Faijums Pyramiden immer ohne Massen
Fossilien und eindrucksvolle Bauwerke im Umland der Oase am Nilarm Bahr Yusuf
Teilweise sind Besucher allein in der mehr als 4500 Jahre alter Grabkammer. Nur Fledermäuse leisten ihnen Gesellschaft.
FAIJUM – Eine Fahrt zur Oase Faijum ist vor allem eine Reise raus aus Kairo. Hinaus aus der lauten, schmutzigen Hauptstadt Ägyptens und hinein in die Wüste und ins Grüne. Wer sich nach Faijum aufmacht, dessen Ziel ist der Weg selbst: Im Umfeld der Oase liegen sehenswerte Pyramiden, die man ohne Touristenmassen besichtigen kann – anders als in Gizeh.
In die mehr als 4500 Jahre alte Pyramide von Meidum führt ein 40 Meter langer, schräger Schacht. Aufrecht stehen kann man nicht, es geht in gebückter Haltung nach unten. Wächter und Reiseführer bleiben draußen, im Moment sind auch keine anderen Reisenden vor Ort. Ihr Geschnatter am Eingang wird mit jedem Schritt leiser. Und das Gefühl, wie Indiana Jones einen geheimen Schatz zu suchen, größer.
Irgendwann ist es völlig ruhig, ganz unten in der Kammer. Sie wurde nie verwendet, daher ist der Raum nicht bearbeitet. Man könnte auch in einer natürlichen Felsenhöhle stehen, in der nun tatsächlich Fledermäuse geblendet vom Kamerablitz umherflattern. Der Schreck ist groß, das Herz klopft. Jetzt aber schnell wieder raus.
Der abenteuerliche Besuch lohnt sich, vor allem aus geschichtlicher Perspektive: Pharao Snofru (um 2600 v. Chr.) war kein geringerer als der Vater des berühmten Cheops. Er entwickelte mit der Pyramide Meidum die damals noch gängigen Stufenpyramiden weiter. Allerdings war er mit Meidum – auch oft Maydum geschrieben – nicht zufrieden und verwendete den Bau wohl nie als Grabmal. Der Pharao zog weiter und errichtete zwei andere Pyramiden.
Meidum liegt etwas abseits der Oase Faijum. In dem Becken rund herum finden sich weitere, absolut sehenswerte Grabmäler der Pharaonen. Ideal für Reisende, denen das Kairo-Standardprogramm nicht reicht.
Einen Abstecher wert ist zum Beispiel die Pyramide von Hawara von Pharao Amenemhet III. (circa 1800 v. Chr.). Auf den ersten Blick enttäuscht sie etwas, weil der Komplex teilweise eingestürzt ist und seine ursprüngliche Höhe von 58 Metern verloren hat. Dabei ist die Hawara-Pyramide eine der jüngsten Ägyp
tens, erbaut viele Jahrzehnte nach der von Meidum und den Großen bei Kairo.
„Hier siehst du, was sie falsch gemacht haben“, erklärt Reiseführer Mohamed Saad Khedr. Hawara wurde aus kleinen, gut tragbaren Lehmziegeln gefertigt, wie sie heute noch die Bauern für ihre Häuser verwenden. „Aber viele Ziegel zerfielen mit der Zeit, und die Pyramide ist stellenweise eingebrochen“, sagt Mohamed.
Auch kann man die Grabkammer nicht besichtigen. Sie steht unter Wasser. „Denn viele Pyramiden in der Wüste haben ein Grundwasserproblem“, erklärt Mohamed. Sie wurden oft in der Nähe des Nils und nur am Rand der Wüste errichtet. Keine zehn Meter entfernt von Hawara fließt der Bahr Yusuf, ein Arm des Nils.
Der Nil ist die Lebensader der Oase Faijum, die quasi der Garten der Metropolregion Kairo ist. Sie ist durchzogen von saftiggrünen Feldern voller Futterklee, Dattelpalmen, Obst und Gemüse. Landwirtschaft ist hier oft noch Handarbeit: Mit Pflug und Esel schiebt so mancher Fellache hier sein Gerät über die Felder. Frauen tragen große Haufen Futterklee auf dem Kopf nach Hause.
