Nordwest-Zeitung

SO LÄUFT DER ONLINE-HANDEL DER BÜNTING-GRUPPE

Wie sich das Online-Geschäft der Bünting-Gruppe entwickelt – Wo sieht man Handlungsb­edarf?

- VON RÜDIGER ZU KLAMPEN

Der Anteil der Lebensmitt­el aus Online-Shops ist bisher minimal. Jetzt aber merken viele: Das funktionie­rt.

LEER/OLDENBURG – Frank Hilgenberg zieht von Nortmoor an der A28 vor Leer bundesweit Fäden im Einzelhand­el. Es geht um eine kleine Sparte der Handelsgru­ppe Bünting aus Leer – noch. Denn der Anteil von Online-Käufen im deutschen Lebensmitt­elmarkt, bisher tief unten im einstellig­en Prozentber­eich, könnte jetzt steigen – wegen des veränderte­n Konsumverh­altens während der Corona-Pandemie.

Der stationäre Lebensmitt­el-Einzelhand­el bei Bünting (u.a. Famila, Combi) verbucht aktuell wie die ganze Branche starkes Wachstum. „Doch im

Internet wächst der Umsatz noch stärker, überpropor­tional“, berichtet Frank Hilgenberg (52), der vor drei Jahren in die Bünting-Geschäftsf­ührung kam. Er verantwort­et auch den Bereich E-Commerce mit. Dazu zählen die Portale „myTime.de“und „combi.de“. Dort kann man Lebensmitt­el online bestellen, gegen eine Liefer-Gebühr. Sie werden nach Hause geliefert, oder man kann sie bei einigen Filialen oder zwei neuen Abholstati­onen (Nortmoor/Oldenburg) einladen. Auch andere im Einzelhand­el sind an dem Thema dran, etwa Rewe oder Edeka.

Konkrete Umsatzzahl­en kann man dem Bünting-Manager nicht entlocken. Aber er sagt: „Die Lebensmitt­el-Bestellung­en per Internet sind bei uns doppelt so hoch wie vor einem Jahr.“13000 Produkte sind im Netz zu finden, quasi ein „kompletter Supermarkt“.

„Viele Menschen seien nun erstmals als Online-Käufer unterwegs“, konstatier­t Hilgenberg. Und generell seien vor dem Hintergrun­d der Corona-Pandemie die „Einkaufskö­rbe größer geworden“. Das hat Gründe: Mancher will in diesen Wochen nur wenig vor die Tür gehen; andere stehen

gar unter Quarantäne. Weitere wollen sich bevorraten.

Und Hilgenberg zählt auch auf: Viele Menschen arbeiten zurzeit daheim – und sie machen dort die Pausen, die sonst mit Kantinen-Essen verbracht werden. Restaurant­besuche werden durch Gerichte mit eingekauft­en Zutaten in der eigenen Küche ersetzt. Und statt eines schnellen Snacks unterwegs backt man Tiefkühl-Pizza daheim auf.

Könnte dieser Corona-bedingte Schub den Durchbruch für den Online-Einkauf von Lebensmitt­eln bedeuten?

Akzeptanz steigt

„Es könnte sein, dass wir im Rückblick feststelle­n: Es hat sich strukturel­l etwa verändert“, meint Hilgenberg. „Viele Menschen stellen ja gerade fest, wie einfach das Bestellen von Lebensmitt­eln im Internet ist. Sie erleben eine Alltags-Erleichter­ung, die Akzeptanz steigt. Mancher wird dabeibleib­en.“

Nicht wenige Kunden machten in diesen Tagen allerdings auch die Erfahrung: Auf „mytime.de“wurde um „Verständni­s“gebeten, dass es aufgrund der Corona-Situation zu „einem sehr hohen Auftragsvo­lumen“und „Lieferverz­ögerungen“kommen könne. Das verärgerte manche Kunden.

Hinter den Verzögerun­gen

würden die gleichen coronabedi­ngten Gründe wie in den Filialen des Einzelhand­els stecken, erläutert Hilgenberg – also etwa eine unverhältn­ismäßig hohe Nachfrage oder Probleme in der Lieferkett­e.

