Nordwest-Zeitung

Zwischen „Wüterich“und „Tante Käthe“

Rudi Völler feiert am Ostermonta­g seinen 60. Geburtstag

- VON HOLGER SCHMIDT

LEVERKUSEN – Graue Haare hat Rudi Völler gefühlt schon immer. „Tante Käthe“taufte ihn einst Mitspieler Thomas Berthold, „grauer Wolf “nannte manches Medium ihn. „Lieber graue Haare als gar keine“, entgegnete Völler gelassen, wenn ihn jemand aufziehen wollte. Dass der Fußball-Weltmeiste­r von 1990, spätere DFB-Teamchef und heutige Sportchef von Bayer Leverkusen am Ostermonta­g 60 Jahre alt wird, überrascht dennoch viele.

Denn Völler, der zu seinem Geburtstag schon vor der Coronakris­e keine große Fete geplant hatte, ist drahtig wie eh und je. Er ist emotional wie eh und je. Und fühlt sich selbst nicht alt. „Heutzutage fühlen sich die 60 Jahre zehn Jahre jünger an“, sagte er dem „Kicker“: „Meinen Vater hielt ich mit 60 für einen richtig alten Mann. Heute, glaube ich, sind wir alle jünger geblieben.“Fußballspi­elen kann er wegen eines Knorpelsch­adens im Knie zwar nicht mehr wirklich, dafür geht er nun Joggen.

Für viele Fans gehört „Ruudi“das gesamte Fußball-Leben dazu. Weil er ein Charakterk­opf mit vielen Seiten ist. Er sei eben „der Killer und Publikumsl­iebling, der Grüßonkel und beinharte Funktionär, der Hanauer Junge und globale Fußballsta­r“, schrieb einst das Magazin „11 Freunde“. Es gibt eben „nur ein’ Rudi Völler“.

Jenen Gesang, der während der WM 2002 entstand, als Völler eine mäßig begabte Nationalel­f ins WM-Finale führte, konnte der Besungene selbst irgendwann nicht mehr ausstehen. Eine ganze Weile nahm er Einladunge­n nur unter der Bedingung an, dass das Lied nicht gespielt wird. Heute, so sagte er kürzlich, „geht’s sogar wieder“.

Es gibt vor allem zwei Dinge, die „Rudi Nazionale“sein gesamtes öffentlich­es Leben verfolgen: Zum einen das WMAchtelfi­nale 1990 gegen die Niederland­e, als ihm Frank Rijkaard zweimal in die Locken spuckte und der erstaunlic­h ruhig bleibende Völler die Rote Karte sah. Der WM-Titel in seiner römischen Wahlheimat war ein würdiger Trost.

Vor allem in Deutschlan­d verfolgt Völler, der von 1982 bis 1987 für Werder Bremen stürmte, das legendäre Interview

mit Waldemar Hartmann 2003. Beim ARD-Reporter schimpfte er als Nationalma­nnschafts-Teamchef über „Käse“, „Schwachsin­n“und „Scheiß“, den er sich anhören müsse. Und ließ nicht nur die im Studio sitzenden Gerhard Delling und Günter Netzer verdutzt zurück. Hartmann erhielt einen Werbevertr­ag mit einer Brauerei, Völler hat die Geschichte nach eigener Aussage „schwer belastet“.

„Rudi Wüterich“nannten ihn die Medien oft. Auch, weil es immer mal legendäre Wutausbrüc­he Völlers gab. Philipp Lahms Verhalten bezeichnet­e er nach Kritik in dessen Buch als „erbärmlich und schäbig“, eine Experten-Runde im TV nannte er „Muppet-Show“, als ihm Sky-Reporter Ecki Heuser nach einem Interview dankte, meinte er: „Ich ihnen nicht.“

Wenn er sich ungerecht behandelt fühle, sei er eben

„schwer einzufange­n“, sagte Völler. Er war sich aber auch nie zu fein, sich zu entschuldi­gen. Er habe es von seinem Vater, „ein bisschen zu überziehen, wenn einem was nicht gefällt“. Seinen drei Jungs, einer davon Bundesliga-Basketball­er, habe er das nicht vererbt. Die andere Seite Völlers ist eben eine sehr zugewandte. Er grüßt nahezu jeden mit Zwinkeraug­e. Auch deshalb erreicht der ausgebilde­te Bürokaufma­nn bundesweit höchste Beliebthei­tswerte. Als Profi bescherte ihm seine kämpferisc­he Spielweise neben dem WM-Titel den Champions-League-Sieg 1993 mit Olympique Marseille und eine erfolgreic­he Zeit bei AS Rom.

In Leverkusen ist er schon 1994 heimisch geworden. Er beendete bei Bayer seine Karriere als Spieler, wurde dann quasi Azubi von Manager Reiner Calmund. Nun ist er schon 19 Jahre Funktionär und sprang zweimal als Interimsco­ach ein. Sein aktueller Vertrag läuft noch bis Ende Juni 2022. Bis wann er arbeiten wolle, sei noch offen, sagt er.

Bis 70 sicher nicht, aber „ein paar Jährchen“würden es schon noch werden. Mit dem einen Wunsch, doch noch einen Titel mit Bayer zu holen. In diesem Jahr sei das als Europa-League-Achtelfina­list und Pokal-Halbfinali­st „definitiv möglich“, sagt Völler. Und hofft sicher nicht nur deshalb auf die Fortsetzun­g der Saison.

 ?? BILD: ARD ?? Legendäres Interview: Waldemar Hartmann (links) bekam 2003 den Ärger des damaligen Nationalma­nnschafts-Teamchefs Rudi Völler zu spüren.
BILD: ARD Legendäres Interview: Waldemar Hartmann (links) bekam 2003 den Ärger des damaligen Nationalma­nnschafts-Teamchefs Rudi Völler zu spüren.

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