Die Landschaft durchziehen unzählige Kanäle und kleine künstliche Seen. Wassernot gibt es hier nicht. An die grüne Oase grenzt im Nordwesten außerdem der 230 Quadratkilometer große Qarun-See. Bei Ägyptern ist er ein beliebtes Ziel für Wochenendtrips, Schulausflüge und die Sommerferien. Hier finden sich Hotels in allen Preisklassen für Reisende, die etwas länger in der Gegend bleiben wollen.
Faijum ist eine sehr arme Region. Auf den Suks der kleinen Oasen-Dörfer sieht man keine üppigen Marktstände voll prächtiger Waren. Verkauft werden Mengen, die die kleinen Felder einer Familie an dem Tag hergegeben haben, dazu viel Second-HandWare. Die Armut hat Folgen: Da jede helfende Hand auf dem Feld gebraucht wird, ist Analphabetismus weit verbreitet, erklärt Reiseführer Mohamed. Man heiratet früh, die Kinderzahl pro Familie ist hoch.
Die Faijum-Oase gilt als eine konservative und religiöse Region Ägyptens. Moderne Kleidung wie Jeans tragen maximal die jungen Männer, Frauen sind oft vollverschleiert. Touristen wird geraten, aus Respekt auf nackte Haut zu verzichten.
Besucher werden auf der Straße trotz der kulturellen Unterschiede freundlich gegrüßt. Viele Reiseagenturen bieten Tagesausflüge in die Region im Rahmen ihrer Ägypten-Rundreisen an. Wobei der Stopp in der Oase sich oft auf die gleichnamige Hauptstadt Faijum beschränkt und dort nur der Suk und unspektakuläre Wasserräder besichtigt werden. „Länger bleiben die meisten nicht. Ich hoffe, aber das ändert sich“, sagt Mohamed. „Es gibt so viel Tolles im Umland zu sehen.“Wer Zeit hat, sollte die Stadt trotzdem zu Fuß oder mit einer Pferdekutsche besichtigen. Allein schon, um den Kontrast wahrzunehmen.
Der Landwirt und TeilzeitReiseführer Mohamed aus Fajium steuert seine Droschke durch die verkehrsreichen Straßen und deutet immer wieder auf leerstehende Gebäude: „Hier Alexandria, hier Kairo. Und das hier wieder Kairo.“Das sind die Wohnorte der Investoren, die die chaotische Phase nach der Revolution 2011 genutzt haben, um meist illegal große Wohn- und Bürokomplexe hochzuziehen. Es sind Investments, die bis heute auf bessere Zeiten warten, leer stehen und verfallen – teils sind ganze Straßenzüge verwaist.
Das Ausflugsziel des Folgetags führt tief hinein in die Vergangenheit Ägyptens, die weit über die Zeit der Pharaonen hinausgeht. Wo heute Wüste ist, war einst ein Meer: In der sengenden Mittagssonne steht man im Wüstenbecken Wadi El Hitan (Tal der Wale) mit seinen orangeroten und goldgelben Sandsteinfelsen – und endlosen Dünen.
Im Sand liegen bis heute unzählige versteinerte Fossilien von Archaeoceti, den Vorfahren der Wale. Im gut gemachten und noch recht neuen Museum des Unesco-Weltnaturerbes kann man einige von ihnen sehen – und auf einem der ausgezeichneten Spazierwege durch die Wüste selbst entdecken: 10, 20, 30 Meter lange versteinerte Überbleibsel einer vergangenen Welt liegen teils immer noch an ihren ursprünglichen Fundorten mitten auf dem Sandstein.
Für die Fahrt in die Wüste nimmt man sich am besten einen Fahrer mit Geländewagen und Vierradantrieb, der zum Spaß der Touristen auch mal die Piste verlässt und Dünen hinauf fährt. Ein See nach dem anderen reiht sich auf der ersten Etappe aneinander. Man sieht: Das Wüstenland Ägypten hat ganz schön viel Wasser.
Viele Pyramiden in der Wüste haben ein Grundwasserproblem.
Mohamed Saad Khedr Reiseführer