten unter all den Einschränk­ungen“, meint Andres und ergänzt: „Ich gehe auch so gut wie jeden Tag ein paar Kilometer laufen. Das Wetter ist hier gerade super, wie im Sommer – und es ist für mich wie eine Flucht aus dem Corona-Wirbel.“

Für das nächste Semester möchte sich die Oldenburge­rin ein eigenes Apartment nehmen. „Ich hoffe, im August alle wiederzuse­hen“, sagt die 19-Jährige: „Irgendwann wird es besser sein – und dann können wir auch wieder Wettkämpfe laufen.“

Hoffnung und Zuversicht

Mit Sorge verfolgen die Menschen in Lake Charles, dass auch das nur rund 300 Kilometer entfernte New Orleans, wo noch Ende Februar der Karneval zelebriert wurde, zum großen Corona-Hotspot wird. Ihren Optimismus will Andres in der weltweiten Krise aber nicht verlieren: „Ich komme mit dem Gedanken so weit klar. Ich hoffe einfach, dass möglichst viele Menschen gesund bleiben.“

Wenn einer von uns betroffen ist, dann schwirrt das Virus jetzt innerhalb unserer Gruppe rum.

Ich gehe so gut wie jeden Tag laufen – und es ist für mich wie eine Flucht aus dem Corona-Wirbel.

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BILDER: BONNIE ANDRES Selfies auf dem leeren Campus: Bonnie Andres hat sich anders als viele Mitstudier­ende dazu entschloss­en, an der McNeese State University zu bleiben
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