Gesund durch das erste Jahr mit Baby
Die Anfangszeit mit dem Nachwuchs stellt viele vor ungeahnte Herausforderungen
Es ist so schön. Und so anstrengend. Das erste Jahr mit Kind ist ein Ausnahmezustand - für die Partnerschaft und für die Gesundheit. Dagegen hilft vor allem, viel zu reden und nicht zu streng zu sein.
BERLIN/MAINZ – Es ist kein Schlaf, es ist ein halbwaches Dämmern. Es ist kein Essen, mehr ein schnelles Futtern zwischen zwei Schreiattacken. Das erste Babyjahr ist für Eltern schön – und stressig. Kann so viel Anstrengung gesund sein? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, sagt Ulrike von Haldenwang vom Deutschen Hebammenverband. „Mit einer schönen Geburt und einem gut vorbereiteten Wochenbett ist es in der Regel so, dass die Freude überwiegt.“Gleichzeitig passiere es aber, dass Eltern die Anstrengung unterschätzen und sich ernsthafte Probleme einhandeln – auch psychischer Art, bis hin zur Depression.
„Es gibt da diese weit verbreitete Vorstellung, dass man quasi in Glück gebadet ist“, sagt von Haldenwang. Und jeder Mutter und jeder Vater weiß, dass an diesem Klischee viel Wahres dran ist. „Aber diese enorme emotionale Tiefe der Gefühle kann eben auch belasten“, warnt die Expertin. „Von den praktischen und körperlichen Anstrengungen ganz abgesehen.“
Offene Gesprächskultur macht vieles leichter
Wie die Geburt verläuft, lässt sich kaum planen. Das Wochenbett vorbereiten kann dagegen jeder. Und dabei kommt es nicht zuerst auf ein fertig eingerichtetes Kinderzimmer an, so von Haldenwang. „Ganz wichtig bei der Vorbereitung des Wochenbetts ist die Gesprächskultur in der Beziehung.“
Denn gerade die ersten Wochen mit Kind seien oft ein Härtetest dafür, wie ein Paar kommuniziert: „Kann man gute Absprachen treffen, kann man gut verhandeln, kann man offen über seine Bedürfnisse sprechen?“, so von Haldenwang.
Schlafmangel ist nicht für jeden gleich schlimm
Auf Grundlage einer vernünftigen Gesprächskultur lasse sich dann auch über Schlaf reden: „Es ist natürlich so, dass man im ersten Jahr mit Kind weniger und auch schlechter schläft, weil man angespannter ist“, sagt von Haldenwang. Manche vertragen das aber besser als andere. „Da sollte man also am besten vorher aushandeln, wie man damit umgeht.“
Übrigens: Längst nicht immer ist die Mutter diejenige, die wenig Schlaf besser aushält – auch wenn sich die Legende hartnäckig hält und zu ungerechter Aufteilung führt. „Eine Studie aus den USA zeigt, dass vor allem Mütter in den ersten zwei Lebensjahren der Kinder bis zu sechs Monate an Schlaf verlieren, während Väter selig weiterschlummern“, erzählt der Schlafforscher HansGünter Weeß.
Wenn der Schlaf nicht mehr besser wird
Für Mütter könne die Geburt des Kindes daher ein Start in eine lebenslange Karriere mit Schlafstörungen sein, sagt Weeß. „Sie gewöhnen sich einen sehr hellhörigen und oberflächlichen Schlaf an - und werden den nie wieder los.“Um das zu verhindern, rät Weeß zur Aufteilung der Nachtschichten. Wichtig sei, dass nicht jeder seine Hälfte übernimmt – sondern dass jeder ab und zu eine ungestörte Nacht hat. Langfristschäden seien so relativ unwahrscheinlich.
Geburten kosten Kraft
Ulrike von Haldenwang rät Eltern, sich nicht zu übernehmen. Das gilt gerade für Mütter im ersten Jahr. „Was oft unterschätzt wird ist, wie viel Kraft Schwangerschaft und Geburt Frauen kosten“, sagt sie. „Geburt ist zwar keine Krankheit. Aber es braucht meistens ein Jahr, bis Mütter wieder auf dem Energielevel von vorher sind.“Oberste Regel sei: Lieber fünfe gerade sein lassen, als alles perfekt machen zu wollen. Beispiel Ernährung: Eltern sollten sich eingestehen, dass sie nicht jeden Tag frisch kochen können oder müssen, so von Haldenwang. „Es ist auch völlig okay, wenn man mal Tiefkühlpizza isst oder der Lieferdienst kommt.“
„Lieber fünfe gerade sein lassen, als alles perfekt machen zu wollen.
Ulrike von Haldenwang