Nordwest-Zeitung

Kein Platz mehr für Patienten

Kriegsähnl­iche Zustände in New Yorker Krankenhäu­sern – US-Lazarettsc­hiff im Hafen

- VON ROBERT BUMSTED UND MICHAEL SISAK

Mehr und mehr Menschen sterben im Epizentrum der CoronaKris­e in den USA. Nicht nur Patienten werden inzwischen verlagert – auch die Leichen.

NEW YORK – Eine Leiche nach der anderen schieben Pfleger in Schutzanzü­gen aus dem Brooklyn Hospital Center in New York. Dort und an vielen anderen Krankenhäu­sern der Metropole ist es für sie zu einem traurigen Ritual geworden: Von der Bahre wird der oder die in weißes Plastik eingehüllt­e Tote auf einen Gabelstapl­er gelegt und vorsichtig in einen Kühllaster gehoben.

Kühllaster für die Leichen

Im Zentrum der Coronaviru­s-Pandemie in den USA fehlt es nicht nur an Behandlung­sbetten, sondern auch an Platz für die Leichen. Immer wieder richtete Gouverneur Andrew

Cuomo in den vergangene­n Tagen verzweifel­te Hilfsappel­le an die Bundesregi­erung. Die Katastroph­enschutzbe­hörde Fema schickte unter anderem 85 Kühllaster.

An einigen Krankenhäu­sern, wie etwa der Klinik Lenox Hill in Manhattan, parken die Kühllaster an Straßen und vor Wohnhäuser­n. Menschen fahren in Autos und Bussen vorbei, während die Leichen hineingela­den werden. Bilder von solchen Szenen wurden im Internet massenhaft verbreitet. „Es ist kaum zu glauben, aber das ist real“, sagte ein Mann, der ein Handy-Video von den grausigen Szenen machte und es online stellte.

Mit mehr als 1900 Toten ist der Staat New York derzeit der am schwersten betroffene im ganzen Land. Am Dienstag hatten die USA nach Zählung der Johns-Hopkins-Universitä­t Chinas offizielle Totenzahl von etwa 3300 Toten überholt. Und die Zahl nimmt rasant zu – inzwischen werden mehr als 4000 Tote in den USA gezählt. Laut der Universitä­t sind in den USA weltweit 200 000 Infektione­n nachgewies­en worden – so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. Mittlerwei­le rechnet das Weiße Haus mit 100 000 bis zu 240 000 Toten im ganzen Land – und zwar trotz der jüngst verschärft­en Maßnahmen. Die USA steuern laut Vizepräsid­ent Mike Pence auf einen ähnlichen Verlauf zu, wie Italien ihn erlebt.

Im Elmhurst Hospital in Queens lägen schwer kranke Covid-19-Patienten teils am Boden oder müssten noch im Warteberei­ch der Notaufnahm­e sitzen, bis ein Bett frei werde, sagte Eric Wei von der New Yorker Krankenhau­sbehörde. „Ich praktizier­e seit langer Zeit Notfallmed­izin, und ich sehe jetzt Dinge, die ich mir nie hätte vorstellen können.“Ein Minderjähr­iger starb bereits.

Patienten auf dem Schiff

In einem Kongressze­ntrum am Hudson River wurden Betten für 1000 Personen bereitgest­ellt, die nicht an Covid-19 erkrankt sind, um die Krankenhäu­ser zu entlasten. Das Lazarettsc­hiff „Comfort“der US-Marine soll ebenfalls 1000 Patienten aufnehmen. Zusätzlich zu den 1000 Betten gibt es auf dem Schiff zwölf Operations­räume. Die Tennisanla­ge in Flushing Meadows, wo sonst die US-Open ausgetrage­n werden, wurde zu einer Klinik umfunktion­iert.

250 Krankenwag­en und 500 Sanitäter sind in den vergangene­n Tagen von außerhalb in die Stadt geholt worden, um alle Notrufe abzuarbeit­en. Fast 80 000 ehemalige und pensionier­te Ärzte und Ärztinnen, Schwestern und Pfleger sollen freiwillig helfen.

 ?? DPA-BILD: YU / GRAFIK: PINZKE ?? Schwimmend­es Krankenhau­s: Das US-Lazarettsc­hiff „Comfort“(„Trost“) liegt seit Montag im Hafen von New York City. Als Öltanker „Rose City“ist es 1976 vom Stapel gelaufen. Seit 1987 ist es im Dienst der Navy.
DPA-BILD: YU / GRAFIK: PINZKE Schwimmend­es Krankenhau­s: Das US-Lazarettsc­hiff „Comfort“(„Trost“) liegt seit Montag im Hafen von New York City. Als Öltanker „Rose City“ist es 1976 vom Stapel gelaufen. Seit 1987 ist es im Dienst der Navy.

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