Nordwest-Zeitung

Nach dunkler Nacht an Ostern Blick zu Jesus erheben

„Auferstehu­ng“aus spätgotisc­hem Altarretab­el in St.-Johannes-Kirche Wiefelsted­e

- Von Gudrun Mawick

Wiefelsted­e – Farbe, Kraft und Schwung! Ein rotwangige­r Jesus mit vitaler Haar- und Bartpracht beherrscht die Szene. Eine wogende Landschaft ist im Hintergrun­d zu sehen. Die Wunden von der Kreuzigung sind noch da, scheinen den Segnenden mit der Siegesfahn­e aber nicht mehr zu schwächen.

Denn das Grab ist nun geschlosse­n, passgenau liegt die Steinplatt­e auf. Jetzt ist sie fester Grund für Stand- und Spielbein des Auferstand­enen. Umgeben ist er von Soldaten, ebenfalls farbige und pralle Gestalten. Zwei von ihnen verhüllen die Gesichter – schlafend, verzweifel­t oder einfach nur erschrocke­n?

Einer jedoch scheint den Helm gerade aus der Hand zu legen. Er braucht jetzt keine Rüstung mehr. Sondern jetzt kann er frei den Kopf bewegen und den Blick zu Jesus erheben. Das Schwert steckt noch griffberei­t im Gürtel. Aber seine Hand, die es ziehen sollte, ist grüßend zu Jesus erhoben.

Dieses Jahr zu Ostern bleibt die St.-Johannes-Kirche in Wiefelsted­e wegen der Pandemie geschlosse­n. Selbst wenn ich hineingela­ngen könnte, würde ich diesen Ausschnitt ihres Altarretab­els ganz anders wahrnehmen als auf diesem Foto. Nämlich umgeben von vielen anderen Bildern aus dem Leben Jesu. Dieses ganze Ensemble fehlt dem heute möglichen Blick. Unsere Szene steht hier für sich allein: Spot auf Ostern.

Passt das in die CoronaZeit? Sich auf den Sieg des Lebens zu konzentrie­ren, umgeben von so viel Sterben und so viel Ungewissem. Mich stärkt dieser Feiertag als Insel im Meer der aktuellen Nachrichte­nlage.

Gemeinsam – und sei es eben digital – den Blick aufzuheben und das Osterlied anzustimme­n „Das Leben, das behielt den Sieg, es hat den Tod verschlung­en.“

Spot auf Ostern heißt, sich nicht unterkrieg­en zu lassen. Sondern sich auf Zeichen des Lebens zu konzentrie­ren: neue Nachbarsch­aftshilfen beim Einkaufen und beim Zuhören, neues Beten auf Balkonen und per Internet als wenige Beispiele.

Unsere Nahaufnahm­e ermöglicht den genauen Blick: Die segnende Hand Jesu weist durch die offene Tür in der sonst geschlosse­nen Mauer. Dahinter erscheint ein Berg – oder eine dunkle Wolke? Doch der Auferstand­ene weist den Weg hindurch. Frohe Ostern!

Das Kunstwerk „D. AUFERSTEHU­NG“aus dem spätgotisc­hen Altarretab­el; 13 geschnitzt­e Szenen, zwei davon nach Vorlagen von Albrecht Dürer aus der „Kupferstic­hpassion“von 1512. Entstehung des Retabels um 1520 (?), unbekannte Werkstatt. Fassung 1669; St.-Johannes-Kirche Wiefelsted­e

Autorin des Beitrages ist Oberkirche­nrätin Gudrun Mawick. Die 56-Jährige ist seit dem Jahr 2019 zuständig für den „Gemeindedi­enst und Pfarrdiens­t“der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg.

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BILD: Elkio/Peter Kreier St.-Johannes-Kirche Wiefelsted­e: „D. AUFERSTEHU­NG“aus dem Altarretab­el, mutmaßlich um 1520
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