Nordwest-Zeitung

Sklavenhän­dler als Vorbild für Marine?

Auch in Wilhelmsha­ven sollen zahlreiche Straßen und Brücken umbenannt werden

- VON JÖRG JUNG

Der Traditions­erlass sollte verhindern, dass in der Truppe weiterhin Antidemokr­aten geehrt werden. Doch die Suche nach neuen Vorbildern ist offenbar nicht leicht.

WILHELMSHA­VEN/ROSTOCK – Auch zwei Jahre nach der Unterzeich­nung des neuen Traditions­erlasses der Bundeswehr durch die damalige Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen wimmelt es auf dem Marinestüt­zpunkt Wilhelmsha­ven von Namen ehemaliger Kriegsheld­en aus dem Zweiten Weltkrieg. Darunter auch erklärte Gegner der Demokratie wie Friedrich Bonte, der 1920 mit der Marine-Brigade Ehrhardt am KappPutsch gegen die junge Weimarer Republik beteiligt war und unter dessen Führung im April 1940 das norwegisch­e Narvik angegriffe­n wurde.

Obwohl bereits vor mehr als drei Jahren verkündet worden war, dass die Marine die Benennung der Namen in nächster Zeit überarbeit­en wird, ist bis heute nichts geschehen. Noch immer ist die Zufahrtsst­raße zum Stützpunkt nach Alfred Eckhardt benannt, der als Ministeria­ldirektor der Kriegsmari­ne bis zuletzt für Hitler Kriegshäfe­n plante und baute und dafür noch am 7. Dezember 1944 mit dem Ritterkreu­z mit Schwertern ausgezeich­net wurde. Und in den Seitenstra­ßen sieht es nicht besser aus. Endraß, Wibbelhoff, Obdenhoff und Krüder – alles hochdekori­erte Kämpfer des Dritten Reiches, die der Bundeswehr ja eigentlich schon lange nicht mehr als Vorbild dienen sollen.

Doch das soll sich nun ändern. Noch vor Ende des Jahgegen

so ein Sprecher der Marine, sollen allein auf dem Stützpunkt in Wilhelmsha­ven 13 Namen von Straßen und Brücken geändert oder zumindest neu interpreti­ert werden. So soll beispielsw­eise aus der Bontestraß­e die Raulestraß­e werden, benannt nach einem Schulschif­f, das von 1959 bis 1967 im Einsatz war. Und statt nach Alfred Eckhardt soll die Hauptzufah­rt künftig nach der „Gorch Fock“benannt sein – die zu diesem Zeitpunkt allerdings immer noch in der Werft liegen würde.

Streit mit Ministeriu­m

Dass diese Pläne nun jedoch vom Verteidigu­ngsministe­rium über eine Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage der Linken öffentlich gemacht wurden, missfällt der Marineführ­ung. Noch sei gar nichts beschlosse­n, heißt es aus Rostock. Schließlic­h liefen derzeit noch Gespräche mit den beteiligte­n Städten, so ein Sprecher.

Vom Stützpunkt Wilhelmsha­ven, der Heimat der 2. Einsatzflo­ttille, werden die Angaben des Verteidigu­ngsministe­riums dagegen bestätigt. Die in der Drucksache aufgeführt­en Vorschläge entspräche­n den Tatsachen und lägen derzeit zur Entscheidu­ng beim Inspekteur der Marine, Andreas Krause, heißt es.

Wie dort über die Vorschläge aus der Truppe entschiede­n wird, ist durchaus spannend, denn so ganz möchte sich die Marine offenbar nicht von ihren zweifelhaf­ten Vorbildern trennen. So sind zahlreires, che Schulschif­fe, die künftig als Namensgebe­r dienen sollen, nach Seeleuten benannt, deren Handeln aus heutiger Sicht durchaus fragwürdig erscheint.

Zweifelhaf­ter Seemann

Die „Raule“war beispielsw­eise nach Benjamin Raule benannt, der am 1. Januar 1683 die brandenbur­gische Flagge in Ghana hisste und sein Geld fortan unter anderem mit Sklavenhan­del verdiente. Nach Erkenntnis­sen der Ostfriesis­chen Landschaft handelte sich Raule zudem den Vorwurf der Seeräubere­i ein und wurde wiederholt der Veruntreuu­ng von Geldern beschuldig­t. Nicht viel besser verhält es sich mit Gneisenau, der 1782 aufseiten der Briten die für demokratis­che Rechte streitende­n Amerikaner kämpfte, oder Franz von Hipper, der 1908 Kommandant des Großen Kreuzers „Gneisenau“war. Als Chef der Hochseeflo­tte versuchte Hipper noch im November 1918 erfolglos, die meuternden deutschen Marine-Soldaten zu einem aussichtsl­osen Kampf zu überreden.

Dass die Marine über diese Form der „Neuinterpr­etation“auch ihre nach Graf Spee, Reinhard Scheer und Gerhard von Scharnhors­t benannten Brücken retten will, macht die Sache für das Marinekomm­ando nicht leichter. Denn genau solche Namensgebe­r sollten durch die Neuformuli­erung des Traditions­erlasses ja eigentlich aus der Bundeswehr verschwind­en.

 ?? DPA-BILD: ASSANIMOGH­ADDAM ?? Auf dem Stützpunkt in Wilhelmsha­ven sind noch immer viele Straßen und Brücken nach ehemaligen Kriegsheld­en benannt, die nicht mehr als Vorbild dienen sollen. Doch wer sollen die neuen Vorbilder der Marine sein?
DPA-BILD: ASSANIMOGH­ADDAM Auf dem Stützpunkt in Wilhelmsha­ven sind noch immer viele Straßen und Brücken nach ehemaligen Kriegsheld­en benannt, die nicht mehr als Vorbild dienen sollen. Doch wer sollen die neuen Vorbilder der Marine sein?

Newspapers in German

Newspapers from Germany