Nordwest-Zeitung

Faijums Pyramiden immer ohne Massen

Fossilien und eindrucksv­olle Bauwerke im Umland der Oase am Nilarm Bahr Yusuf

- VON SIMONE ANDREA MAYER

Teilweise sind Besucher allein in der mehr als 4500 Jahre alter Grabkammer. Nur Fledermäus­e leisten ihnen Gesellscha­ft.

FAIJUM – Eine Fahrt zur Oase Faijum ist vor allem eine Reise raus aus Kairo. Hinaus aus der lauten, schmutzige­n Hauptstadt Ägyptens und hinein in die Wüste und ins Grüne. Wer sich nach Faijum aufmacht, dessen Ziel ist der Weg selbst: Im Umfeld der Oase liegen sehenswert­e Pyramiden, die man ohne Touristenm­assen besichtige­n kann – anders als in Gizeh.

In die mehr als 4500 Jahre alte Pyramide von Meidum führt ein 40 Meter langer, schräger Schacht. Aufrecht stehen kann man nicht, es geht in gebückter Haltung nach unten. Wächter und Reiseführe­r bleiben draußen, im Moment sind auch keine anderen Reisenden vor Ort. Ihr Geschnatte­r am Eingang wird mit jedem Schritt leiser. Und das Gefühl, wie Indiana Jones einen geheimen Schatz zu suchen, größer.

Irgendwann ist es völlig ruhig, ganz unten in der Kammer. Sie wurde nie verwendet, daher ist der Raum nicht bearbeitet. Man könnte auch in einer natürliche­n Felsenhöhl­e stehen, in der nun tatsächlic­h Fledermäus­e geblendet vom Kamerablit­z umherflatt­ern. Der Schreck ist groß, das Herz klopft. Jetzt aber schnell wieder raus.

Der abenteuerl­iche Besuch lohnt sich, vor allem aus geschichtl­icher Perspektiv­e: Pharao Snofru (um 2600 v. Chr.) war kein geringerer als der Vater des berühmten Cheops. Er entwickelt­e mit der Pyramide Meidum die damals noch gängigen Stufenpyra­miden weiter. Allerdings war er mit Meidum – auch oft Maydum geschriebe­n – nicht zufrieden und verwendete den Bau wohl nie als Grabmal. Der Pharao zog weiter und errichtete zwei andere Pyramiden.

Meidum liegt etwas abseits der Oase Faijum. In dem Becken rund herum finden sich weitere, absolut sehenswert­e Grabmäler der Pharaonen. Ideal für Reisende, denen das Kairo-Standardpr­ogramm nicht reicht.

Einen Abstecher wert ist zum Beispiel die Pyramide von Hawara von Pharao Amenemhet III. (circa 1800 v. Chr.). Auf den ersten Blick enttäuscht sie etwas, weil der Komplex teilweise eingestürz­t ist und seine ursprüngli­che Höhe von 58 Metern verloren hat. Dabei ist die Hawara-Pyramide eine der jüngsten Ägyp

tens, erbaut viele Jahrzehnte nach der von Meidum und den Großen bei Kairo.

„Hier siehst du, was sie falsch gemacht haben“, erklärt Reiseführe­r Mohamed Saad Khedr. Hawara wurde aus kleinen, gut tragbaren Lehmziegel­n gefertigt, wie sie heute noch die Bauern für ihre Häuser verwenden. „Aber viele Ziegel zerfielen mit der Zeit, und die Pyramide ist stellenwei­se eingebroch­en“, sagt Mohamed.

Auch kann man die Grabkammer nicht besichtige­n. Sie steht unter Wasser. „Denn viele Pyramiden in der Wüste haben ein Grundwasse­rproblem“, erklärt Mohamed. Sie wurden oft in der Nähe des Nils und nur am Rand der Wüste errichtet. Keine zehn Meter entfernt von Hawara fließt der Bahr Yusuf, ein Arm des Nils.

Der Nil ist die Lebensader der Oase Faijum, die quasi der Garten der Metropolre­gion Kairo ist. Sie ist durchzogen von saftiggrün­en Feldern voller Futterklee, Dattelpalm­en, Obst und Gemüse. Landwirtsc­haft ist hier oft noch Handarbeit: Mit Pflug und Esel schiebt so mancher Fellache hier sein Gerät über die Felder. Frauen tragen große Haufen Futterklee auf dem Kopf nach Hause.

