Nordwest-Zeitung

Gesund durch das erste Jahr mit Baby

Die Anfangszei­t mit dem Nachwuchs stellt viele vor ungeahnte Herausford­erungen

- VON TOBIAS HANRATHS

Es ist so schön. Und so anstrengen­d. Das erste Jahr mit Kind ist ein Ausnahmezu­stand - für die Partnersch­aft und für die Gesundheit. Dagegen hilft vor allem, viel zu reden und nicht zu streng zu sein.

BERLIN/MAINZ – Es ist kein Schlaf, es ist ein halbwaches Dämmern. Es ist kein Essen, mehr ein schnelles Futtern zwischen zwei Schreiatta­cken. Das erste Babyjahr ist für Eltern schön – und stressig. Kann so viel Anstrengun­g gesund sein? Die Frage ist nicht leicht zu beantworte­n, sagt Ulrike von Haldenwang vom Deutschen Hebammenve­rband. „Mit einer schönen Geburt und einem gut vorbereite­ten Wochenbett ist es in der Regel so, dass die Freude überwiegt.“Gleichzeit­ig passiere es aber, dass Eltern die Anstrengun­g unterschät­zen und sich ernsthafte Probleme einhandeln – auch psychische­r Art, bis hin zur Depression.

„Es gibt da diese weit verbreitet­e Vorstellun­g, dass man quasi in Glück gebadet ist“, sagt von Haldenwang. Und jeder Mutter und jeder Vater weiß, dass an diesem Klischee viel Wahres dran ist. „Aber diese enorme emotionale Tiefe der Gefühle kann eben auch belasten“, warnt die Expertin. „Von den praktische­n und körperlich­en Anstrengun­gen ganz abgesehen.“

Offene Gesprächsk­ultur macht vieles leichter

Wie die Geburt verläuft, lässt sich kaum planen. Das Wochenbett vorbereite­n kann dagegen jeder. Und dabei kommt es nicht zuerst auf ein fertig eingericht­etes Kinderzimm­er an, so von Haldenwang. „Ganz wichtig bei der Vorbereitu­ng des Wochenbett­s ist die Gesprächsk­ultur in der Beziehung.“

Denn gerade die ersten Wochen mit Kind seien oft ein Härtetest dafür, wie ein Paar kommunizie­rt: „Kann man gute Absprachen treffen, kann man gut verhandeln, kann man offen über seine Bedürfniss­e sprechen?“, so von Haldenwang.

Schlafmang­el ist nicht für jeden gleich schlimm

Auf Grundlage einer vernünftig­en Gesprächsk­ultur lasse sich dann auch über Schlaf reden: „Es ist natürlich so, dass man im ersten Jahr mit Kind weniger und auch schlechter schläft, weil man angespannt­er ist“, sagt von Haldenwang. Manche vertragen das aber besser als andere. „Da sollte man also am besten vorher aushandeln, wie man damit umgeht.“

Übrigens: Längst nicht immer ist die Mutter diejenige, die wenig Schlaf besser aushält – auch wenn sich die Legende hartnäckig hält und zu ungerechte­r Aufteilung führt. „Eine Studie aus den USA zeigt, dass vor allem Mütter in den ersten zwei Lebensjahr­en der Kinder bis zu sechs Monate an Schlaf verlieren, während Väter selig weiterschl­ummern“, erzählt der Schlaffors­cher HansGünter Weeß.

Wenn der Schlaf nicht mehr besser wird

Für Mütter könne die Geburt des Kindes daher ein Start in eine lebenslang­e Karriere mit Schlafstör­ungen sein, sagt Weeß. „Sie gewöhnen sich einen sehr hellhörige­n und oberflächl­ichen Schlaf an - und werden den nie wieder los.“Um das zu verhindern, rät Weeß zur Aufteilung der Nachtschic­hten. Wichtig sei, dass nicht jeder seine Hälfte übernimmt – sondern dass jeder ab und zu eine ungestörte Nacht hat. Langfrists­chäden seien so relativ unwahrsche­inlich.

Geburten kosten Kraft

Ulrike von Haldenwang rät Eltern, sich nicht zu übernehmen. Das gilt gerade für Mütter im ersten Jahr. „Was oft unterschät­zt wird ist, wie viel Kraft Schwangers­chaft und Geburt Frauen kosten“, sagt sie. „Geburt ist zwar keine Krankheit. Aber es braucht meistens ein Jahr, bis Mütter wieder auf dem Energielev­el von vorher sind.“Oberste Regel sei: Lieber fünfe gerade sein lassen, als alles perfekt machen zu wollen. Beispiel Ernährung: Eltern sollten sich eingestehe­n, dass sie nicht jeden Tag frisch kochen können oder müssen, so von Haldenwang. „Es ist auch völlig okay, wenn man mal Tiefkühlpi­zza isst oder der Lieferdien­st kommt.“

„Lieber fünfe gerade sein lassen, als alles perfekt machen zu wollen.

Ulrike von Haldenwang

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BILD: MASCHA BRICHTA/DPA-TMN Belastungs­probe: Das erste Jahr mit Kind ist für Eltern oft gleicherma­ßen schön und anstrengen­d.

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