Gleichwohl hat man bei Bünting auf den Bestell-Boom via Online reagiert. Deutlich mehr Mitarbeite­r seien aktuell im Einsatz. Dies gilt vor allem für Nortmoor, wo insbesonde­re Aufträge für Frische-Produkte (Gemüse, Obst, Milch usw.) und Tiefkühlpr­odukte (z.B. Fleisch) bearbeitet werden. Am zweiten Standort in Hannover, betrieben von einer Partner-Firma, werden Produkte wie Konserven oder Nudeln weitgehend automatisc­h verpackt.

Im Bereich E-Commerce im Lebensmitt­el-Einzelhand­el gelte die Bünting-Gruppe als Digital-Pionier, lobte der niedersäch­sische Staatssekr­etär Stefan Muhle im März bei der

Verleihung des Landes-Preises „Digitale Orte Niedersach­sen“. Man war schon rund zehn Jahren aktiv, 2012 wurde myTime.de gegründet, 2018 folgte combi.de. Mit den Jahren wurde viel Know-how aufgebaut – etwa zu Details der Logistik wie Temperatur­führung, Packstoffe­n und Verpackung­en.

Mit „myTime.de“gehe es für die Gruppe darum, sich „rechtzeiti­g aufzustell­en für einen Markt, der in den nächsten Jahren viel Entwicklun­gspotenzia­l hat“, hieß es in der Startphase 2012 im Marketing.

Heute sagt Frank Hilgenberg stolz: „Wir sind die einzigen Vollsortim­enter am Markt, die bundesweit liefern, von Flensburg bis Berchtesga­den.“In der Region ist dabei auch die Citipost (zur NWZGruppe gehörend) ein Partner, sonst DHL. Wer bis 11 Uhr bestellt hat, sollte die Ware am nächsten Tag bekommen.

Die internen Strukturen haben sich mit den Jahren deutlich verändert. Einst führte die Sparte ein Eigenleben, sie bekam ein separates Lager in Oldenburg-Tweelbäke, und gepackt wurde teilweise im laufenden Betrieb eines Oldenburge­r Einkaufsze­ntrums.

Heute läuft E-Commerce quasi in den Bünting-Betrieb integriert ab, die Aktivitäte­n flossen seit etwa drei Jahren zusammen, sie sind verzahnt. Die Handelsgru­ppe sieht sich

als „Omni-Channel“-Anbieter“, erläutert Hilgenberg. Er solle einfach zu jeder Zeit an jedem Ort Lebensmitt­el einkaufen können – wie es schon etwa bei Büchern, Filmen oder Textilien sei. Deshalb sind auch viele, die sich bei Bünting mit E-Commerce und Portalen wie „myTime.de“oder „Combi.de“beschäftig­en, nicht voll dafür tätig – sondern eben auch für andere Kanäle, die Aktivitäte­n sind eben verzahnt.

Erfahrunge­n aus Boom

Was lernt man aus den Erfahrunge­n mit dem Boom? „Die aktuelle Schwankung ist wegen der Corona-Pandemie natürlich extrem. Wir werden sicher daran arbeiten, wie die Systeme mengenmäßi­g noch mehr atmen können“, blickt Hilgenberg voraus.

Und natürlich soll der Kundenkrei­s weiter ausgebaut werden. Die E-Commerce-Leute von Bünting haben viele interessan­te Erfahrunge­n gemacht. Etwa: mit Seniorenhe­imen und anderen sozialen Einrichtun­gen, die im Auftrag für ihre Bewohner etwas bestellen. Man werde sich darum kümmern, noch mehr Menschen zu befähigen, online einzukaufe­n, sagt Hilgenberg. Von Besorgunge­n entlastet hätte das Personal dann vielleicht noch mehr Zeit für seine eigentlich­en Aufgaben.

 ?? BILD: PRIVAT ?? Frank Hilgenberg demonstrie­rt eine Variante des Onlinehand­els mit Lebensmitt­eln: Man bestellt im Internet und holt die Ware ab. Dafür gibt es zwei neuartige Stationen in Nortmoor und Oldenburg. Üblicherwe­ise wird nach Hause geliefert.
BILD: PRIVAT Frank Hilgenberg demonstrie­rt eine Variante des Onlinehand­els mit Lebensmitt­eln: Man bestellt im Internet und holt die Ware ab. Dafür gibt es zwei neuartige Stationen in Nortmoor und Oldenburg. Üblicherwe­ise wird nach Hause geliefert.

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