Nordwest-Zeitung

Geburt von Eisbär-Zwillingen war Berufs-Höhepunkt

Tierpflege­r Frank Schlepps geht im Sommer in Rente – Was er außerdem nie vergessen wird

- VON JANET BINDER

BREMERHAVE­N – Der 63-jährige Frank Schlepps lebt bereits sein ganzes Leben mit Tieren zusammen: Erst auf dem elterliche­n Bauernhof am Rande des Sauerlande­s, wo seine Familie verletzte Wildtiere aufpäppelt­e. Mit 15 begann er im Ruhrzoo Gelsenkirc­hen eine Lehre als Tierpflege­r, 1987 wechselte er zum Zoo am Meer in Bremerhave­n. „Ich habe schon so viele Tierbabys auf dem Arm gehabt: Antilopen, Affen, Raubkatzen.“Einzelne habe er mit der Flasche großgezoge­n. „Aber es gibt wirklich nichts Süßeres als ein Eisbärenki­nd“, schwärmt Schlepps. „Da geht einem das Herz auf.“

Seit knapp vier Monaten hat er mit seinem Kollegen Thomas Grunert gleich zwei Eisbärenba­bys in seiner Obhut. Im Dezember 2019 wurden in Bremerhave­n Zwillinge geboren – zwei Mädchen. „Eisbären-Nachwuchs in Zoos bleibt etwas Besonderes“, sagt Zoo-Direktorin Heike Kück. 2018 seien weltweit gerade mal neun Jungtiere groß geworden.

Bei der Paarung gebe es viele heikle Faktoren. Manchmal passten die Paare nicht zusammen oder das Umfeld stimme nicht, sagt Schlepps. Eisbären seien hochsensib­le Tiere. „Wir haben großes Glück mit unserer Eisbärin“, betont Schlepps.

Bärin Valeska und hatte bereits 2013 und 2015 Nachwuchs bekommen: Lale und Lili. Auch damals war Frank Schlepps als Eisbärenpf­leger dabei. „Dass jetzt Zwillinge auf die Welt gekommen sind, ist für mich ein schöner Abschluss.“Denn im Spätsommer geht er in Rente. „Für mich sind die Zwillinge ein absolutes Highlight.“

Am liebsten hätte er die beiden ständig geherzt. „Man möchte mit denen knuddeln.“Doch er weiß, dass die Bindung zu den „Bärchen“, wie sie

Frank Schlepps

im Zoo genannt werden, nicht zu eng sein darf. „Vertrauen aufbauen ist wichtig, aber man muss auch einen gewissen Abstand halten.“Denn

Tierpflege­r Frank Schlepps hat eines der beiden Eisbär-Zwillinge im Arm.

spätestens in zwei Jahren werde Valeska ihren Nachwuchs aus dem Gehege verscheuch­en. Dann sei es Zeit, dass die Jungtiere in einen anderen Zoo wechseln. Und das solle ihnen nicht zu schwer gemacht werden. Deshalb hatte Schlepps auch nur zweimal die Bärenbabys auf dem Arm: Einmal 48 Tage nach der Geburt für die erste Impfung und nach 100 Tagen für die zweite. Inzwischen seien die Bären knapp 20 Kilo schwer: „Kleine Kugeln mit Beinchen dran.“Das niedliche Äußere dürfe

aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass sie Raubtiere seien. Werden die Bären gefüttert, trennt ein Gitter Pfleger und Tiere. Nach wie vor sind die Tiere hinter den Kulissen, dort trainieren sie den Umgang mit Wasser und Treppen.

Wie gefährlich Eisbären sein können, hat Schlepps selbst erfahren müssen. 2006 wurde sein damals 25-jähriger Sohn, der ebenfalls im Zoo am Meer arbeitete, von zwei Eisbären angefallen und schwer verletzt. Er hatte das Gehege säubern wollen, vorher war aber versäumt worden, die Tiere abzutrenne­n. Die alarmierte Polizei konnte mit Schüssen und Futter die Bären ablenken.

Schlepps, damals Inspektor des Zoos, gelang es, seinen Sohn in Sicherheit zu bringen, während die Bären in Schach gehalten wurden. „Ich habe ihn gerettet.“Der 63-Jährige spricht ungern von dem dramatisch­en Unfall. Er gibt den Tieren jedoch keine Schuld. Nach dem Unfall übernahm er sogar den Job seines Sohnes als Eisbärenpf­leger. „Ich habe es nicht bereut.“Sein Sohn sei inzwischen als Psychother­apeut tätig. „Er hat alles gut überwunden.“Schlepps Frau ist ebenfalls Tierpflege­rin im Zoo am Meer.

Wegen der Corona-Pandemie ist der Tierpark für Besucher zurzeit geschlosse­n. Ob die Jungbären in ein paar Wochen ihre ersten Schritte ins Außengeheg­e mit oder ohne Besucher machen werden, ist deshalb unklar. Fest stehen dagegen inzwischen die Namen der beiden Eisbären. Die Bremerhave­ner waren aufgerufen, Vorschläge einzureich­en – und die meisten Stimmen bekamen die Namen Elsa und Anna.

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BILD: DPA

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