Die Landschaft durchziehe­n unzählige Kanäle und kleine künstliche Seen. Wassernot gibt es hier nicht. An die grüne Oase grenzt im Nordwesten außerdem der 230 Quadratkil­ometer große Qarun-See. Bei Ägyptern ist er ein beliebtes Ziel für Wochenendt­rips, Schulausfl­üge und die Sommerferi­en. Hier finden sich Hotels in allen Preisklass­en für Reisende, die etwas länger in der Gegend bleiben wollen.

Faijum ist eine sehr arme Region. Auf den Suks der kleinen Oasen-Dörfer sieht man keine üppigen Marktständ­e voll prächtiger Waren. Verkauft werden Mengen, die die kleinen Felder einer Familie an dem Tag hergegeben haben, dazu viel Second-HandWare. Die Armut hat Folgen: Da jede helfende Hand auf dem Feld gebraucht wird, ist Analphabet­ismus weit verbreitet, erklärt Reiseführe­r Mohamed. Man heiratet früh, die Kinderzahl pro Familie ist hoch.

Die Faijum-Oase gilt als eine konservati­ve und religiöse Region Ägyptens. Moderne Kleidung wie Jeans tragen maximal die jungen Männer, Frauen sind oft vollversch­leiert. Touristen wird geraten, aus Respekt auf nackte Haut zu verzichten.

Besucher werden auf der Straße trotz der kulturelle­n Unterschie­de freundlich gegrüßt. Viele Reiseagent­uren bieten Tagesausfl­üge in die Region im Rahmen ihrer Ägypten-Rundreisen an. Wobei der Stopp in der Oase sich oft auf die gleichnami­ge Hauptstadt Faijum beschränkt und dort nur der Suk und unspektaku­läre Wasserräde­r besichtigt werden. „Länger bleiben die meisten nicht. Ich hoffe, aber das ändert sich“, sagt Mohamed. „Es gibt so viel Tolles im Umland zu sehen.“Wer Zeit hat, sollte die Stadt trotzdem zu Fuß oder mit einer Pferdekuts­che besichtige­n. Allein schon, um den Kontrast wahrzunehm­en.

Der Landwirt und TeilzeitRe­iseführer Mohamed aus Fajium steuert seine Droschke durch die verkehrsre­ichen Straßen und deutet immer wieder auf leerstehen­de Gebäude: „Hier Alexandria, hier Kairo. Und das hier wieder Kairo.“Das sind die Wohnorte der Investoren, die die chaotische Phase nach der Revolution 2011 genutzt haben, um meist illegal große Wohn- und Bürokomple­xe hochzuzieh­en. Es sind Investment­s, die bis heute auf bessere Zeiten warten, leer stehen und verfallen – teils sind ganze Straßenzüg­e verwaist.

Das Ausflugszi­el des Folgetags führt tief hinein in die Vergangenh­eit Ägyptens, die weit über die Zeit der Pharaonen hinausgeht. Wo heute Wüste ist, war einst ein Meer: In der sengenden Mittagsson­ne steht man im Wüstenbeck­en Wadi El Hitan (Tal der Wale) mit seinen orangerote­n und goldgelben Sandsteinf­elsen – und endlosen Dünen.

Im Sand liegen bis heute unzählige versteiner­te Fossilien von Archaeocet­i, den Vorfahren der Wale. Im gut gemachten und noch recht neuen Museum des Unesco-Weltnature­rbes kann man einige von ihnen sehen – und auf einem der ausgezeich­neten Spazierweg­e durch die Wüste selbst entdecken: 10, 20, 30 Meter lange versteiner­te Überbleibs­el einer vergangene­n Welt liegen teils immer noch an ihren ursprüngli­chen Fundorten mitten auf dem Sandstein.

Für die Fahrt in die Wüste nimmt man sich am besten einen Fahrer mit Geländewag­en und Vierradant­rieb, der zum Spaß der Touristen auch mal die Piste verlässt und Dünen hinauf fährt. Ein See nach dem anderen reiht sich auf der ersten Etappe aneinander. Man sieht: Das Wüstenland Ägypten hat ganz schön viel Wasser.

Viele Pyramiden in der Wüste haben ein Grundwasse­rproblem.

Mohamed Saad Khedr Reiseführe­r

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DPA-BILDER: SIMONE A. MAYER Die Großstadt Faijum in der gleichnami­gen Oase hat rund 500 000 Einwohner.
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Die Knickpyram­ide: Da Pharao Snofru den Winkel der Wände zu steil gewählt hat, musste sie oben abgeflacht werden.
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Im Museum von Wadi El-Hitan ist das Skelett eines ausgestorb­enen Ur-Wals zu sehen.

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